Ach du liebe Stadtlandschaft

Thomas Geuder
28. Januar 2014
Bonn, Bahnhofsplatz 1955 (Foto: Stadtarchiv Bonn / Bernhard Virnich) und Bonn, Bahnhofsplatz 2011 (Foto: Detlef Podehl)

Gezeigt werden in der von Professor Christoph Mäckler gemeinsam mit Dr. Rolf-E. Breuer erstellten Ausstellung großformatige Schwarzweiß-Bildpaare, auf denen Stadtansichten von einst und heute gegenüber gestellt sind. Der vergleichende Blick verdeutlicht, was Stadträume und Bauwerke seither vielfach erleben durften und erleiden mussten. Ob gelungen oder nicht, überlässt das sachlich neutrale Ausstellungslayout freilich dem Besucher selbst. Am Ende beschleicht einen dennoch das flaue Gefühl, dass sich bei den gezeigten Beispielen nicht alles zum Guten gewendet hat. Den großen Stadtplaner Camillo Sitte jedenfalls hörten wir bereits sich im Grabe drehen.

Halle (Saale), Franckeplatz um 1950 (Foto: Stadtarchiv Halle an der Saale) und Halle (Saale), Franckeplatz 2012 (Foto: Christine Kämmerer)

In dieselbe Kerbe schlug nur zwei Tage später ein weiterer Beitrag der Süddeutschen Zeitung, der in unsere Redaktionshallen geflogen kam, diesmal mit Bezug auf Gebautes in – passend zu obiger Ausstellung – Nürnberg und mit ähnlichem Blick auf das allgemeine Verständnis von Architektur und Stadtplanung. Olaf Przybilla beschreibt dort den Neubau der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in der Bahnhofstraße und betitelt seinen Artikel mit der Überschrift «Nürnbergs neues Schandmal». Was zunächst etwas polemisch klingt, scheint vor dem Hintergrund, dass in diesen Bau die Fakultät für Architektur einziehen wird, jedoch durchaus angemessen. Die Geschichte zum Projekt jedenfalls liest sich wie ein Groschenroman. Ein Investor folgte dem nächsten, weil man es dem ersten plötzlich nicht zutraute. Was am Ende architektonisch entstanden ist, erbost die Gemüter: «Oh mein Gott. Das kann ja wohl nicht mehr wahr sein», ist KurushiXs erste Reaktion auf den Entwurf im Deutschen Architektur-Forum, und selbst bei Professoren der Hochschule löst der Neubau Unverständnis aus. Vielleicht tröstet da, dass das von aurelis Real Estate errichtete Gebäude von der Hochschule zunächst für nur 12 Jahre angemietet wird und anschließend von anderen genutzt werden kann.

So sah der Neubau der Hochschule Nürnberg im Mai 2013 aus. (Foto: Technische Hochschule Nürnberg)

Wie die Faust aufs Auge passte schließlich ein Artikel, der am gleichen Tag erschienen ist, diesmal von der boulevardesken Münchner Abendzeitung. Arno Makowsky – bekennender Architektur-Laie – mokiert sich in seinem Beitrag «Verbaut! Der Triumph der Schuhschachtel» ebenfalls über eine Bayerische Stadt, diesmal aber: München. Er beklagt die Einheitsarchitektur, die in seiner Stadt immer häufiger anzutreffen ist und belegt dies mit einigen prägnanten Beispielen – und gelungenen Gegenbeispielen, wie der ADAC-Hauptverwaltung oder (festhalten!) dem Kaufhof am Marienplatz. Bleibt der Schluss: Architektur muss eben ein Gesicht haben, um zu gefallen. Ach du liebe Stadtlandschaft! 

Entwurf aus dem Jahr 2010. (Foto: Günter Distler)

Die Ausstellung «Plätze in Deutschland 1950 und heute – eine Gegenüberstellung» des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst an der TU Dortmund in Zusammenarbeit mit Dr. Rolf-E. Breuer und in Kooperation mit dem Stadtplanungsamt der Stadt Nürnberg ist im Offenen Büro bis einschließlich Mittwoch, 19. Februar 2014, während der Öffnungszeiten montags 8.30 bis 18 Uhr, dienstags und donnerstags 8.30 bis 15.30 Uhr sowie mittwochs und freitags 8.30 bis 12.30 Uhr zu sehen. Danach wird die Schau noch in Freiburg, Berlin, Gütersloh und Stuttgart zu sehen sein.

Sonja Hnilica, Metaphern einer Stadt, Transcript 2012

Als weiterführende Lektüre empfehlen wir das Buch «Metaphern für die Stadt. Die Bedeutung von Denkmodellen in der Architekturtheorie» von Sonja Hnilica, die mit einem frischen Blick ausgehend von einer Lektüre der städtebaulichen Schriften Camillo Sittes die Metaphern viel beachteter Architekten von Vitruv bis Rem Koolhaas untersucht und dabei einen direkten Zusammenhang zwischen Stadtmetaphern und architektonischen Konzepten offenlegt. Erschienen im Transcript-Verlag.

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