»Also morgen, Donnerstag. Eierhäuschen.«

Katinka Corts
10. Januar 2024
Im revitalisierten Spreepark wird das sanierte Eierhäuschen zum Treffpunkt nahe der Anlegestelle (Visualisierung: ARGE Spreepark Freianlagen c/o die grille)

Über die Spree geht die Reise, am schmaleren Flussbett sind immer weniger Häuser zu sehen, stattdessen geraten Baumgruppen ins Blickfeld. Enten fliegen aus dem Schilf auf, als das Schiff Ufer und Anlegesteg näherkommt. Zwischen den Pappelweiden steht der Ziegelbau mit Turm und Erker: Das Eierhäuschen, ein Lokal für Tanz und Volksversammlung… Im »Stechlin« beschreibt Theodor Fontane weit ausführlicher, was hier nur zusammengefasst ist. Er verewigte damit den heute noch bestehenden und nun nach einer umfangreichen Sanierung in neuem Glanz erstrahlenden Bau in der Literatur und ließ Melusine und ihre Begleiter mit dem Dampfschiff anreisen – das Zitat im Titel zur Reiseverabredung stammt ebenso aus Kapitel 14. So, wie er die Protagonistin das Geschehen erleben lässt, könnte es künftig aber wieder geschehen, auch wenn die Fahrt vorbei am Industriegebiet Rummelsburg heute wohl nicht mehr als »halbe Einsamkeit« wahrgenommen würde. Der Schiffsanleger ist im Rahmen der umfassenden Neubelebung und Reaktivierung des Spreeparks bereits im August 2023 fertiggestellt worden und in Betrieb.

Eierhäuschen (Zeichnung aus: Berlin und seine Bauten, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Public domain, via Wikimedia Commons)
Foto: © Konstantin Börner / Grün Berlin
Foto: © Konstantin Börner / Grün Berlin

Der »Eierhäuschen« genannte Bau, den Fontane von einer Figur als »Mischling von Kiosk und Hütte« beschreiben lässt, wird aktuell betriebsbereit gemacht und soll im Frühjahr eröffnet werden – mit Restaurant, Biergarten und Platz für Ausstellungen. Ende des 19. Jahrhunderts war er bereits der dritte Restaurantbau an dieser Stelle, Brände hatten die Vorgänger zerstört. Von Architekt Karl Frobenius in einem historisierenden Landhausstil entworfen und bis 1891 fertiggestellt, konnte hier gegessen, gefeiert und getanzt werden. Die Stadt Berlin verpachtete das Lokal jeweils, zu DDR-Zeiten ließ der Treptower Bezirksrat das Gebäude teilweise rekonstruieren und ergänzen. Der Betrieb des seit 1978 denkmalgeschützten Ausflugslokals endete mit der Abwicklung des VEB Kulturpark Berlin 1990. Die damals neu gegründete privatwirtschaftliche Spreepark GmbH verpflichtete sich zwar beim Kauf des Spreeparks Anfang der 1990er-Jahre, das dazugehörige Eierhäuschen zu sanieren, erfüllte dieses Versprechen jedoch bis zum Zeitpunkt der Insolvenz im Jahr 2001 nicht.

Spreepark Labor 2021, Grün Berlin GmbH (Visualisierung: ARGE Spreepark Freianlagen c/o die grille)

Der Freizeitpark wurde zur Landschaftsruine voller verrostender Attraktionen und zugleich zum Treffpunkt unzähliger Geocaching-Freunde und Lost-Places-Fotografinnen. Einen Neubeginn auch für das Eierhäuschen erschwerten die Randbedingungen: Neue Betreiber hätten die alten Verbindlichkeiten übernehmen müssen, eine Ergänzung der denkmalgeschützten Anlage war nicht und die Erweiterung der Infrastruktur im Landschaftsschutzgebiet nur bedingt möglich. Endlich 2014 einigten sich die Gläubigerbank und die Stadt Berlin darauf, dass letztere den Erbpachtvertrag für zwei Millionen Euro zurückkaufen konnte und damit endlich wieder die Planungshoheit über das Areal bekam. 

Die Instandsetzung und Grundsanierung des lange ungenutzten und durch Vandalismus teilweise zerstörten Gebäudes begann mit der Bestandssicherung und dem Rückbau auf den ursprünglichen Zustand. dhl architekten aus Berlin zeichnen für die Umsetzung verantwortlich und übernahmen ab 2017 im Auftrag der Berliner Immobilienmanagement GmbH BIM die Sanierung des 2000 m2 BGF umfassenden Altbaus. Finanziert werden konnten die Maßnahmen über das »Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt« (SIWA). Im Erdgeschoss des Gebäudes befinden sich nun Gastronomie und Ausstellung, in den Obergeschossen gibt es Unterkünfte für Künstler*innen. Rückseitig ergänzt eine neue, über einen gläsernen Gang verbundene Kücheneinheit den Altbau um 700m2 Nutzfläche. Der Biergarten wurde bereits letztes Jahr für das Publikum geöffnet, weitere Außenanlagen gehen nun mit der Neueröffnung des Hauses in Betrieb.

Das Riesenrad wurde 2021 demontiert (Foto von 2017: A.Savin/Wikimedia Commons)

Auf dem 23,1 Hektar großen Areal sind das Eierhäuschen und der dazugehörige Schiffsanleger wichtige Meilensteine, um das lange vor der Stadt verschlossene Gelände wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Entsprechend der Planungen, welche die ARGE Spreepark Freianlagen und die Arbeitsgemeinschaft um Latz & Partner LandschaftsArchitekten Stadtplanung (Rahmenplan) erarbeitet haben, wird die Grün Berlin GmbH die Neubelebung des Geländes stückweise begleiten – hin zu einem »kreativen Künstlerlabor« und »lebendigen und kulturellen Aushängeschild Berlins«, wie es in der Konzeptbeschreibung heißt. Auch das frühere Wahrzeichen des Parks, das Anfang 2021 demontierte Riesenrad, wird nach seiner Sanierung wieder im Park aufgebaut. Für die Planung dieses Teilprojekts sind schlaich bergermann partner und realities:united verantwortlich. In Betrieb genommen werden soll das Fahrgeschäft voraussichtlich im Frühjahr 2025 (wir berichteten).

Der Weg zum neuen Spreepark ist lang, aber wohl die richtige Wahl. Investoren, die schnelle Lösungen versprochen haben (und denen die Stadt in früheren Jahrzehnten bereitwillig geglaubt hat), brachten dem Areal weder Glück noch Zukunft und schafften es nicht, dem großen Grünraum eine für die Stadt tragfähige Nutzung zuzuführen. Schritt für Schritt wird nun die Geschichte des Ortes neu erfunden und zugleich Bewährtes und Vertrautes integriert. Und, wer weiß, vielleicht verkauft dereinst wieder jemand Eier am Wirtshaus – einer der Geschichten um den Namen zufolge tat das nämlich der Wirt der ersten hier stehenden Schifferkneipe, dem Vorvorgängerbau.

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