Vielfältig im Innern

Behnisch Architekten
30. Januar 2013
Blick auf die Schule (Skizze: Behnisch Architekten)
Die bestehende Hauptschule im bayerischen Gersthofen soll ersetzt werden durch eine Mittelschule mit Dreifachsporthalle, Außensportflächen und Räumlichkeiten für die örtlichen Musikvereine. Wie binden Sie das Projekt in das kleinstädtische Umfeld ein und was schlagen Sie für den Bauablauf vor?

Das Grundstück für den geplanten Neubau liegt in einem eher heterogenen Umfeld, ohne klar definierte räumliche Struktur, mit landschaftlichen Elementen auf der einen Seite und Baukörpern in unterschiedlichen Maßstäben auf der anderen Seite. Die Nutzungsverteilung der verschiedenen Bausteine auf dem Grundstück nimmt Bezug auf die vorhandenen Einrichtungen und richtet sich nach der vom Bauherrn gewünschten Realisierung des Neubaus bei fortlaufendem Schul- und Sporthallenbetrieb.
Die Dreifachsporthalle wird im ersten Bauabschnitt errichtet. Nach ihrer Inbetriebnahme steht deren freigewordene Grundstücksfläche für den Neubau der Mittelschule zur Verfügung. Die Sporthalle mit den dazugehörenden Außensportflächen ist im südlichen Bereich des Grundstücks angeordnet, in räumlicher Nähe zu den vorhandenen Sportfeldern. Der bestehende Pausenhof des Paul-Klee-Gymnasiums liegt zentral in der Mitte des gesamten Schulcampus. Hier befindet sich auch der neue Pausenhof der Mittelschule, der den Bestehenden vergrößern und nach Süden, zur Sonne hin öffnen wird. Der Hauptzufluss der Schüler zur neuen Mittelschule und zur Musikschule verläuft fußläufig oder mit dem Fahrrad von Norden aus Richtung Gersthofen. Hier liegt der Haupteingang.

Zonierung und Verzahnung (Piktos: Behnisch Architekten)
Bauablauf (Piktos: Behnisch Architekten)
Wie kamen Sie zu den Baukörpern? Welche Freiraumqualitäten sehen Sie vor?

Die planrechtlich vorgegebene „harmonische Einfügung aller Bausteine in die Umgebung“ diente uns als Leitbild für die Gestaltung der neuen Mittelschule und für die Neuordnung des gesamten Schulcampus. So entstand ein Schulgebäude, das einer anderen, einer freieren Ordnung folgt und sich in kleine Gebäudeteile und Bereiche gliedert. Die verschiedenen Bausteine spiegeln den Wunsch der Pädagogen nach Vielseitigkeit und Heterogenität wider. Auf der Westseite greifen Gebäude und Landschaft wie Finger ineinander. Weite Dachüberstände des Gebäudes ermöglichen geschützte Freiräume im Grünen. Befestigte Bereiche in der Landschaft können als grüne Klassenzimmer genutzt werden. Die Landschaftsräume bieten zudem die Möglichkeit, Arbeiten aus dem Unterricht auszustellen, Kunst- und Werkergebnisse, Laboranordnungen, Kochen im Freien.
Der Schulhof der Mittelschule und des Gymnasiums wird als eine zusammenhängende Einheit verstanden. Grüne Inseln in wassergebundener Decke, nach Baumarten sortiert, gliedern die Fläche, bieten Schutz und Schatten. Markantes Element des Pausenhofes ist die mit Bäumen  bestandene Treppenanlage mit ihren weitläufigen Sitzstufen. Sie lädt zum täglichen Pausenaufenthalt ein oder dient als Zuschauertribüne bei Veranstaltungen auf dem Schulhof.

Lageplan (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Wie organisieren Sie Schule und Turnhalle?

