Zukunftsgefäß

Peter Petz
12. Dezember 2012
Lageplan
Ansichten Süd und West
Im Bereich um den Berliner Hauptbahnhof sind großmaßstäbliche Veränderungen im Gange. Welche Bilder leiteten Sie durch den Entwurf für das Haus der Zukunft?

Bei diesem Titel des Projektes verankerten sich schon während der Arbeit an den ersten stadträumlichen Modellen diverse Bilder und Filmsequenzen in unseren Köpfen. Das waren zum Beispiel die „Batcave“ – als das mystische Laboratorium fiktiver Supermobile oder auch die „Atlantis-Raumfähre“ - der Prototyp einer hyperkomplexen und zugleich hochrobusten Weltraumtransporteinheit. Nicht weniger aber beeindruckten uns historische Vorbilder wie der „Apollontempel“, der in zeitloser Einfachheit und Eleganz eine bis heute gültige räumliche Aussage treffen kann. Viele dieser Bilder haben schließlich mehr oder weniger die Partitionen des Entwurfes zu seiner endgültigen Gestalt begleitet. Für uns war klar, dass dieses „Zukunftsgefäß“ nicht wie seine gegenwärtigen Nachbarn aussehen wird. Gleichzeitig muss es aber auch nicht zwanghaft fremd wirken. Es sollte auf dem Boden stehen, um erlebbar zu werden, gleichzeitig aber auch gedankliche Höhenflüge zulassen. Es freut uns natürlich, dass wir zu dem vom Auslober des Wettbewerbes geforderten kunstvollen Spagat am Ende die richtige Pose fanden.

Piktogramme
Thematische Schichtung
Welche stadt- und freiräumlichen Themen waren Ihnen besonders wichtig?

Die umgebenden Baukörper, wie der im Osten heranwachsende Neubau für das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das im Westen kurz vor Baubeginn stehende Bürogebäude am Humboldthafen flankieren als klassische Bürohaus-Kulisse das dreieckig zugeschnittene Grundstück. Weiterhin tangieren zwei wichtige „Flussräume“ das Blickfeld - die Hochbahn im Norden und die Spree im Süden. Innerhalb dieses Ensembles entwickelten wir für das Haus der Zukunft eine eigenständige skulpturale Form. Durch das Zurücksetzen der Baufluchten und durch Gebäudeunterschnitte an den Hauptzuwegungen Alexanderufer und Kapelleufer schufen wir im Norden und Süden des Baukörpers zwei Plätze und zwei Haupteingänge. Die überdachten Vorbereiche und auch die darüber befindlichen „Schaufenster“ agieren als Kommunikationszonen im öffentlichen Raum. Die schmetterlingsförmige Auffaltung des Baukörpers zu den städtebaulichen Hochpunkten verleiht dem Haus der Zukunft die visuelle Prägnanz zwischen Spree, Hochbahn und Stadtkulisse.

Blick vom Alexanderufer, Ecke Kapelleufer
Erdgeschoss, Freianlagen, Schnitt
Wie organisieren Sie das Haus der Zukunft?

Drei für uns prägnante Leitbilder legten die Grundsteine für die Organisation des Hauses:

Das war als Erstes die CLOUD - eine begehbare Wolke voller Ideen und Erfindungen - als die wir den Ausstellungsbereich im Obergeschoss definierten. Dort gibt es Einblicke in die Welt von Morgen und Ausblicke auf den Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland. Die CLOUD bildet die ideelle und gleichzeitig auch bauliche Hülle für ein Spektrum an Rundgängen durch verschiedene Zukunftsthemen. Die zwei großformatigen Schaufenster im Norden und Süden bieten überdimensionale Aus- und Einblicke in Richtung Spree und Hochbahn. Durch Projektions- und Beleuchtungsmedien werden sie zum interaktiven „Sender“ im Stadtraum.

Das zweite Leitbild fand sich in dem Wort CAVE – für uns eine Art unterirdische Laboratorium, das den Geist und die Konzentration des hochwissenschaftlichen Arbeiten und Forschen spürbar werden lässt. Die im Untergeschoss untergebrachte Sonderausstellung stellt im Gegensatz zu der Ausstellungswelt im Obergeschoss sozusagen den „Maschinenraum“ für die Fahrt in die Zukunft dar. Die CAVE inszeniert sich durch ihre artifizielle Umgebung fernab von Stadt und Sonnenlicht als eine introvertierte Hemisphäre. Eingebettet in das technische Herz des Hauses wird sie das eigenständige Erlebnis einer Zukunftswerkstatt.

