Neue Lernhäuser im Quartier

Auer Weber
26. Juli 2023
Die Baukörper treppen sich entlang der Straße mit Hochpunkt an der Kreuzung ab. Am Verkehrsknotenpunkt wird durch den zurückversetzen Baukörper ein Platz als Eingangshof ausgebildet. (Foto: Aldo Amoretti)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

In den drei Geschossen über dem Speisesaal liegen identische Lernhäuser für jeweils 4x 25 Kinder und 10 Lehrkräfte. Jedes Lernhaus ist als eigenständige Funktionseinheit konzipiert und besteht aus einem großen mittigen Flurbereich mit verglastem Lichthof, der mittels zahlreicher Öffnungsflügel nicht nur die Belüftung, sondern auch eine Nachtauskühlung ermöglicht. Der Flurbereich wird beidseitig von drei gleich großen Lernräumen flankiert, wobei sich zwischen den beiden äußeren Klassenräumen jeweils ein Ganztagesraum befindet. Hinzu kommen Inklusions-, Lehrer- und Nebenräume. Die Ganztagesräume dienen als flexibel bespielbare Zusatzräume und werden auch nach der regulären Unterrichtszeit genutzt. Sie sind mit Sitzsäcken und loungeartigen Möbeln ausgestattet, während die Klassenräume über Whiteboards mit Medientechnik sowie über Einzeltische und rollbare Schränkchen verfügen. Diese Möbel können mühelos immer wieder neu konfiguriert werden, um so unterschiedliche formelle und informelle Lernformen zu unterstützen. Einer der beiden Ganztagesräume lässt sich mithilfe einer Faltwand zum mittigen Flurbereich öffnen. Deckenmontierte Leuchten und Lautsprecher erlauben auch hier vielfältige Nutzungen, wie z. B. klassenübergreifende Präsentationen, Gruppenspiele oder Aufführungen.

Eingangshof und zentrales Verbindungsbauwerk der beiden Schulbaukörper (Foto: Aldo Amoretti)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Dass die Schulgebäude trotz ihrer Größe maßstäblich wirken, liegt an den breiten, umlaufenden Fluchtbalkonen der Klassenräume in den Obergeschossen – sie sorgen für sanfte Übergänge zwischen innen und außen und gliedern das Bauvolumen. Wesentlich ist aber auch das sensible Farb- und Materialkonzept. Die hellgrünen feinprofilierten Paneele der hinterlüfteten Metallfassade und die weißen Fluchtbalkone harmonieren mit dem beige verputzten Erdgeschoss. Verbindendes Element sind die durchgängig hellbronzenen Profile der Holz-Alufenster. Erscheinen die Fassaden aus der Ferne flächig und glatt, ändert sich das Bild, wenn man sich auf das Gebäude zubewegt. Ganz aus der Nähe treten schließlich der feine Besenstrich der Putzflächen und die feingliedrigen Kantungen der hellgrünen Blechpaneele in Erscheinung. Die zurückhaltende, detailreiche Plastizität der Fassade ist Teil einer wohlinszenierten Kultur der Vielschichtigkeit, die an vielen Stellen im Gebäude anzutreffen ist.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die staatliche Grundschule an der Theodor-Fischer-Straße befindet sich in einem stetig wachsenden Wohngebiet im Münchener Stadtbezirk Allach-Untermenzing. Prägend für den vormals landwirtschaftlich genutzten Standort am nordwestlichen Stadtrand sind freistehende Wohnhäuser, die eine gleichmäßig lockere Bebauungsstruktur ausbilden. Vor diesem Hintergrund präsentiert sich der Schulneubau als dezidiert kleinteiliges Bauvolumen aus drei unterschiedlich hohen Baukörpern. Die wichtigste Rolle in diesem Ensemble spielen die beiden 29 x 43 m großen Schulgebäude. Sie stehen übereck an den Straßenseiten im Norden und Westen des Grundstücks und sind über einen gläsernen Verbindungsbau miteinander verknüpft. Das mit vier Geschossen höchste Gebäude zeigt eine klare städtebauliche Präsenz an der Kreuzung von Theodor-Fischer-Straße und Pasinger Heuweg und verbleibt aufgrund der deutlich zurückversetzten Lage dennoch in respektvoller Entfernung zur Nachbarbebauung. Das dreigeschossige Schulgebäude hingegen ist wesentlich näher an die Straße herangerückt. Der Versatz der Gebäude lässt einen räumlich gefassten Eingangshof entstehen. Niedrigstes Gebäude im Ensemble ist die halb ins Erdreich eingegrabene Zweifach-Sporthalle ganz im Osten des Grundstücks.

Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?

Es handelte sich um ein VgV-Verfahren, indem anhand einer Präsentation des Bearbeitungsteams auf das Büro, die Erfahrung und die Herangehensweise durch eigene Projekte sowie spezifisch auf die Bauaufgabe eingegangen wurde. Zusammen in Verbindung mit dem eingereichten Angebot erreichten wir den Zuschlag.

Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Im Zuge der Schulbauoffensive der Landeshauptstadt München wurde über die Jahre ein feingliedriges Anforderungs- und Ausführungsprogramm entwickelt, welches auch während des Planungsprozesses fortgeführt wurde. Hinzu kommen die materialökologischen Anforderungen der Landeshauptstadt mit denen sie als Vorreiter höhere Standards aufstellt. 

