Holsten Quartier – Baufeld 10

HUPE FLATAU Partner und POLA Landschaftsarchitekten
30. November 2022
Blick auf das Holsten Quartier – Baufeld 10 in Hamburg Altona (Visualisierung: bloomimages)
Im Hamburger Stadtteil Altona-Nord soll eine große innerstädtische Fläche städtebaulich neu formuliert werden. Vorgesehen sind ein Hotel, Wohnungen für Auszubildende, Büronutzungen sowie die Planung eines Quartiersplatzes. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Auf dem Grundstück der ehemaligen Holsten Brauerei bildet das Baufeld 10 die öffentliche Mitte. Dessen städtebauliche Weiterentwicklung sieht vor, den vorhandenen „Juliusturm“ und die denkmalgeschützte Schwankhalle als Relikte der früheren Brauereinutzung in das neue Ensemble und den stadträumlichen Kontext zu integrieren.

Dabei wird die Schwankhalle um zwei Gebäudeachsen gekürzt, der Juliusturm erhöht. Dieses Vorgehen lässt beide Bauwerke zu einer Art Schicksalsgemeinschaft werden.

Juliusturm, Bestand (Bildquelle: Auslobung)
Welches sind die Kerngedanken Ihres Entwurfs?

Juliusturm und Schwankhalle werden wie mit einer Klammer durch einen Hotelriegel verbunden. Um die Massivität des Turmes und die insbesondere für ihre Zeit – leichte und weitgespannte Konstruktion der Halle in eine skulpturale Beziehung miteinander zu setzen, schlagen wir folgendes Konzept vor:

Der Neubau verbindet sich monolithisch mit dem Turm zu einer massiven Ziegelskulptur und verschmilzt mit ihm. Vorbild dieser „Verwachsungen“ sind die vorgefundenen Anschlüsse des Juliusturms und des Turms des Sudhauses an ihre unmittelbaren Nebengebäude.

In der Gestaltung gibt der Juliusturm vor allem das Verhältnis von offen und geschlossen, sowie das Motiv der einfachen Lochfenster für den Neubau vor. Die Farbe des Steines lässt die Grenze zwischen alt und neu klar erkennen und es wird erlebbar, wie der Juliusturm mit den ehemals benachbarten Baukörpern im Dialog stand.

Lageplan (Zeichnung: Hupe Flatau Partner und POLA Landschaftsarchitekten)
Wie organisieren Sie das Baufeld 10 des Holstenquartiers?

Das Baufeld 10 bildet das Quartierszentrum des neuen Holsten Quartiers. Gleichzeitig führt die zentrale Sicht- und Wegebeziehung zwischen dem Quartier und der S-Bahn in Ost-West Richtung durch das Areal. Die historischen und modernen Baukörper nördlich und südlich dieser Durchwegung sind in Programm und Erschließung unabhängig voneinander, funktionieren jedoch städtebaulich, gestalterisch und in der Kombination ihrer Nutzungen als sich gegenseitig ergänzendes Ensemble.

Ein Sockel bildet die gemeinsame Basis der drei Baukörper: Turm, Riegel und Halle. Dieser ist aus den Ziegeln des Neubaus gearbeitet. Er bildet für alle Funktionen und Zugänge ein durchgängiges Niveau, welches im Südwesten über eine Rampe und im Nordosten am Zugang des neuen Hotels über einen integrierten Lift barrierefrei an den umgebenden Stadtraum angebunden ist. Ziegel als Bodenbelag ziehen sich als große Freitreppe mit Sitzstufen von Osten durch die Schwankhalle hindurch in den gemeinsamen Innenhof und die öffentlichen Eingangsbereiche des Hotels und des Studentenwohnenheims. Im nach Süden geöffneten Hof des Ensembles stehen unterschiedlich hohe Bäume und spenden Schatten für die Außenbereiche der Gastronomie.

Der Juliusturm ist als Studentenwohnheim geplant. Die Zweiteiligkeit des Grundrisses und der Südfassade wird in der Rekonstruktion des Turmes als wichtiges Wesensmerkmal weitergetragen und über die Erschließung und Geschosshöhen umgesetzt. Im oberen Teil des Turmes werden alle vier Bestandsfassaden erhalten und in die neue Nutzung integriert. Leichte Anpassungen der Fassade in der Höhe sind als Intervention erkennbar. Die Erhöhung des Turms um zwei Geschosse entwickelt die Plastizität des bestehenden Abschlusses weiter und ist durch die Farbe des Steines erkennbar. Die Krone des Turmes bildet ein Baumhain auf der Dachterrasse. 

