Quartiers-Kita in Leipzig

Aline Hielscher Architektur
17. Januar 2024
Die Farbensprache ist zurückhaltend und natürlich – die der Innenräume ebenso wie die der Fassaden. (Foto: Célia Uhalde)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Quartiers-Kita ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt innerhalb einer Großwohnsiedlung im Südosten von Leipzig. Das Besondere ist die Insellage dieser Kindertagesstätte innerhalb der zumeist elfgeschossigen Bebauung, die zugleich den städtebaulichen Rahmen für das Projekt bildet. Die Kita ist in ihrer Funktion der Kinderbetreuung ein wichtiger Baustein für das Quartier und schafft über ihre Außenwirkung eine Verbindung zu den Bestandsbauten.

Die städtebauliche Einordnung des Gebäudes definiert die innere Organisation der Kita: Öffnung zum Garten, der Zugang über den Fuß- und Radweg, die Anlieferung von der Straße aus. Ein zentrales Leitmotiv ist der großzügige Bezug der Bewegungs- und Gruppenräume zum Garten. (Foto: Célia Uhalde)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Ort ist durch seinen Städtebau der 1960er- und 1970er-Jahre stark typologisch geprägt: Hohe Zeilenbauten charakterisieren das Viertel, das aber zugleich sehr grün und ruhig ist, weil es nur durch schmale Anliegerstraßen erschlossen wird. Eine begrünte Fußgängerachse durchzieht wie ein roter Faden das Quartier in seiner gesamten Länge; an ihr reihen sich verschiedene Bildungsbauten auf.

Die neue Quartiers-Kita, die auch an dieser Achse liegt, ergänzt zum einen in seiner Form und Höhe die bereits »aufgefädelten« Bauten und schafft zum anderen den städtebaulichen Rahmen für den dahinter liegenden großen Garten.

Jeder Aufenthaltsraum hat einen direkten Zugang zum Garten – im Erdgeschoss über eine großzügige Terrasse und im Obergeschoss über eine filigrane Stahlbalkonanlage. (Foto: Célia Uhalde)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Die Auftraggeberin wünschte sich ein kompaktes, zweigeschossiges Gebäude und auch die Verortung des neuen Gebäudes war recht genau vorgegeben. Außerdem sollten alle Krippenkinder im Erdgeschoss untergebracht werden. Weitere Parameter haben sich im laufenden Entwurfsprozess ergeben, so zum Beispiel die Balkonanlage, die den Übergang zwischen Haus und Garten schafft und gleichzeitig den Sonnenschutz bildet: Hier hatten wir von Anfang an die Unterstützung und Zustimmung der Auftraggeberin.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das fertige Gebäude unterscheidet sich nur marginal vom ersten Entwurf. Es ist uns in Zusammenarbeit mit der Auftraggeberin gelungen, die wichtigsten Entwurfsparameter bis zur Umsetzung beizubehalten (Holz-Pfosten-Riegel-Fassade, Balkonanlage, Fensterbänder im Norden). Besonders freuen wir uns, dass die Transparenz und die Filigranität im Projektverlauf nicht verloren gegangen sind.

Die Kinder können durch die großen Glasflächen der Holz-Pfosten-Riegel-Fassade unmittelbar an der Veränderung der Natur innerhalb der Jahreszeiten teilhaben. (Foto: Célia Uhalde)
In den Innenräumen kontrastiert Fichtenholz mit dem hellen Grau des Bodens und pastellgrünen Fliesen in allen Bädern. (Foto: Célia Uhalde) 
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?

Zum Zeitpunkt des Entwurfs, also 2018, spielte die Verwendung von zirkulären Baustoffen noch keine tragende Rolle. Aber natürlich war es unser Anspruch – und glücklicherweise auch der Wunsch der Bauherrin – möglichst nachhaltig zu bauen. So sollten die Außenwände in einer einschaligen, nachhaltigen Bauweise umgesetzt werden, weshalb wir hier einen verputzten Hochlochziegel eingesetzt haben. Auf dem Flachdach wurde ein Modellgründach realisiert, das vom Umweltforschungszentrum und den Leipziger Wasserwerken in einem speziellen Monitoring überwacht und ausgewertet wird. Im Innenbereich der Kita setzten wir, wie bei allen unseren Projekten, natürliche Materialien ein: Holz und Linoleum spielen hier eine große Rolle.

Welche digitalen Instrumente haben Sie bei der Planung eingesetzt?

Wir zeichnen in den Entwurfsphasen in 3D und gehen ab der Detailplanung ins klassische 2D-CAD-Zeichnen über. Die Verwendung von BIM ist nach unserer Einschätzung erst dann interessant, wenn es projektbezogen von allen Planer*innen eingesetzt wird. Wir schauen uns die aktuelle Entwicklung sehr genau an, sehen aber zum aktuellen Zeitpunkt für unsere kleine Struktur noch nicht den Vorteil in der täglichen Projektbearbeitung. 

Der Entwurf umfasst einen kompakten zweigeschossigen Gebäuderiegel, der Platz für 105 Kinder bietet. (Visualisierung: Aline Hielscher Architektur)
Beschäftigten Sie sich im Büro mit den Tendenzen des zirkulären Bauens und der sozialen Nachhaltigkeit?

