Strahlen für Sichtbarkeit

baurmann.dürr Architekten
17. April 2024
Modell Muslimische Akademie in Heidelberg (Foto: baurmann.dürrarchitekten)
Mit der Muslimischen Akademie Heidelberg soll ein Ort geschaffen werden, der Stadtgesellschaft, Wissenschaft und muslimische Gemeinschaften sowohl zivilgesellschaftlich als auch architektonisch verbindet. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Zuerst einmal haben wir eine ausgezeichnete Auslobung vorgefunden. Der Verein »Teilseiend«, den man Erfinder und Initiator der »Muslimischen Akademie« nennen kann, hat sehr präzise seine Vorstellungen formuliert. Die Bauaufgabe ist ja ein Novum. Die Muslimische Akademie versteht sich als Akademie im klassischen Sinn zur Förderung einer »gelehrten Gesellschaft« durch gesellschaftlichen Austausch unter islamischer Trägerschaft. Für dieses Anliegen galt es, einen architektonischen Ausdruck zu finden. Daneben gibt es noch das überaus prominente Grundstück, je nach Standpunkt am Ende oder am Anfang der Bahnstadt gelegen. Auch das verlangt nach einem besonderen städtebaulichen Zeichen. 

Stadtmodell mit Grundstück 13 (Foto: Auslobung)
Schwarzplan (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?

Dazu muss man sich nur unseren Entwurf anschauen: ein geschlossenes Volumen mit zeichenhafter Fassade sitzt auf einem transparenten offenen Erdgeschoss. Es geht also um Offenheit, Konzentration und Identität – Offenheit im Sinne von gesellschaftlichem Austausch, Konzentration für die Vermittlung von politischer und gesellschaftlicher Bildung im Sinne von religiöser Trägerschaft.

Lageplan (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Wie fanden Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Wir suchen bei jeder Aufgabe nach dem Genius loci. Dazu braucht es eine genaue Analyse des Ortes, die dann fast zwangsläufig zu einer Lösung führt. Ob die allerdings richtig ist, kommt auf die gestellten Fragen an, die der Analyse zugrunde liegen. In diesem Fall ergibt sich die Form des Baukörpers aus der besonderen Lage und Form des Grundstücks. Die übergeordnete städtebauliche Idee des Bandes, die an der Stelle Ihren Abschluss (oder Anfang) findet, ist dabei maß- und formgebend. Die Frage nach der Lage des Eingangs ist schon schwieriger. Hier liegt die Herausforderung am richtigen Umgang mit den verschiedenen Ebenen. Wir sehen die Antwort in einem öffentlichen Erdgeschoss, das sich über zwei Ebenen erstreckt und die Topographie der Außenanlagen im Inneren aufnimmt. Das führt dann zu zwei Zugängen auf zwei verschiedenen Ebenen und zu einem Baukörper, der sich nicht tektonisch zeigt, sondern der sich - ganz im Gegenteil - abhebt, um den Stadtraum durchfließen zu lassen.

Konzept (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Welche Bedeutung kommt der Freianlagenplanung zu?

Freianlagen sind in einer Stadt von immenser Bedeutung - gerade hier, wo zwei öffentliche Plätze auf verschiedenen Niveaus an das Gebäude anschließen und somit viele Wege aufgenommen werden müssen, müssen Sie ordnen und lenken. Die Qualitäten der Freianlagen prägen ganz entscheidend den Charakter und die Atmosphäre des Ortes. Wir stellen uns hier eine gewisse Lässigkeit vor, die sich vor allem in den Bodenbelägen und Pflanzungen zeigt.

Querschnitt (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Längsschnitt (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Wie organisieren Sie die Muslimische Akademie Heidelberg?

Ganz einfach nach dem Grad der Öffentlichkeit. Oben liegen die Gästezimmer, darunter die Verwaltung, dann kommen die Seminarräume und im Erdgeschoss liegen der Veranstaltungs- und Cafébereich. Das alles wird durch ein offenes Treppenhaus im Zentrum des Gebäudes verbunden. Es ist das pulsierende Herz des Hauses – tief eingeschnittene Loggien öffnen es zur Stadt und bringen Licht und Orientierung. 

Grundriss Erdgeschoss Promenade (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Können Sie uns durch die Muslimische Akademie in Heidelberg führen als ob sie schon fertiggestellt wäre?

Man betritt einen lichtdurchfluteten Raum, nachdem man über einen üppig bepflanzten Platz vorbei an Cafétischen den Eingang erreicht hat. Eine breite Treppe, deren Stufen scheinbar durch die Fassade direkt in die Außenanlagen übergehen, führt entlang einer den Raum bestimmenden Wand aus Stampflehm in das obere Foyer. Dort befindet sich der große Veranstaltungssaal. Blickt man vom Foyer über das offene Treppenhaus nach oben, kann man die Ausmaße des Gebäudes erfassen. Im nächsten Geschoss wechselt die Lichtstimmung. Das Tageslicht ist gedämpfter, es wird gefiltert durch die vorgehängte Fassade. Blicke in die Stadt werden inszeniert durch gezielt gesetzte, in den Baukörper eingeschnitten Loggien mit großen Öffnungen. Das bestimmende Material in den Obergeschossen ist Holz. Ganz oben angekommen öffnet sich das Treppenhaus hin zu einer großen Dachterrasse.

