Verfall stoppen oder beschleunigen?

Katinka Corts
14. Januar 2015
Ansicht der Tribüne am Zeppelinfeld (Bild: br.de)

Hier stehen zum Beispiel auf dem Reichsparteitagsgelände am Zeppelinfeld die alte Tribüne und unweit davon die unvollendet gebliebene NS-Kongresshalle. Das eine Gebäude baufälliger als das andere, und nun ist wieder mal die Frage: Was tun mit dem Erbe? Allein die Sanierung des Tribünenbaus würde, wie es heißt, schätzungsweise 70 Millionen Euro kosten. Jedoch wurde die Instandsetzung des Reichsparteitagsgeländes im Koalitionsvertrag von 2013 verankert, es gehört demnach zu den «authentischen Orten», denen «eine wesentliche Funktion für die Geschichtskultur in Deutschland» zukommt. Bund, Land und Stadt Nürnberg teilen sich die Kosten der kompletten Instandsetzung, in welchem Verhältnis ist noch nicht klar (weitere Informationen zum Thema) – mit der Instandsetzung einiger Musterflächen soll dieses Jahr aber begonnen werden.

Bauruine der Kongresshalle in Nürnberg (Bild: wikipedia / Nico Hofmann)

Der Sanierung widerspricht Norbert Frei, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Jena, und überlegt in einem Artikel, ob nicht auch der kontrollierte Verfall der Bauten funktionieren würde. Es wäre laut Frei an der Zeit, «einmal innezuhalten und sich zu fragen, wo man eigentlich hinwill mit dieser infrastrukturell immer weiter perfektionierten, gedanklich jedoch zusehends leerlaufenden Erinnerungspolitik, die keine Gegner mehr kennt, niemanden mehr berührt» und bestenfalls noch der Unterhaltung dient. Die Bauten aus der NS-Zeit sind in der Tat Besuchsmagnet für viele, und so beklagen diejenigen, die «ihre» Touristen vor die Bauten stellen wollen, die bedauernswerten Zustände der Objekte. Viele der für «tausend Jahre» geplanten Bauten sind nach 80 Jahren bereits sehr marode und werden notdürftig gesichert oder auch gesperrt.

Der Journalist Bernd Noack erinnert in seinemThemenbeitrag in der Schweizer NZZ an die Worte Albert Speers zur «Theorie des Ruinenwerts»: «Die Verwendung besonderer Materialien sowie die Berücksichtigung besonderer statischer Überlegungen sollte Bauten ermöglichen, die im Verfallszustand, nach Hunderten oder (so rechneten wir) Tausenden von Jahren etwa den römischen Vorbildern gleichen würden.» Nun sind wir beim Verfall schon nach kürzerer Zeit angekommen, allerdings ohne den Charme der römischen Anlagen, sondern eher mit Fragezeichen im Kopf beim Blick in die Zukunft der größenwahnsinnigen Projekte. Vielleicht, ja, den kontrollierten Verfall beschleunigen. Aber nicht dem romantisierenden Bild Speers entsprechend, mit Gras auf den Tribünen und Efeu an den Wänden, sondern so kahl und ruppig, wie der Lauf der Dinge es geschehen lassen würde. kc

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