Das neue Hotel verschmilzt mit dem Turm zu einer Baukörperfigur. Analog zu den Lochfenstern des Turmes, die sich in ihrer Abmessung und vertikalen Reihung aus den Proportionen des Baukörpers entwickeln, nimmt das gleichmäßige Grid der Lochfassade Bezug auf die Proportion des neuen Hauses. Dabei ist die innere Struktur und Nutzung nach außen klar ablesbar: Im Norden die Einzelzimmer und nach Süden die größeren Doppelzimmer. 

Mit der Auskragung des Neubaus über der Schwankhalle gelingen zugleich ein angemessener baulicher Ausdruck des Backsteingebäudes und eine beschützende Geste der filigranen Hallenkonstruktion. Die Ziegeloberfläche der Auskragung ist auf der Unterseite glasiert, sodass Schwankhalle und Besucher darin reflektiert werden und sich der Raum unter der Auskragung optisch erhöht.

Die Schwankhalle wird auf allen vier Seiten geöffnet und verglast. Der gläserne Dachreiter wird wieder hergestellt. So entsteht an städtebaulich prägnanter Stelle eine transparente Vitrine, die im Kontrast zu den den Backsteinbauten steht, sie ergänzt und weiterhin Zeichen der visionären Kraft Ihrer Erbauer bleibt. Die Nebenräume im Innern sind durch ein freistehendes Möbel organisiert und für die Gastronomie bleibt Freiraum in der Halle. Abtrennungen sind mittels hängender Glas-Falt-Wände möglich und werden ggf. durch Vorhänge ergänzt. Die neue Schwankhalle erhält einen öffentlichen Charakter und eine zentrale Bedeutung für das zukünftige Quartier. 

Ergänzend ist ein kleines Bürohaus Teil der Reihe von Bauten entlang der südliche Baufeldgrenze und gleichzeitig deren östlicher Kopf. In die Reihe der vertikal strukturierten Baukörper gliedert sich der Neubau auf und nimmt mit seiner grüngetönten Glas- und Keramik Fassade farblich Bezug auf die Kupferdächer der Nachbargebäude.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Hupe Flatau Partner und POLA Landschaftsarchitekten)
Schnitt Juliusturm (Zeichnung: Hupe Flatau Partner)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Die Verbindung der bestehenden und neuen Bauten sowie ihrer sehr unterschiedlichen Charaktere zu einem stimmigen Gesamtensemble, war die größte Herausforderung und gleichzeitig unser zentrales Anliegen.

Das Austarieren der unterschiedlichen Volumina der Baukörper mit dem Ziel der leichten, fast fragil wirkenden Schwankhalle größtmöglichen Freiraum und Strahlkraft einzuräumen erschien uns ausschlaggebend für eine erfolgreiche Lösung.

Fassadenkonzept Büro (Zeichnung: Hupe Flatau Partner)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Mit seinem orangeroten Ziegel bildet der Juliusturm den Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Materialität der Baukörper. Die Unterscheidung zwischen „alt“ und „neu“ innerhalb derselben Baukörperfigur, legt den Zusammenhang zwischen alt und neu offen, und erzählt so ein Stück der Transformationsgeschichte vom Brauereigelände zum belebten Stadtquartier.

In ihrer Entstehungszeit - den 1920er Jahren des vorigen Jahrhunderts - war die Schwankhalle mit ihrer weit auskragenden Stahlbetonkonstruktion radikal und neu. Die verhältnismäßig leicht wirkende Struktur als hellen Skelettbau großflächig zu verglasen und so die Wirkung eines Pavillons zu erzielen, erschien uns überzeugend.

Die Auslobung sah vor, das neue Hotel über der Halle auskragen zu lassen. Um ein Bild für das Verhältnis der beiden Volumen zueinander zu finden, haben wir uns einen Geiger vorgestellt, der sich sein Instrument unter das Kinn legt. Obwohl die Geige leicht und zerbrechlich ist, passt sich doch das Kinn an das Instrument an. Auf der Unterseite der Auskragung werden glasierte Ziegel verwendet, die das Licht und die Farbigkeit aus dem Oberlicht der Schwankhalle reflektieren und die beiden Bauten optisch verbinden.