Innenraum (Visualisierung: baurmann.dürrarchitekten)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Zwei Themen sind uns besonders wichtig, die innere Erschließung und die Fassade. Die Erschließung muss möglichst offen sein und darf auf keinen Fall ein abgeschlossenes Treppenhaus werden. Der Weg nach oben muss inszeniert sein, um die verschiedenen Nutzungen zusammenzubringen und die programmatische Offenheit zu demonstrieren. Er soll immer wieder Ausblicke in die Stadt bieten, auch um sich zu orientieren. Das ist wichtig für das Wohlbefinden – es sorgt für Sicherheit, zu wissen, wo man ist. Die Fassade ist uns ebenfalls sehr wichtig. Sie muss auf eine bestimmte Art die Nutzung spiegeln und sollte eine angemessene Zeichenhaftigkeit bekommen, ohne sakral zu erscheinen. Wir planen, dem Gebäude eine plastische Keramikfassade vor zu blenden, die entfernt an traditionelle islamische Ornamentik erinnert. Das perforierte Fassadenornament sorgt dabei im Inneren für ein lebendiges Lichtspiel.

Ansichten Süd und Ost (Zeichnungen: baurmann.dürrarchitekten)
Ansichten Nord und West (Zeichnungen: baurmann.dürrarchitekten)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Die Konstruktion bestimmt die Materialität im Innern. Das ist unsere Architekturauffassung – und dabei ist weniger mehr. 

Detail (Zeichnung: baurmann.dürrarchitekten)
Gibt es Besonderheiten im vorgeschlagenen Energiekonzept?

Das Energiekonzept muss noch entwickelt werden. Allerdings haben wir einen kompakten Baukörper entworfen, der im Vergleich zu den anderen Entwürfen ein besonders gutes A/V-Verhältnis erreicht. Das ist die eigentliche Grundvoraussetzung für ein sparsames Gebäude. Natürlich werden wir Flächen zum Heizen und Kühlen aktivieren, um mit niedrigen Vorlauftemperaturen auszukommen und Photovoltaik sowie regenerative Energieformen einsetzen, wo immer das sinnvoll erscheint.

Detail und Energiüberlegungen (Zeichnungen: baurmann.dürrarchitekten)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Nein. Wir gehen davon aus, dass das Projekt einen langen Atem braucht.

Modell (Foto: baurmann.dürrarchitekten)
Muslimische Akademie in Heidelberg
Nicht offener Wettbewerb

Auslobung: Muslimische Akademie Heidelberg i. G. | Teilseiend e.V., Heidelberg
Kooperationspartner: Stadt Heidelberg, IBA Heidelberg | Internationale Bauausstellung Heidelberg GmbH
Betreuung: Bäumle Architekten | Stadtplaner, Darmstadt
 
Jury 
Jürgen Odszuck, Stadt Heidelberg | Prof. Michael Braum, Heidelberg | Johannes Böttger, Köln | Dea Ecker, Heidelberg | Louisa Hutton, Berlin | Carl Zillich, Bremen | Stefanie Jansen, Stadt Heidelberg | Yasemin Soylu, Muslimis.Akademie Heidelberg | Ethem Ebrem, Teilseiend e.V., Heidelberg |Fatih Erol, Muslimische Akademie Heidelberg | Ronald Odehnal, GGH Heidelberg | Ina Bielenberg, Arbeitskreis deutscher Bildungsstättten e.V., Berlin
 
1. Preis
baurmann.dürr Architekten, Karlsruhe
BHM Planungsgesellschaft mbH, Bruchsal
Henning Baurmann, Martin Dürr, Sigurd Henne †, Christian Wild
Mitarbeit: Dorothee Lahr, Clara Süßmann, Elena Schmitt, Kai Zahorszky, Gino Sonndag, Marialisa Cozzolino, Pascal Baur, Agniezka Górniak-Schulze, Max Hansen
 
2. Preis
Studio Yonder – Architektur und Design, Stuttgart
PEYKER landschaftsarchitektur, Schönaich
Benedikt Bosch, Katja Knaus, Andreas Peyker
Mitarbeit: Benedikt Zeller, Benedikt Freiherr von Scholley, Vivien Ahern, Stefanie Platsch
Beratung: Thomas Auer, Transsolar Energietechnik GmbH | Andreas Stumpfl, Furche Geiger Zimmermann
Tragwerksplaner GmbH | Sebastian Spießhofer, Integris Sachverständigengesellschaft mbH
Hilfskraft: Mattes Kindermann
 
4. Preis
ACME, Berlin
SPACEHUB Landschaftsarchitekten, London
Friedrich Ludewig, Tom Smith
Mitarbeit: Ann Ravens-Bennet, Juan Cantu, Nicholas Chrysostomou, Tim Laubinger, Heidrun Schuhmann, Matei Vlasceanu
 
4. Preis
MGF Architekten GmbH, Stuttgart
Wiedemann + Schweizer Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Josef Hämmerl, A. Günster, J. Kliebe, J. Schmelz, Ines Wiedemann
Mitarbeit: Lukas Essig, Franziska Maurer, Vanessa Becht, Lisanne Triebold

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