Unverwechselbarer Arbeitsort

Staab Architekten
16. Januar 2013
Blick vom Fischkai
Das Thünen-Institut beschäftigt sich mit technischen Innovation, die nachwachsende Rohstoffe effizienter nutzbar machen können. Welche Parameter waren Ihnen wichtig, um ein adäquates und gleichzeitig repräsentatives Labor- und Verwaltungsgebäude zu konzipieren?

Ziel unseres Konzeptes war es, die spezifischen Eigenschaften dieses Ortes, mit seiner direkten Wasserlage in der inneren Organisation des Hauses zu spiegeln und so für die Mitarbeiter erlebbar zu machen und damit zu einem unverwechselbaren Arbeitsort zu entwickeln.
Der Entwurf zeichnet sich durch seine funktionale und flexible Struktur aus. Das Gebäude soll mit möglichst geringem baulichen Aufwand auf zukünftige strukturelle Veränderungen des Johann-Heinrich von Thünen-Instituts reagieren können und somit nachhaltig nutzbar sein.  Neben dem funktionalen Sockelgeschoss, bieten die Forschungsgeschosse vollkommen flexible Labor- und Büroeinheiten, die je nach Bedarf angepasst bzw. umgewidmet werden können. Das Gebäude wird als Stahlbeton-Skelettbau aus Stahlbetondecken und tragenden Stahlbetonwände bzw. Stützen im Bereich der Labore ausgebildet. Die kompakte Bauform und das sehr gute A/V- Verhältnis bieten die Voraussetzungen für einen effektiven Einsatz von Heiz- und Kühlenergie. Dadurch wird die vom Auslober geforderte Eigenpassivität durch bauliche Voraussetzungen bezüglich des Wärme- und Kühlbedarfs bereits entscheidend gefördert.
Der repräsentative Bereich des Instituts ist von besonderer Bedeutung. Er durchdringt die skulpturale Form des Gebäudes diagonal vom Foyer im Erdgeschoss bis zur Bibliothek im 1.Obergeschoss. Hierdurch öffnet sich das Institut sowohl zum Schaufenster Fischereihafen als auch zur Wasserseite und unterstreicht seine städtebauliche Präsenz.
Durch diese hochbauseitige „passive Strategie“, die erwähnte kompakte Bauweise und die Doppelnutzung der erforderlichen Bohrpfähle als Energiepfähle können sehr gute Verbrauchsdaten prognostiziert werden. Alle Bauteile sind aufgrund ihrer hohen Lebensdauer ausgewählt. Die Fassade ist elementiert aufgebaut, was einen Austausch ohne Systemänderung ermöglicht.

Ansicht Ost
Wie bringen Sie Adressbildung, Freiflächen und Erweiterungsmöglichkeiten auf den Punkt?

Das Gebäude wird im Süd-Osten von der Herwigstraße über das zweigeschossig verglaste Foyer erschlossen. Der großzügige Vorplatz soll Raum für die Präsentation des Johann-Heinrich von Thünen-Instituts bieten. Hier sind neben Sitzgelegenheiten und Bepflanzungen Ausstellungsbereiche vorstellbar, die Passanten und Touristen, die den Rundgang über die geplante neue Brücke um das Hafenbecken erleben, Einblicke in die Arbeit des Instituts geben. 
Auf diesem Vorplatz wird auch die mögliche Erweiterung vorgesehen, welche die Struktur des Gebäudes nach Süden fortsetzt. Entlang der Kaje wird eine Anlieferzone angeordnet, um die Expeditionsschiffe beladen zu können.

Piktogramme
Blick von der Herwigstraße
Wie organisieren Sie das Berufsbildungs- und Technologiezentrum?

Die beiden momentan an unterschiedlichen Standorten untergebrachten Institute für Fischereiökologie und Seefischerei sollen nun an einem gemeinsamen Standort zusammengefügt werden und von Synergien profitieren. Die wechselseitige Nutzung der Laborflächen bleibt nur auf wenige Bereiche beschränkt, Vorteile ergeben sich vorwiegend in der Nutzung gemeinschaftlicher Räume wie Versammlung, Sozialräume und Bibliothek. Aus diesem Grund werden diese gemeinschaftlich genutzten Bereiche als Rückrad des Hauses verstanden und entwickeln gemeinsam mit den zentralen Erschließungsflächen eine Kaskade durch das gesamte Gebäude: Das Foyer öffnet sich in Richtung Schaufenster Fischereihafen und ermöglicht durch seine zweigeschossige Verglasung Einblicke von Außen. Der Rest des Erdgeschosses nimmt die Aquakulturanlage inkl. der dazugehörigen Labore und die zahlreichen Lager für Großgeräte, Ausrüstung der Fischereifahrzeuge und Expeditionsbedarf auf. Somit präsentiert sich das Erdgeschoss als dienender und eher geschlossener Sockel.
Eine großzügige Treppe führt in einem Luftraum in das 1. Obergeschoss, die Hauptverteilerebene des Instituts. Hier werden in einer großzügigen luftigen Etage der Konferenzbereich, die Bibliothek und die Verwaltung untergebracht. Eine großzügige Zone, die  zu einer großen Terrasse mit Blick auf die Forschungsschiffe im Hafenbecken geöffnet werden kann, dient als Kommunikations- und Pausenbereich für die Mitarbeiter, kann jedoch auch für Empfänge oder Catering vor dem Konferenzsaal genutzt werden. Die Bibliothek wird im nördlichen Teil des Gebäudes angeordnet und profitiert von einer zweiseitigen Verglasung mit Leseterrasse am Wasser, die Ausblicke bis in die Innenstadt von Bremerhaven bietet.

Über dieser gemeinschaftlichen Basis werden die Arbeitsbereiche der Forschung auf drei Ebenen angeordnet. Zwei Treppenkerne verbinden diese Bereiche und formen in jedem Geschoss einen Aufenthaltsbereich mit Teeküche aus. Diese werden über die Geschosse durch kleine Lufträume verbunden und durch begrünte Patios belichtet. Da die Mitarbeiter diese Bereiche häufig frequentieren, ergeben sich zwangsläufig Gelegenheiten zur informellen Kommunikation.

Erdgeschoss
Schnitt
Welche Innovationen schlagen Sie für die Fassaden vor?

Die vorgeschlagene Fassadenkonstruktion ist in ihrer weißen Farbigkeit sowohl aus dem Kontext der Hafenbebauung entwickelt und unterstützt darüber hinaus die thermischen Eigenschaften des Gebäudes. Ein System eines automatisierten außenliegenden Sonnenschutzes, der auf Belegungszeiten und Tageszeiten, reagiert wird angestrebt.

Detail
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Die Fertigstellung ist für Ende 2016/2017 anvisiert.

Modell (Foto: Genius loci architekturcontor, Hamburg)
Labor- und Bürogebäude mit Fischtechnikum des Johann-Heinrich von Thünen-Instituts für Fischereiökologie und Seefischerei in Bremerhaven
Begrenzt offener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Manfred Schomers, Vors.
Prof. Susanne Gross
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Hausladen
Christian Oberdorf
Ingrid Spengler

1. Preis
Arch.: Staab Architekten
Berlin
TGA: Winkels Behrens Pospisch
Münster

2. Preis
Arch.: BLK2 Böge Lindner K2
Hamburg
TGA: Heinze Stockfisch Grabis + Partner
Hamburg

3. Preis
Arch.: HENN
München
TGA:
ZWP Ingenieure
Köln

4. Preis
Arch.: AEP Architekten
Stuttgart
archiscape
Berlin
TGA: Thurm & Dinges
Stuttgart

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