Präzision und Offenheit

ASTOC
9. September 2020
Blick auf Forschungs- und Ausbildungszentrum Medizin Universität Bern, Inselareal Baubereich 07 (Visualisierung: GWJ / IAAG / ASTOC / Archipel)
Im Berner Inselareal soll auf dem Baubereich 07 ein Neubau mit einer zeitgemäßen Laborinfrastruktur für die Forschung, sowie mit Praktika- und Seminarräumen für die Ausbildung erstellt werden. Das Gebäude wird mit rund 500 Personen primär von Forschungspersonal belegt, für Praktikumsangebote kommen vorübergehend annähernd so viele Studierende ins Haus. Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?

Wir planen und realisieren für eine Zukunft und Nutzer, die es heute so noch nicht gibt. Die Planung eines hoch installierten Laborgebäudes ist immer ein Spagat aus Präzision und Offenheit. Die labortechnischen Einrichtungen und die Infrastruktur müssen sich zu Beginn wie auch im laufenden Betrieb in Technik und Organisation anpassungsfähig zeigen und auch die Nutzer – egal ob Angestellte oder Studierende – suchen den wissenschaftlichen wie auch den privaten Austausch. Diese Janus-Köpfigkeit prägt auf vielen Ebenen den Entwurf unseres Hauses.

Bauen auf dem Inselareal heißt aber auch: Bauen mit hoher Dichte. Dies schafft kurze Wege und einen wirtschaftlichen Betrieb, bedeutet in der Planung aber immer eine intensive Abstimmung und Abwägung der Bedarfe und Bedürfnisse zwischen den einzelnen Beteiligten und Institutionen. Hier hat der Masterplan mit seinen qualitativen Setzungen gute Vorarbeit geleistet, die es nun in Form von kompakten Gebäudevolumen und attraktiven Freiräumen einzulösen gilt. 

Blick auf Forschungs- und Ausbildungszentrum Medizin Universität Bern, Inselareal Baubereich 07 (Zeichnung: GWJ / IAAG / ASTOC / Archipel)
Wie kamen Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Für das Inselspital ist der Baubereich 07 auf Grund seiner spezifischen Lage von besonderer Bedeutung: Von Norden kommend ist dieses Baufeld die erste Adresse des Inselspitals, die täglich tausende Menschen auf ihrer Fahrt in die Stadt Bern sehen. Diese Lage bietet das Potential, nicht nur ein gut in den Spitalbetrieb integriertes Laborgebäude zu realisieren, sondern auch das Selbstverständnis der Insel als Spital und als Institution innerhalb der Stadt wesentlich zu prägen. Unser Entwurf ist sich dieser Situation im Stadtgrundriss sehr bewusst und zeigt nicht nur eine einladende und offene Architektur, sondern orientiert im Grundriss-Layout genau hier die kommunikativen und öffentlichen Bereiche. Das Inselspital zeigt hier sehr (selbst-) bewusst, dass Forschung einen sichtbaren und attraktiven Faktor in der Medizin darstellt. 

Durch das Abknicken der Nordfassade passt sich unser Entwurf mit seiner Volumetrie dem Maßstab der umgebenden Bebauung an und schafft zudem eine Aufweitung des Stadtraums, der im Zusammenspiel mit dem benachbarten Baubereich 6.1 eine attraktive Entree-Situation als Zugang in den zentralen Bereich des Inselareals darstellt. Auch unser BB 7 hat genau hier seinen repräsentativen Hauptzugang und bietet den Mitarbeitern, Studierenden und Besuchern eine Cafeteria zum Verweilen und einen Konferenzraum zum fachlichen Austausch. 

Wie organisieren Sie das neue Forschungs- und Ausbildungszentrum?

Innerhalb des Gebäudes orientieren sich die Laborbereiche in Richtung Inselareal und die Bürozonen in Richtung Friedbühlstrasse, beziehungsweise Bremgarten. Erschlossen werden diese Bereiche über zwei zentrale Kerne, die eine variable Unterteilung der Laborbereiche wie auch der Bürozonen mit jeweils eigenen Adressen ermöglicht. Ergänzt werden die beiden Kerne um eine repräsentative Treppe, die die Nutzer zum Austausch zwischen Etagen animiert und dies auch nach außen zeigt. 

Die Forschungscluster in den Obergeschossen ermöglichen es, eine Vielfalt von „Aggregatzuständen“ abzubilden. So können die Standard-Labore im 7.20 m oder im 3.60 m Raster belegt werden. Die geschickte Einteilung der Gebäudetechnik, wie auch ihre modulare Bauweise erlauben es aber auch, die Laborbereiche, Nebenräume und Auswertungsplätze flexibel und auf die Nutzerbedarfe optimiert zu bestücken. Damit ist eine langfristige Variabilität gewährleistet. Die Bürozonen zeigen sich in der Belegung ähnlich offen wie die Laborbereiche. Hier können sowohl Einzelbüros wie auch offene Bürolandschaften umgesetzt werden. 

