Flurlose Kita in Holzbauweise

MATTER Schmidt Fach Architekten + Stadtplaner PartGmbB und studioplus (vormals tobias buschbeck architektur)
3. Mai 2023
Die Kita liegt am Waldrand inmitten eines großzügigen Außenspielbereichs (Foto: Andrew Alberts)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Im aktuellen Schulbau ist die pädagogische Nutzbarkeit möglichst aller Flächen ein wichtiges Ziel. Das hat uns dazu inspiriert, einen neuen KiTa-Typus zu entwerfen: eine „flurlose“ KiTa, in der die Erschließungsflächen pädagogisch nutzbarer Raum sind – die Spieldielen. Sie sind um einen gemeinschaftlichen Bewegungsraum gruppiert, der dem Kita-Alltag und den verschiedenen Altersgruppen von Krippe bis Kindergarten eine orientierende Mitte verleiht. Neben Spieldiele und gemeinsamer Mitte waren uns verbindende Durchblicke wichtig, die teilweise sogar vom Bewegungsraum, durch die Spieldiele und die Gruppenräume hindurch die umliegende Landschaft sichtbar machen.

Gefreut hat uns, dass auch die Wettbewerbs-Jury diese Qualitäten ausdrücklich gewürdigt hat: „Bemerkenswert ist, dass auf klassische Flure verzichtet werden kann, weil die Erschließungsflächen zugleich als innen liegende Spieldielen nutzbar sind.“ Weiter schrieb das Preisgericht: „Der zentrale Bewegungsraum bildet – über ein Oberlicht in Form eines Walmdaches belichtet – eine attraktive Mitte.“

Die umlaufende Pergola verbindet die Gartenlandschaft mit dem Gebäudeinneren und schafft schattige Außenflächen im Sommer (Foto: Andrew Alberts)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Zum einen verläuft rund um die Kita eine Terrasse mit Pergola. Manche Terrassenbereiche sind dabei sehr tief und als Rückzugsort überdacht, andere eher offen gestaltet. Damit erzeugen wir einen abgestuften Übergang zu den organischen Formen des topografisch modellierten Gartens, der den Kindern auf einfache Art zahlreiche Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Zum anderen erlauben die Fensterflächen, vor allem die Bullaugenfenster in verschiedenen Höhen, Ausblicke in die weite Landschaft mit ganz unterschiedlichen Qualitäten. Der umgebende Naturraum wird so als Erlebnis direkt in das Gebäude geholt.

Die beiden Spieldielen sind integraler Bestandteil des teiloffenen Konzepts und bilden einen spannenden Zwischenraum zwischen den Gruppenräumen und dem Bewegungsraum (Foto: Andrew Alberts)
Blick über die Spieldielen in den Bewegungsraum (Foto: Andrew Alberts)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

An vielen Stellen haben wir nach Kräften versucht mit Kinderaugen auf die Entwurfsaufgabe zu blicken und aus der Kinderperspektive heraus zu planen. Leise Rückzugsorte wie die holzvertäfelten ‚Kuschelecken‘, die den Gruppenräumen angeschlossen sind, aber auch der ganz in Sonnengelb getauchte Bewegungsraum, in dem lautes Toben geradezu erwünscht ist, sind konkrete räumliche Ergebnisse dieses Perspektivwechsels.

Die Gruppenräume haben direkten Zugang über den Pergola-Umlauf in den Garten (Foto: Andrew Alberts)
Jede Kuschelecke hat drei Bullaugenfenster auf unterschiedlichen Höhen, durch die Kinder in den Garten schauen können (Foto: Andrew Alberts)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die räumlichen Qualitäten des Wettbewerbsbeitrags erwiesen sich als so tragfähig, dass sie vollständig umgesetzt werden konnten. Bis auf technische Aspekte musste auf dem Weg zur Realisierung also nichts Grundlegendes angepasst werden. Grundrissfigur, Fassadenbild, sowie Innenraumgestaltung blieben unverändert, womit sich ein sehr konsistentes Gesamtbild ergab. Wo es die Notwendigkeit gab, Kosten einzusparen, haben wir kreative Lösungen gefunden – beispielsweise durch eine Kooperation des Tischler- und des Elektrogewerkes, um das individuelle Lampenkonzept umzusetzen, das die Kreisform und den gelben Leitfarbton als zentrale Gestaltungselemente aufnimmt.

Der Bewegungsraum ist das Herz des Gebäudes. Er kann den Krippen- und Kitabereich miteinander verbinden und hat als einziger Raum ein Walmdach (Foto: Andrew Alberts)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Damit die Kita zügig und nachhaltig errichtet werden konnte, haben wir in Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern Dierks, Babilon und Voigt eine Bauweise aus vorgefertigten Holzelementen (Holzrahmenbauweise) gewählt. Dabei wurde darauf geachtet, dass das Material Holz sowohl an der Fassade als auch in den Spieldielen optisch und haptisch erfahrbar wird.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Arge MTTR Architekten + Stadtplaner und studioplus)
Querschnitt (Zeichnung: Arge MTTR Architekten + Stadtplaner und studioplus)
Längsschnitt (Zeichnung: Arge MTTR Architekten + Stadtplaner und studioplus)
Kindertagesstätte Töpchin
2023
Zum Mühlenberg 12
15749 Mittelwalde OT Töpchin
 
Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Stadt Mittenwalde
 
Architektur
Arge MATTER Schmidt Fach Architekten + Stadtplaner PartGmbB und studioplus (vormals tobias buschbeck architektur), Berlin
Projektleitung: Nikola Luxen (Lph1-4), Claudia Bode (Lph5-8)
Mitarbeit: Philipp Feldbacher
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: Dierks, Babilon, Vogt
TGA, HLS, ELT: IGZ
Lichtplanung: Studio DeSchutter
Brandschutz: KLW Ingenieure
Akustik: IB Moll
Vermessung: Schmitz
SiGeKo: IABU, Berlin
Landschaftsarchitektur: Arge Lavaland GmbH und Treibhaus 
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Bau Ring, Jueterbog
Holzbau: HolzbauArche Naturhaus
Innenausbau/ Einbaumöbel: Jaeger Ausbau
Estrich: MarxBau
Bodenbelag: Viebahn GmbH
Fliesen: AMPEF GmbH
Malerbetrieb: Engelbrecht GmbH
Vorhänge: Mewes
Sichtschutz: Hruby
Tiefbau: Tief- und Leitungsbau GmbH
Sanitär Heizung: Curdas
Elektro Beleuchtung: Wegner
Küche: ASC
 
Hersteller
Holzfassade: Mocopinus Holzständerwand 
Dämmung: Steico
Dachfenster: Lamilux und Velux 
Fenster und Türen: Dietel Fenster
Bodenbelag: Forbo
 
Energiestandard
EnEV, 98,9 kWh/(m2 a)
 
Bruttogeschossfläche
1.007 m2  
 
Gebäudevolumen
4.612 m3
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
Wettbewerb, 1.Preis
 
Fotos
Andrew Alberts

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