Eine Scheune für Lucia und Samuel

Sieveke Weber Architekten BDA
19. Oktober 2022
Konstruktion und Raum (Foto: Lukas Huneke)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Lucia und Samuel, 18 und 15, benötigen Platz. Lucia zum Tanzen, Samuel zum Schrauben. Die Umnutzung einer Viezpresserei, im hinteren Teil des Gartens eines städtischen Wohnhauses gelegen, bietet sich hierfür an. Mittels einer Sanierung kann vorhandenes bauliches Potenzial genutzt und ein großer zusätzlicher Nutzraum geschaffen werden. Die maßstäblichen Strukturen des Bestandes werden wiederaufgenommen, die Substanz so weit als möglich erhalten. Der Werterhalt des vorgefundenen alltäglichen Bestandes und dessen Charakteristik der Collage bilden den Kern dieser Aufgabe.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Der Bestand ist geprägt durch handwerkliche Bauschritte. Er wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder umgebaut, ergänzt und verändert. Zum Einsatz kam, was gerade verfügbar war: Eisenbahnschienen als Deckenträger, Eisenbahnschwellen und Hölzer als Stürze, diverse Dachdeckungen. Dieses Prinzip der Collagenhaftigkeit wollten wir fortführen, die anonyme handwerkliche Kunst zum Beispiel durch materialgerechtes Fügen wertschätzen. Die vorgefundene Patina sollte möglichst erhalten bleiben, ebenso wie eine gewisse Robustheit, die auch zukünftige Veränderungen zulässt.

Collage der baulichen Elemente (Foto: Lukas Huneke)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die handwerkliche Tradition sollte unter Verwendung ortsverfügbarer Materialien fortgeführt werden. Der bestehende massive Sockel aus Ziegelmauerwerk bleibt mit seiner Patina erhalten, die Substanz wird statisch verstärkt. Die Eingriffe als roh belassene Stahlbeton-Ringbalken und Auflager bleiben dabei als weitere Spur ablesbar. Das marode gewordene Holztragwerk darüber wurde zurückgebaut und durch ein neues Holztragwerk mit ähnlichem Volumen ersetzt. Statt einer Pultdachkonstruktion wird im neuen Projekt ein Satteldach ausgebildet, aus Gründen der Eingliederung zum Nachbarn, vor allen Dingen aber aus räumlichen Proportionen. Die Ausrichtung der Scheune und Anordnung der Fenster und Oberlichtflächen ist dem Sonnenverlauf entsprechend optimiert.

Fortführung der zeitlichen Abfolgen (Foto: Lukas Huneke)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Entscheidend ist die Kommunikationsebene mit den Bauherren auf Augenhöhe. Unter dem Deckmantel reduzierter Kosten wurde die Zielsetzung der Bauherren baulich interpretiert und entwickelt. Gemeinsames Ziel war dabei baukulturelle Werte zu schaffen und zu erhalten.

Scheune und Mirabellenbaum (Foto: Lukas Huneke)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Unter ökonomischen Bedingungen fanden Optimierungen statt über die Verwendung der Materialien und handwerklichen Schichten. Das begrenzte Budget führte zu Vereinfachungen, wiederholten Reflexionen, Selbstdisziplinierung und letztendlich dazu, das Konzept zu stärken und auf den Punkt zu bringen.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Struktur der hölzernen Tragkonstruktion wirkt als raumbildendes Element. Der stützenfreie Raum, mittels eines zäsierten Holzträgers überspannt, wird durch die Tragwerksachsen gegliedert, die durch Aussteifungsdreiecke beidseitig der Sparren betont werden. Die Tageslichtführung wurde optimiert, zwei große Oberlichter sowie eine große Atelierverglasung zum Garten mit Mirabellenbaum leuchten den Raum großflächig aus. Entsprechend einer Scheune besteht kein Vollwärmeschutz vergleichbar eines Wohnhauses. Auf dem Dach wurde eine Photovoltaik-Anlage integriert, diese speist die Scheune und das Wohnhaus mit Strom.

Asymmetrische Lichtführung (Foto: Lukas Huneke)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Der Charakter der Scheune wird maßgeblich durch die eingesetzten Materialien geprägt: Die Rohbauästhetik des sichtbaren Betons, die sägeraue Schalung und der behauene Stein sind in der Komposition mit den vorhandenen Stahlträgern und Eisenbahnschwellen, die in früheren Bauabschnitten integriert wurden, besonders wichtig. Die Patina des vorhandenen Bestandes wird bewusst erhalten und in das Gestaltungskonzept integriert.

Lageplan: Sieveke Weber Architekten BDA
Grundriss: Sieveke Weber Architekten BDA
Ansicht Garten: Sieveke Weber Architekten BDA
Ansicht Hof: Sieveke Weber Architekten BDA
Scheune für Lucia und Samuel
2022
Zum Schlosspark 58
54295 Trier

Bauherrschaft
privat

Architektur
Sieveke Weber Architekten BDA, Trier
Projektleitung: Sonja Weber
Mitarbeit: Astrid Moritz, Carla Burkhardt
 
Fachplaner
W&K Ingenieure, Michael Kreber, Mettlach-Orscholz 
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Maier & Krewer, Kenn
Zimmerer, Dachdecke und Fassader: Gebrüder Thiel, Dudeldorf
 
Materialien
Tragwerk KVH, BSH, Mehrschichtplatten
Dachdeckung Trapezblech
Fassade Lärche, Boden-Deckelschalung
Doppelstegplatten Lexan
 
Bruttogeschossfläche
187 m²
 
Gebäudevolumen
582 m³

Gesamtkosten
125.000 €

Fotos
Lukas Huneke Photography, Trier

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