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Eine gewendelte Treppe verbindet die verschiedenen Institute über alle Geschosse. Mit diesem sehr architektonisch geprägten Element möchten wir den Austausch und die Gemeinschaft zwischen den Nutzern fördern. Zugleich gibt die Treppe dem Haus aber auch eine klare Adresse, Orientierung und Identität. Zusammen mit dem baumbestandenen, grünen Vorbereich entsteht ein markanter Ort innerhalb des Gebäudes, aber auch auf dem gesamten Inselareal. 

Innenraum (Visualisierung: GWJ / IAAG / ASTOC / Archipel)
Innenraum (Visualisierung: GWJ / IAAG / ASTOC / Archipel)
Innenraum (Visualisierung: GWJ / IAAG / ASTOC / Archipel)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Der Entwurf unseres Gebäudes nimmt die im Areal vorherrschende mineralische Materialität auf und entwickelt sie mit warmen Oberflächen – je weiter man in das Innere vordringt - zu einer eigenständigen Architektur fort. So wird die Fassade mit vorfabrizierten Betonelementen mineralisch ausformuliert. Die Holz-Metallfenster, mit den in Holz ausformulierten Lüftungsflügeln, akzentuieren auf der zweiten Ebene die Gestalt des Gebäudes. Das Innere des Gebäudes zwischen den Labor- und Bürobereichen schließlich wird geprägt von einer hölzernen Wand.

Die Struktur der Fassade folgt der Logik der inneren Organisation und der Haltung des Gebäudes im Areal. Die Südfassade bildet das Ausbauraster der Laborzone ab und tritt in den Dialog mit dem Inselareal. So sind die Auswertungsplätze der Labore zum Pocket-Park hin orientiert und bieten dem Nutzer nach der Laborarbeit einen Ausblick und angenehme Stimmung mit einem lichtdurchfluteten Arbeitsplatz mit Blick in den Park. Die Lateral-Fassaden bilden den inneren Übergang von Laborzone zu der Arbeitszone ab. Die Nordfassade öffnet sich im horizontalen Raster und gibt der Bürozone einen angepassten Rhythmus.

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Die ersten Projektgespräche haben begonnen und die Fertigstellung ist aktuell für 2030 verabredet. 

Modell (Foto: GWJ / IAAG / ASTOC / Archipel)
Forschungs- und Ausbildungszentrum Medizin Universität Bern, Inselareal Baubereich 07
Projektwettbewerb im selektiven Verfahren
 
Auslober/Bauherr: Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Bern (CH)
Betreuer: H. Limacher Partner AG, Zürich (CH)
 
Jury
Angelo Cioppi, Vors. | Theres Aschwanden | Matteo Cogliatti | Fritz Schär | Beat Schneider | Dr. Markus R. Stokar | Anna Suter | Mark Werren | Maria Zurbuchen-Henz | Hugo Fuhrer | Frauke Alper | Beat Keller | Susanna Krähenbühl | Daniel Schönmann | Dr. Lukas Stalder | Steve Weissbaum | Fabian Lüthi
 
1. Rang 1. Preis
Architekt: ASTOC Architects and Planners GmbH, Köln
Architekt: Planergemeinschaft Archipel, Bern (CH)
Architekt: GWJ Architektur AG, Bern (CH)
Architekt: IAAG Architekten, Bern (CH)
Landschaftsarchitekt: David Bosshard Landschaftsarchitekten AG, Bern (CH)
Bauingenieure: dsp Ingenieure & Planer AG, Uster (CH), Zürich (CH)
Bauingenieure: Kissling + Zbinden AG, Bern (CH)
TGA-Fachplaner: eicher + pauli management AG, Bern (CH), Liestal (CH), Olten (CH)
TGA-Fachplaner: Bering AG, Bern (CH)
Laborplaner: Teamplan GmbH, Tübingen
Brandschutzplaner: Gartenmann Engineering AG, Zürich (CH), Bern (CH)
 
2. Rang 2. Preis
Architekt: Bauart Architekten und Planer AG, Bern (CH), Neuchâtel (CH), Zürich (CH)
Bauingenieure: Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich (CH), Basel (CH), Bern (CH)
TGA-Fachplaner: Beag Engineering AG, Winterthur (CH)
Laborplaner: Dr. Heinekamp Labor- und Institutsplanung, Karlsfeld, Berlin, Basel (CH)
Brandschutzplaner: Welche Architekten Partner AG, Bern (CH)
 
3. Rang 3. Preis
Architekt: Büro B Architekten und Planer AG, Bern (CH)
Bauingenieure: SMT AG Ingenieure + Planer, Bern (CH)
Tragwerksplaner: Pirmin Jung, Rain (CH), Sinzig, Thun (CH), Sargans (CH), Augsburg
TGA-Fachplaner: Jobst Willers Engineering, Rheinfelden (CH)
Laborplaner: Tonelli AG, Gelterkinden (CH)
Brandschutzplaner: Wälchi Architekten Partner AG, Bern (CH)
Bauphysiker: Grolimund & Partner AG, Bern (CH)
Landschaftsarchitekt: extra Landschaftsarchitekten, Bern (CH)
Fassadenplaner: prometplan ag, Brügg bei Biel (CH)
sonstiger Fachplaner: Büro für Nachhaltigkeit am Bau Stefan Schrader AG, Zürich (CH)
sonstiger Fachplaner: H + S Ingenieure GmbH, Nürnberg

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