Alle und Alles unter einem Dach

gernot schulz : architektur
17. April 2013
Blick auf den Haupteingang
Die Firma Philipp Hafner als Hersteller von Fertigungsmestechnik steht für Präzision und Qualität. Was war Ihnen bei der Umsetzung der Leitidee „Hier will ich arbeiten!“ in Bezug auf Adress- und Freiraum-Ausbildung besonders wichtig?

Zunächst einmal ist bei dieser Bauaufgabe der Bauherr die Besonderheit. Die Philipp Hafner GmbH & Co. KG ist ein unabhängiges Familienunternehmen – in der Geschäftsführung derzeit im Übergang von der 3. Zur 4. Generation – und ein führendes Unternehmen für kundenspezifische Lösungen im Bereich anspruchsvoller Fertigungsmesstechnik. Diese Beschreibung kann fast 1:1 für das Verständnis unserer Architektur übernommen werden. Zudem ist – einmal abgesehen vom Einfamilienhausbau – die Situation eines Privatbauherren für so eine Bauaufgabe extrem spannend – genauso wie der Wunsch des Bauherren, dass die Qualität des Gebäudes und des einzelnen Arbeitsplatzes Instrument für das Anwerben und Halten von Fachkräften sein soll.

Lageplan, rechterhand mit Erweiterung

Wie alle unsere Gebäude haben wir auch dieses Haus „von innen nach außen“ entwickelt.
Eine der Grundforderungen für den Neubau den wir aus der Auslobung heraus gelesen haben ist die besonders enge Verknüpfung von Büroarbeitsplätzen (Entwicklung) und der Produktionshalle (Montage). Da jede von der Fa. Hafner hergestellte Messmaschine eine Individualentwicklung und –anfertigung ist, arbeiten die Ingenieure und die Produktionsmitarbeiter eng zusammen. Der tägliche enge Austausch zwischen diesen Gruppen ist eine der Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg der Firma.
Daraus für die Architektur abzuleiten ist das Wort Kommunikation, dies wurde für uns zum Leitfaden des Entwurfsprozesses.

Piktogramme

Kommunikation beginnt innerhalb der Arbeitsabläufe bei der visuellen Kommunikation. Wenn ich sehe, ob ein Kollege an seinem Platz ist oder nicht ergeben sich weniger unerfolgreiche Wege oder Anrufe am Tag. Kommunikation wird erleichtert durch das Abbauen von Hürden. Der kurze Austausch von Informationen im Flur, im Treppenhaus, in der Teeküche gestalten den Arbeitsalltag effektiver. Gemeinschaftliche Aktivitäten der Mitarbeiterschaft steigern das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Botschaft der Kommunikationsfähigkeit des Hauses Hafner nach außen macht die Firma für ihre Kunden und für die Anwerbung neuer Mitarbeiter sympathisch. All diese Ebenen von Kommunikation fassen wir bei unserem Entwurf in der Idee der Kommunikationsfuge zusammen. Kunden und Mitarbeiter erhalten in diesen Raum gleichwertige Eingänge. Den Raum selbst sehen wir als Komposition klassischer Architekturelemente: Das „Vokabular“ aus Lichtführung, Wegeführung und diagonalen Blickbeziehungen wird präzise und bewusst zu Stärkung der Kommunikation eingesetzt. Die nach dem Wettbewerb gemeinsam mit dem Bauherrn entwickelte Slogan „Hier ist die Präzision als Passion zuhause“ steht sowohl für die hier hergestellten Produkte als auch für das Haus selbst. Dieses präsentiert sich nach außen als metallenes Werkstück mit präzisen Übergängen zwischen glatten, perforierten und profilierten Aluminiumtafeln und bündigen Glasflächen. Angestrebt ist ein ähnlicher Reflektionsgrad metallener und gläserner Flächen, um die Wahrnehmung eines „Werkstückes“ zu verstärken. Die Kommunikationsfuge und die Gemeinschaftsräume des Erdgeschosses durchbrechen die Bündigkeit und binden als „bearbeitete“ Teile des Werkstücks die Aufmerksamkeit des Betrachters.