Man betritt die neue Schule ebenerdig von Norden kommend auf dem oberen Eingangsniveau. Ein zweiter Zugang vom Pausenhof führt direkt in die zentrale Aula, die über offene Freitreppen die Geschosse miteinander verbindet. Sie bildet das Herzstück der neuen Mittelschule. Die Räume für die Lehrer, Schulverwaltung und der Ganztagesbereich grenzen im Eingangsgeschoss direkt an die Aula an. Auch der Musikraum und die Bibliothek sind der Aula direkt zugeordnet. Über die Treppenanlage gelangt man vom Eingangsniveau aus nach „unten“ zur Mensa und zur Sporthalle.
Die Fachklassen liegen ebenerdig im Eingangsgeschoss, in eigenen Gebäudeflügeln und schieben sich als „grüne Klassenzimmer“ in die Landschaft. Deren Funktionsbereiche sind optimal belichtet, jeweils von einer Seite und über Oberlichter. Die Räume sind individuell geformt aus ihrer jeweils eigenen Gesetzesmäßigkeit heraus, in einer Art, die eher an Landschaft und Natur und weniger an Gebäude erinnert.
Im Nordflügel der Mittelschule liegen die neuen Probe- und Unterrichtsräume der örtlichen Musikvereine. Sie verfügen über einen separaten Eingangsbereich, können aber auch von der Schule aus betreten werden.
Gefasst werden die einzelnen Gebäudeflügel von einem freigeformten, zweigeschossig-kompakten Baukörper, der über diesen liegt und das Zentrum des Gebäudes definiert. Er nimmt die erforderlichen Klassenräume auf. Durch die ringförmige Anordnung der Klassenräume um die Aula entsteht eine typische und unverwechselbare Gestalt, die den Gedanken der Schulgemeinschaft stärken wird.

Erdgeschoss (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Schnitte (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Ansichten Ost und Süd (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Welche besonderen Qualitäten schlagen Sie für die Klassenräume vor?

Neben den Klassenräumen werden auch die Erschließungsbereiche im Gebäude eine besondere Aufenthaltsqualität haben. Ausweichräume neben den Klassenzimmern und die Flure selbst können so als Erweiterung des Klassenraums in die tägliche pädagogische Arbeit mit einbezogen werden. Zugleich sind diese an die Balkone und Dachterrassen angebunden. Die Galerien der Obergeschosse ermöglichen eine gute Orientierung. Informelle Begegnungen zur Kommunikation und zum Informationsaustausch zwischen Lehrern, Schülern und Eltern können so gefördert werden.
Vielfältig in seinem Innern und spezifisch nach außen wird das Haus erscheinen, mit einer offenen und freien Anordnung der unterschiedlichen Bereiche. Jeder Bereich ist hell und freundlich, und an jeder Stelle innerhalb des Schulgebäudes hat man einen Bezug nach außen, zur Landschaft und zum umgebenden Grün.

1. und 2. Obergeschoss (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Das Erscheinungsbild generiert sich aus mehreren Quellen. Gegliederte, hochgedämmte Pfosten-Riegel-Fassaden mit 3-fach-Verglasung im Erdgeschoss, rhythmisch und transparent, verleihen den unteren Geschossen Leichtigkeit und gewähren Durchblicke bis tief in die einzelnen Gebäudeteile. Die Aula wird über Nordsheds natürlich belichtet. Teilweise verglaste Trennwände der Klassenräume sorgen für eine gute Belichtung von der Aula aus. Gleichzeitig
Der Schwerpunkt liegt auf der Verwendung natürlicher Materialien, die im Innen- wie im Außenraum eine leichte Anmutung und gelöste Atmosphäre vermitteln werden.

Detail (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Ein konkreter Fertigstellungstermin ist uns noch nicht bekannt.

Modell (Foto: Behnisch Architekten)
Neubau einer Mittelschule mit Sporthalle in Gersthofen
Begrenzt offener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren

Jury
Tobias Wulf, Vors.
Prof. Werner Girsberger
Rainer Löhle
Prof. Dr. Hartmut Niederwöhrmeier
Stefan Oettl
Prof. Bü Prechter

1. Preis
Behnisch Architekten
München

2. Preis
Köhler Architekten
Gauting

3. Preis
Bär Stadelmann Stöcker
Nürnberg

4. Preis
Harris + Kurrle Architekten
Stuttgart

5. Preis
Hascher Jehle Architektur
Berlin

Andere Artikel in dieser Kategorie