Gleichzeitig wurde mit der Planungsaufgabe das Baurecht in Form eines Bebauungsplans entwickelt. Die besondere Anforderung war es dabei die Vielzahl dieser Anforderungen und deren teilweise detaillierten Ausführlichkeit im Zusammenhang mit dem Entwurf in Einklang zu bringen und dies nicht visuell in Erscheinung treten zulassen.

Lernhaus Erschließungsbereich – Natürlich belichteter und belüfteter Flur mit sich aufweitenden Zonen für Garderoben- und Forumbereiche (Foto: Aldo Amoretti)
Lernhausforum am Innenhof – Multifunktionaler, flexibel bespielbarer Bereich für Lernen, Spielen, Vorführungen und Veranstaltungen (Foto: Aldo Amoretti)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Eine Teilhabe und die damit verbundene Beeinflussung seitens Bauherrschaft und Nutzer ist bei allen Bauaufgaben essenziell. So wurde auch in diesem Fall, der Bauherrnvertreter sowie der eigentliche Bauherr und spätere Nutzer samt ihrer Fachabteilungen über den gesamten Planungsablauf eng an die Planung angebunden. Die langjährige Erfahrung mit der Errichtung und Nutzung von Bauten in diesem Bereich sowie das spezifische pädagogische Fachwissen bereicherten die Planung und sorgten damit für eine hohe Qualität des Endprodukts. 

Fest integrierte Stauflächen an der Längswand und der Fassade der Klassenzimmer ermöglichen im Zusammenhang mit der rollbaren- und losen Möblierung eine flexible und leichte Umnutzung (Foto: Aldo Amoretti)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die Länge des Umsetzungsprozesses, der lange vor der Beauftragung unseres Architekturbüros mit einer politischen Entscheidung und der Grundlagenermittlung begann, bringt es mit sich, dass Neuerungen, Bedarfe und wirtschaftliche Anpassungen aufgestellt, bewertet und umgesetzt werden. Auch in diesem Fall war dies ein lebendiger Prozess, bei dem, im Rahmen der Möglichkeiten, immer wieder die sich ändernden Umgebungsparameter neu bewertet mussten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzeugen. So wurden beispielsweise optionale Räume zu festen Bestandteilen des Programms, alternative Materialien auf Grund von weltweiten Lieferengpässen gewählt, sowie wirtschaftliche Einsparmaßnahmen wie die geringere Einbindung der Sporthalle in das Gelände umgesetzt.

Sporthalle – Verkleinerung des Gebäudevolumens durch die Integration der Sporthalle in das Gelände.Wohlorganisierter, ruhiger Innenraum mit einer hellen, freundlichen Atmosphäre (Foto: Aldo Amoretti)
Welche digitalen Instrumente haben Sie bei der Planung eingesetzt?

Es wurde ein digitales Modell konstruiert, das im Laufe und mit Fortschritt der Planung zunehmend detailliert ausgestaltet wurde. Das Modell ermöglichte Konstruktionen, Raumgeometrien, Bauteile und Oberflächen auf digitalen Rundgängen mit den am Projektbeteiligten zu erläutern und abzustimmen.

Lageplan (Zeichnung: Auer Weber)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Auer Weber)
Schnitt (Zeichnung: Auer Weber)
Grundschule an der Theodor-Fischer-Straße, München
2022
Theodor-Fischer-Straße 73
80999 München
 
Auftragsart
VgV
 
Bauherrschaft
Landeshauptstadt München 
 
Architektur
Auer Weber Assoziierte GmbH, München
Philipp Auer (Geschäftsführer), Stephan Suxdorf (Geschäftsführer), Maximilian Kneucker (Projektleiter), Johanna Zinnecker (Mitarbeiterin), Maryam Badieitabar (Mitarbeiterin), Samantha Tan (Mitarbeiterin), Anita Lang (Mitarbeiterin), Vanessa Philipp (Mitarbeiterin), Nina Peña (Mitarbeiterin)
 
Fachplaner
Freianlagen: realgrün Landschaftsarchitekten, München
Tragwerksplanung: Behringer Beratende Ingenieure GmbH, München
Technische Ausrüstung: Veit Energie Consult GmbH, München (ELT); Ingenieurbüro Hausladen GmbH, Kirchheim (HKLS)
Bauphysik: Kurz und Fischer GmbH, Feldkirchen-Westerham
Brandschutz: Kersken + Kirchner GmbH, München
Bauakustik: Ebert Ingenieure GmbH, München
Photovoltaik: Veit Energie Consult GmbH, München
Signaletik: Auer Weber Assoziierte GmbH, München 
Blitzschutz: Branddirektion München – Blitzschutz Hauptabteilung IV
Küchen: Söhnle Plan Team GmbH, Fellbach
Bauleitung: in Zusammenarbeit mit BWP Baumanagement GmbH, München
Projektsteuerung: DU Diederichs & Partner GmbH, Puchheim
 
Kunst am Bau
Robert Voit, München
Zwei Carnegiea Gigantea
 
Energiestandard
EnEV 2013 Unterschreitung ca. 30%
 
Bruttogeschossfläche
12.710 m² 
 
Gebäudevolumen
56.820 m³
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Fotos
Aldo Amoretti

Andere Artikel in dieser Kategorie