Erdgeschoss und Ansichten
Innenraum, Stand Wettbewerb
Können Sie uns durch das Gebäude führen, als ob es schon fertiggestellt wäre?

Zurückgesetzt von den Grundstücksgrenzen beginnt der Weg schon in der Annäherung an das Gebäude. Der „Luxus“ der unbebauten und parkähnlich begrünten Grundstücksbereiche unterstreicht den repräsentativen Charakter des Gebäudes ohne unnötige Gesten wie Fahnenstangen oder Firmenlogo-Säulen. Die Eindeutigkeit der durch den Gebäudeeinschnitt inszenierten Zuwegung wirkt einladend und macht neugierig. Mit dem Eintreten in die Halle ist man sofort „mitten im Geschehen“ – ohne zunächst in einer anonymen Eingangssituation „abgefangen zu werden“. Wir haben die Kommunikationsfuge gemeinsam mit dem Bauherren nach dem Wettbewerb bewusst im Sinne der Stärkung dieser Raumwahrnehmung bearbeitet. Nach dem Wettbewerb hinzugefügt wurde unter anderem die offen in die Halle positionierte Treppe. Diese verbindet auf den Geschossen terrassenartige Kommunikationsbereiche, welche auf brückenartigen Raumkuben des jeweils darunter liegenden Geschosses entstehen. Während die Produktionshalle einen introvertierten Raumbereich bildet, der über Dachsheds und hinter den perforierten Fassadenteilen angeordneten Fenstern belichtet wird, öffnet sich der Bürobereich vollverglast nach Norden und gibt den Blick in den landwirtschaftlich kultivierten großzügigen Freiraum vis-à-vis des Grundstücks frei. Das leicht ansteigende Dach in Süd-Nord-Richtung unterstreicht diese Ausrichtung des Gebäudes in die Landschaft. Gleichzeitig ist diese Form Ausdruck dafür, dass sich alle Funktionen des Gebäudes „unter einem Dach“ befinden.

1. und 2. Obergeschoss, Untergeschoss
Schnitte
Welche Ausbaustandards sind vorgesehen?

Angestrebt ist ein „low-tech“-Gebäude mit bewusst reduzierter Materialpalette. Für die Bürobereiche ist Fensterlüftung und Betonkernaktivierung vorgesehen, so dass insgesamt auch der niedrig installierte Eindruck der jetzt präsentierten Bilder erhalten bleiben kann. Die Produktionshalle erhält sichtbare Installationen und unter anderem eine Be- und Entlüftungsanlage. Ein noch auf dem Grundstück vorhandener inaktiver Bodenkanal kann gegebenfalls zur Vorkühlung der Luft genutzt werden. Da die Bodenbeschaffenheit des Grundstücks eine Tiefgründung erfordert ist es voraussichtlich sinnvoll diese gleich geothermisch auszubilden. Die Belegung der Shedrückseiten mit Photovoltaik liegt auf der Hand.

Innenraum, Stand Planung
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Angestrebt ist eine Fertigstellung zum Jahreswechsel 2014/2015.

Modell (Foto: Architektur 109, Stuttgart)
Firma Philipp Hafner GmbH & Co. KG in Fellbach
Einladungswettbewerb

Jury
Jens Oberst, Vors.
Ferdinand Heide
Till Schneider
Beatrice Soltys
Prof. Dr. Thomas Stark
Paul Böhringer
Christel Böhringer
Prof. Dr. Dieter Spath
Roland Schuster

1. Preis
gernot schulz : architektur
Köln

1. Preis
Allmann Sattler Wappner
München

3. Preis
Hascher Jehle Architektur
Berlin

3. Preis
Florian Nagler Architekten
München

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