Ersetzen oder ergänzen?

Thomas Geuder
11. Juni 2014
Ausstellungsraum im Palazzo Ca’Tron (Bild: Der Raumjournalist Thomas Geuder)

105 Jahre ist er mittlerweile alt: der Deutsche Pavillon in Venedigs «Giardini», 1909 von dem Venezianer Daniele Donghi als «Bayerischer Pavillon» erbaut, 1938 zu einem repräsentativen Bau des Dritten Reichs von Ernst Haiger in seine heutige Form gebracht. Vor genau 100 Jahren fand ebenfalls die «Werkbund Ausstellung» in Köln statt, für viele die Initialzündung einer ganzen Epoche, der «Moderne». Anlass genug also für den Deutschen Werkbund, seiner selbst definierten Verpflichtung zum kritischen Dialog zwischen divergierenden Haltungen und zwischen den Berufsgruppen mittels einer umfangreichen Ausstellung während der und in gewisser Weise auch über die Architektur-Biennale nachzukommen. Sie ist damit Teil eines umfangreichen «Rahmenprogramms», das an zahlreichen Orten in der gesamten Lagunenstadt viele architektonische Informationen bietet.

Entwurfsmodelle (Bild: Der Raumjournalist Thomas Geuder)

Genau wie 1914 – als Architekten mit unterschiedlichen Haltungen und Ansprüchen wie Walter Gropius, Bruno Taut, Henry van der Velde, Bruno Paul, Peter Behrens Antworten auf die Probleme ihrer Zeit suchten – wurden vom Deutschen Werkbund zur diesjährigen Biennale 22 in der öffentlichen Rezeption besonders präsente Architekturbüros aus Deutschland gebeten, ihre Position und Haltung in einer Entwurfsaufgabe darzulegen. Ihre konkrete Aufgabe bestand in der Auseinandersetzung mit dem Deutschen Pavillon, dessen Abriss vor einigen Jahren vom Präsidenten der Bundesarchitektenkammer medienwirksam gefordert wurde. Jetzt wurde das Gebäude zumindest gedanklich als baufällig eingestuft, was den teilnehmenden Architekturbüros auch die Möglichkeit eines Neubaus an gleicher Stelle einräumen sollte. Die so entstandene und sehenswerte Ausstellung will einen Einblick in das zeitgenössische Verständnis der Bewältigung einer architektonischen Entwurfsaufgabe geben und dem Betrachter die Möglichkeit des Vergleichs und der Bewertung geben.

Eröffnungsfeier am Biennale-Samstag. (Bild: Der Raumjournalist Thomas Geuder)

Zu sehen sind denn auch sehr unterschiedliche Entwürfe und Herangehensweisen, die teilweise mit der behutsamen Ergänzung des Bestandes, teilweise mit einem umfangreichen Umbau arbeiten. Auch der Abriss zu Gunsten einer völlig neuen, zeitgenössischen Architektur wird vorgeschlagen. Immer aber schwingt die Frage mit, wie sinnvoll eine verändernde Baumaßnahme am Ende wirklich ist, bildet der bestehende Pavillon doch einen gelungenen Dreiklang gemeinsam mit dem französischen und dem britischen Haus am Ende einer der Hauptachsen im Giardini-Gelände. Die Ausstellung lässt (natürlich) offen, welche die beste Lösung sein könnte.

Weitere Entwürfe – wir wollen jedoch nicht zu viel verraten. (Quelle: Deutscher Werkbund Berlin)

Mit-Kurator Paul Kahlfeldt hat uns übrigens seinen persönlichen Favoriten bei einem vertraulichen Glas Wein verraten – wir mussten jedoch versprechen, es nicht weiter sagen. Dem kommen wir natürlich gerne nach.

Weg zum Palazzo Ca’Tron.

Teilnehmende Architekten:
Ackermann und Partner, München; Behnisch Architekten, Stuttgart; Brandlhuber, Berlin; Stephan Braunfels, München; Max Dudler, Berlin; GRAFT, Berlin; Grüntuch Ernst, Berlin; Hild und K, München; ingenhoven architects, Düsseldorf; Jan Kleihues, Berlin; Hans Kollhoff, Berlin; Lederer+Ragnasdóttir+Oei, Stuttgart; J. Mayer H., Berlin; Christoph Mäckler, Frankfurt; nps Tchoban Voss, Berlin; Patzschke & Partner, Berlin; RKW Rhode Kellermann Wawrowsky, Düsseldorf; Schneider+Schumacher, Frankfurt; Uwe Schröder, Bonn; Schulz&Schulz, Leipzig; Wandel Hoefer Lorch, Saarbrücken; Weinmiller Architekten, Berlin

Kuratoren:
Kai Gehrmann, Paul Kahlfeldt, Claudia Kromrei, Dieter Nägelke

Wer dieses Jahr noch nach Venedig reisen sollte: Die Ausstellung läuft noch bis 1. August und ist zu sehen im Palazzo Ca’Tron, Santa Croce 1957, 30135 Venezia, der leider nicht leicht zu finden ist. Am besten fahren Sie bis zur Vaporetto-Station San Stae aus und nehmen dann den Stadtplan (links) zur Hilfe.

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