Wir interessieren uns sehr für Projekte im Zusammenhang mit aktuellen sozialen Fragestellungen sowie für den nachhaltigen Umgang mit der Bausubstanz, insbesondere der 1950er- bis 1970er-Jahre, die gerade hier in Ostdeutschland noch recht häufig vorhanden ist. 

Die Anwendung des zirkulären Bauens ist ohne Frage von großer Relevanz für das Bauen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten; auch wir werden dieses dringende Thema in unserem Büro vorantreiben.

Die Wiederverwendung von Materialien impliziert jedoch einen höheren Planungs- und Realisierungsaufwand, deshalb müssen hier auch die Politik und die Gesetzgebung mitziehen; alleine können das die Architekt*innen nicht bewältigen. Wir sind dafür jedoch mehr als bereit und stellen uns gerne diesen neuen Herausforderungen.

Die neue Quartiers-Kita liegt inmitten von elfgeschossigen Zeilenbauten im Wohngebiet der Straße des 18.Oktober, das zwischen 1968 und 1974 entstanden ist. (Schwarzplan: Aline Hielscher Architektur)
Grundriss Erdgeschoss: Leitmotiv der Anordnung der einzelnen Funktionen im Gebäude sind die verschiedenen Kommunikationszonen, die zum einen für eine gute Belichtung der Räume sorgen und zum anderen sich querende Sichtachsen auf den beiden Ebenen schaffen. Eine Hauptsichtachse ist die Verbindung des Eingangsbereichs mit dem Bewegungsraum hin zum Garten. (Zeichnung: Aline Hielscher Architektur)
Grundriss Obergeschoss: Auf der oberen Ebene akzentuieren Oberlichter mit ihrem zenitalen Licht die Vorplätze der Gruppenräume. Die Treppe wird ebenfalls über ein Oberlicht mit Tageslicht versorgt. Die Kitaleiterin hat ihr Büro an zentraler Position neben dieser Treppe, sie ist so als Hauptansprechpartnerin mit allen Funktionen der neuen Kindertagesstätte gut vernetzt. (Zeichnung: Aline Hielscher Architektur)
Ansicht Südwest: Großzügige Verglasungen in beiden Geschossen, sowie die vorgelagerte, filigrane Balkonkonstruktion verbinden alle Gruppenräume über Treppenanlagen direkt mit dem Außenraum. (Zeichnung: Aline Hielscher Architektur)
Schnitt: Die Garderoben weiten die Achsen immer wieder auf; sie schaffen so Großzügigkeit, trotz eines relativ schmalen Verbindungsflurs, und ermöglichen immer neue Blicke ins Grüne. Weitere Ein- und Ausblicke schaffen die Glasfelder, die sich neben den Türen zwischen den Gruppenräumen befinden. (Zeichnung: Aline Hielscher Architektur)
QUARTIERS-KITA – Neubau in einer Leipziger Großwohnsiedlung
2023
Tarostrasse 9A
04103 Leipzig

Auftragsart
Beschränktes Vergabeverfahren
 
Bauherrschaft
Stadt Leipzig Amt für Schule und Stadt vertreten durch das Amt für Gebäudemanagement
 
Architektur
Aline Hielscher Architektur, Leipzig
Team: Tom Döhler, Aline Hielscher, Johanna Knigge, Florian Tobschall
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: Gruner GmbH, Leipzig
Freianlagenplanung: Fagus GmbH Markkleeberg
Brandschutz: Bauplanung Leipzig - Ingenieurbüro Julie Zimmermann, Leipzig
HLS-Planung: Planungsbüro Haustechnik Dieter Quellmalz, Schkeuditz
ELT-Planung: Planungsbüro Heino Ling, Wurzen
Küchenplanung: Triebe und Triebe GbR, Leipzig
 
Ausführende Firmen
Dacharbeiten inkl. Gründach: Fa.Mieth Bedachungen GmbH, Leipzig
Metallfenster: Wilde Metall Technik GmbH, Elsterheide
Außenputz: Roberto Bergner Bauunternehmen GmbH, Greiz-Moschwitz
Stahlbau- und Schlosserarbeiten: Stahlbau Behrens GmbH & Co. KG, Vahldorf
Alu-Fassade: LMS GmbH Leipziger Metall und Systemfassaden, Leipzig
Trockenbau: T.W.W. GmbH, Leipzig
Innentüren Holz: Türzentrum Burkhardt, Eisenberg
Bodenbelagsarbeiten: Raumgestaltung Schandert GmbH, Jüterbog
Fliesenarbeiten: Fliesen-Kittel, Weißenfels
Elektroinstallationen: Elektro Lehmann, Bad Lausick
 
Hersteller
Fliesen: Mosa
Leuchten: Sammode
Linoleum: Gerflor
Tür- und Fensterbeschläge: Hoppe
ELT: Berker
 
Bruttogeschossfläche
1.334 m²
 
Gesamtkosten
3.000.000 € brutto (KG 300 + 400)
 
Auszeichnung
Architekturpreis der Stadt Leipzig 2023
 
Fotos
Célia Uhalde

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