Gemeinsam studieren und wohnen

Reichel Schlaier Architekten
10. Januar 2024
Die zwei Neubauten befinden sich an der Schnittstelle unterschiedlicher Nachbarschaften. Der äußere Baukörper schließt das Areal präzise auf der Süd- und Ostseite zur Friedrichstraße und Königsallee hin ab. (Foto: Brigida González)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Wie an anderen Hochschulstandorten auch, ist in Ludwigsburg bezahlbarer Wohnraum knapp. Seit der Auslobung des Wettbewerbs stand für uns fest, dass wir auf dem Campus Königsallee die Wohnform der WG in ein modernes Wohnkonzept überführen wollten. 230 Studierende finden nun in Vierer-, Sechser- und Achter-Wohngemeinschaften Platz zum Leben und Kontakteknüpfen mit Gleichgesinnten aus aller Welt. Ein gemeinsamer, üppig begrünter Hof, an dem auch die Gemeinschaftsräume liegen, dient als Garten für alle. Wichtig war uns auch, dass – anders als in den meisten klassischen Wohnheimen – die Wohneinheiten mit klar zugeordneten Eingängen vom Straßenraum aus erschlossen werden können. Orientierung und Identität werden so betont und unterstützt. 

Die Baukörper gruppieren sich um eine begrünte Mitte. Hier schafft der Entwurf Platz zum Treffen und Verweilen.  (Foto: Brigida González)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die beiden von uns geplanten Neubauten befindet sich an der Schnittstelle unterschiedlicher Nachbarschaften. Zum einen kann man von der Königsallee, die direkt vor dem Gebäude verläuft, direkt bis zum Ludwigsburger Schloss spazieren – einem der größten Barockschlösser Deutschlands. Im Osten grenzt eine backsteinsichtige Garnisonskaserne aus dem 19. Jahrhundert an, im Norden feingliedrige, in dunklem Backstein gehaltene Seminargebäude aus den 1970er-Jahren, im Süden ein Wohngebiet in offener Bauweise – getrennt durch eine vierspurige Straße. Auf dem Gelände stand bereits ein Wohnhochhaus aus den 1960er-Jahren mit weiteren 70 Wohnplätzen für Studierende, das in die städtebauliche Komposition mit einzubeziehen war. Wir haben den Ansatz verfolgt, die gesamte Baumasse an den Rändern des Grundstücks so zu verteilen, dass größtmögliche ruhige Freiräume im Inneren des Blocks als »Garten für alle« entstehen. So schließt der äußere Baukörper das Areal an seiner Süd- und Ostseite. Der zweite Baukörper ergänzt das Ensemble, schafft eine klare Platzkante zum Innenhof und öffnet den Übergang zum benachbarten Wohnturm. 

Die Fassade ist rhythmisch durch die vorspringenden Erker gegliedert. (Foto: Brigida González)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?

Ende 2017 wurde ein nichtoffener Realisierungswettbewerb ausgelobt. Mit unserem Entwurf belegten wir den ersten Platz innerhalb des Teilnehmerfelds, das aus 15 Architekturbüros bestand. Es schloss sich ein Verhandlungsverfahren nach VgV an. 

Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Damit sich die Neubauten städtebaulich in das Gesamtbild einfügen und um umgebenden historischen Gebäuden gerecht zu werden, entschieden wir uns für eine Vollziegelfassade. Dabei sind die Fassaden rhythmisch durch vorspringende Erker gegliedert und die an ein Mosaik erinnernden Erdgeschosse optisch abgesetzt. Die Farbigkeit der Verfugungen ändert sich dabei mit der Höhe der Geschosse. 

Mit dem Projekt überführen Reichel Schlaier Architekten die Wohnform der WG in ein modernes Wohnkonzept, das Vereinzelung vorbeugt und gleichzeitig Individualität unterstützt. (Foto: Brigida González)
Die Wohngemeinschaften sind mit großzügigen Gemeinschaftsflächen konzipiert. (Foto: Brigida González)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Das Raumprogramm überhaupt auf dem Grundstück unterzubringen war sehr schwierig. Wir wollten so viele Gemeinschaftsflächen erzeugen wie möglich, ohne die Anzahl der Zimmer reduzieren zu müssen. So haben wir in der Planung jeden Quadratzentimeter optimiert.

Die kräftige Farbgebung der Gemeinschaftsbereiche erleichtert die Orientierung und charakterisiert die Wohnungen. (Foto: Brigida González)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Ursprünglich war für die Wohnanlage eine weitläufige Tiefgarage vorgegeben. Durch ein erarbeitetes umfassendes Mobilitätskonzept konnten die Tiefgaragenplätze um ein Drittel reduziert werden. Zum Konzept gehören nun insgesamt 230 Fahrradstellplätze, und es ist Platz freigehalten für zehn elektrische Lastenräder, die per App buchbar sind. Auch eine Fahrradwerkstatt wurde eingerichtet. Es gibt drei oberirdische Carsharing-Stellplätze und vier E-Ladestationen in der Tiefgarage.

Schwarzplan (Zeichnung: Reichel Schlaier Architekten)
Lageplan (Zeichnung: Reichel Schlaier Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Reichel Schlaier Architekten)
Grundriss Regelgeschoss (Zeichnung: Reichel Schlaier Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Reichel Schlaier Architekten)
Wohnen für Studierende
2023
Königsallee 60; Friedrichstraße 45 und 45/1
71634 Ludwigsburg

Auftragsart
Wettbewerb (2018)
 
Bauherrschaft
Studierendenwerk Stuttgart AöR
 
Architektur
Reichel Schlaier Architekten GmbH Freie Architekten BDA, Stuttgart

Fachplaner
Landschaftsarchitekt: Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Brandschutz: ZeBraS, Kirkel
Elektro und HLS: Paul + Gampe + Partner, Esslingen
Tragwerk: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker, Sindelfingen
Bauphysik: Horstmann + Berger, Altensteig
 
Bauleitung
Wenzel+Wenzel GmbH, Stuttgart

Hersteller 
Ziegel: Röben Tonbaustoffe GmbH
Fenster: Fink Duo
Erker: Schüco
Blechfassade und Türen: Alwico
Aufzüge: Kone 
Werkstein: Euval – 94.32 Verdal P25
Boden Wohnungen (Linolium): Marmorette Patty R 854–0054
 
Energiestandard 
B (Primärenergiebedarf: 25 kWh(m²*a)
 
Bruttogeschossfläche
9.000 m²
 
Gebäudevolumen
29.125 m³
 
Gesamtkosten
24.900.000 € brutto
 
Fotos
Brigida González

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