Das Erdgeschoss betrachteten wir schließlich als FORUM – für uns, in Anlehnung an die lateinische Herkunft des Begriffes, der zentraler Ort der Zusammenkunft und des gemeinsamen Dialoges. Als öffentlicher Begegnungsraum am Schnittpunkt zwischen Ausstellungen und Veranstaltungen aber auch zwischen Stadt, Hochbahn und Spree, verbindet es die beiden Haupteingänge zu einem gemeinsamen Foyer und bindet auch alle anderen öffentlichen Nutzungen mit ein.

Obergeschoss
Foyer
Welche Besonderheiten zeichnen Ihr Energiekonzept aus?

Neben den hohen Zielstellungen, die wir hinsichtlich der technischen Effizienz  des Gebäudes verfolgen, war es unser größter Anreiz, die Energieautarkie stärker als bisher üblich auszuloten. Dabei gab es für uns zwei Vorbilder. Das war zum einen der klassische Taschenwärmer, welcher einmal erhitzt, mit Hilfe von Phasenwechselmaterialien über lange Zeit seine Wärme speichern und auf Fingerdruck gezielt abgeben kann. Und zum anderen beeindruckte uns die Entwicklung solcher technischen Objekte wie die Internationale Raumstation, die durch perfektionierte geschlossene Kreisläufe nahezu energieautark die Erde umkreist.

Aus diesem Antrieb heraus entwickelten wir für das Dach des Hauses zunächst eine Art „Sonnendeck“. Hier befinden sich, eingefasst von einer brüstungshohen Attika, die sonnenzugewandten  Kollektorfelder für Photovoltaik und Solarthermie. Ein umlaufender „Skywalk“ dient nicht nur zur Wartung dieser Bereiche sondern ist auch für den interessierten Blick auf Sonnensegel und Stadtkulisse gedacht.

Die solaren und internen Gewinne dann werden vom zentralen Energiespeicher des Hauses in einem hocheffizienten Speichermedium aus Paraffin zwischengelagert, um sie im Bedarfsfall selbstversorgend wieder einzusetzen. Sichtbar eingebettet in einem vakuumisolierten Plexiglaszylinder wird so für die Besucher des Hauses erlebbar, wie sich das Paraffin in seinen transparenten und opaken Aggregatzuständen verändert. Wenn die technische Umsetzung gelingt, wird das Gebäude möglicherweise selbst zu einem erlebbaren Teil der Ausstellung.

Energiekonzept
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Für die zukünftigen Materialien des Hauses gibt es bereits schon eine Reihe von Ansätzen, aber vieles davon befindet sich noch im Entwicklungsprozess. Bezüglich der Fassade versuchen wir zum Beispiel gerade, ein „Kleid“ zu entwickeln, das robust und zugleich subtil genug ist, um das Gebäude dauerhaft gegen äußere Einflüsse zu schützen, aber auch haptische und visuelle Botschaften ausstrahlen kann. Auf die Ergebnisse dieses Prozesses sind wir selbst gespannt.

Detail
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Ja, wenn die Witterungsverhältnisse zulassen, wird das Berliner Haus der Zukunft Ende 2016 zu besichtigen sein!

Modell (Foto: Bernd Hiepe, Berlin)
Haus der Zukunft, Berlin
Offener, 2-phasiger Planungswettbewerb

Jury
Prof. Jorunn Ragnarsdottir, Vors.
Prof. Barbara Holzer
Prof. Irene Lohaus
Prof. Volker Staab
Armand Grüntuch

1. Preis
Arch.: Jan Musikowski Architekten
Berlin
L.Arch.: Judith Brücker Landschaftsarchitektur
Berlin

2. Preis
Arch.: Dürig AG
Zürich
L.Arch.: Topotek 1
Berlin

3. Preis
Arch.: Ludwig Schoenle
Stuttgart
Baubotanik : Living Plant Construction

4. Preis
Arch.: Lankes Koengeter Architekten
Berlin
L.Arch.: birke zimmermann

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