Das kleine Bürogebäude mit der grün glasierter Fassade an der südlichen Grundstücksgrenze bildet einen Komplementärkontrast zum orangen Ziegel. Glas- und geschlossene Flächen verbinden sich über ihre Reflexion zu einer durchgehenden Haut.


 

Fassadenkonzept Hotel (Zeichnung: Hupe Flatau Partner)
Was wird die Besonderheit des neuen Quartiers ausmachen?

Das Holsten Quartier schafft in zentraler Lage einen ganzen Stadtteil mit neuen Wohn, Arbeits- und Lebenswelten für Hamburg Altona. Das Baufeld 10 ist die gefühlte Mitte dieses neuen Stadtteils. Mit öffentlichen Erdgeschossnutzungen und gastronomischen Angeboten wird insbesondere die Schwankhalle zum zukünftigen Dreh- und Angelpunkt. Gleichzeitig wird die Geschichte des ehemaligen Brauereigeländes spürbar bleiben.

Blick auf den erhöhten Juliusturm (Visualisierung: bloomimages)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Die Verhandlungen zwischen der Stadt und dem Bauherrn über den städtebaulichen Vertrag und die Finanzierung des Holsten Quartiers laufen noch. Vor Mitte des kommenden Jahres wird es kaum möglich sein, Prognosen zum Projektterminplan zu treffen.

Modell (Foto: Architekturmodellbau Voigt)
Holsten Quartier – Baufeld 10 in Hamburg Altona
Einladungswettbewerb
 
Auslobung: Consus Einkaufs-GbR Holsten Quartiere; Freie und Hansestadt Hamburg; Bezirksamt Hamburg Altona; Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg
Betreuung: D&K drost consult GmbH, Hamburg

Jury
Nikolaus Goetze, Architekt, gmp International GmbH, Hamburg, Vors. | Franz-Josef Höing, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Oberbaudirektor | Frank Conrad, Bezirksamt Altona, Fachamtsleiter Stadt- und Landschaftsplanung | Dr. Anna Joss, Behörde für Kultur und Medien, Leiterin Denkmalschutzamt | Stefanie Ammann Fusi, Architektin, Fusi & Ammann Architekten, Hamburg | Laura Fogarasi-Ludloff, Architektin, Ludloff Ludloff Architekten GmbH, Berlin | Prof. Anna Lundqvist, Landschaftsarchitektin, MAN MADE LAND, Berlin | Peter Köster, Landschaftsarchitekt, arbos Freiraumplanung GmbH, Hamburg | Thomas Fründt, Consus Development GmbH & Co. KG, Leiter der Projektentwicklung | Dr. Gregor Brendel, Consus Development GmbH & Co. KG | Sylvia Weinerth, Consus RE GmbH | Christian Trede, Bezirksversammlung Altona | Sven Hielscher, Bezirksversammlung Altona | Gregor Werner, Bezirksversammlung Altona

1. Preis
HUPE FLATAU Partner, Hamburg
POLA Landschaftsarchitekten, Berlin
Tim Hupe, Sebastian Flatau, Jörg Michel
Mitarbeit: Margarita Shchigoleva, Ruth Maria Weber
Renderings: bloomimages
Modellbau: Architekturmodellbau Voigt
 
2. Preis
Störmer Murphy and Partners GbR, Hamburg
L+ Landschaftsarchitektur PartG mbB, Hamburg
Jan Störmer, Felix Holzapfel-Herziger
Mitarbeit: Uta Meins, Stephan Berthold Cortez, Gencali Cakir, Phillip Roßbach, Pranati Chaphekar, Shirin Dagarazad
 
Brandschutz: Hahn Consult, Hamburg | Lisa Ansel
Tragwerksplanung: Assmann Beraten und Planen, Hamburg | Fynn Rösch
 
3. Preis
kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH, Köln
hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin
Prof. Susanne Gross, Prof. Johannes Kister, Stefan Reimann
Mitarbeit: Linus Reich, Andi Streidl, Lukas Salomon
 
Brandschutz: bft cognos, Aachen
Statik: osd - office for structual design, Frankfurt
Visualisierungen: Loomn

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