Kreislaufgerecht gebaut, hybrid genutzt

ZRS Architekten
6. Dezember 2023
Der Eingangsbereich zu den Wohnungen liegt an der Nordfassade. Die Kita in beiden Gebäuden wird über den zentralen Garten erschlossen. (Foto: Caspar Sessler)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die beiden Neubauten zeichnen sich durch den konsequenten Einsatz nachwachsender Baumaterialien und sichtbarer Holzoberflächen aus. Kerngedanke des Projekts ist, kreislaufgerechte und ressourcenschonende Gebäude für die unterschiedlichen Nutzer*innen zu entwickeln. Die robuste Konstruktion in Holzskelettbauweise ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität für die hybride Nutzung als Kindertagesstätte und Wohngebäude, ebenso für zukünftige Umnutzungen und eine lange Lebensdauer der Gebäude. 

Die Kita ist im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss untergebracht, in den Geschossen darüber befinden sich die Wohnungen (Foto: Caspar Sessler)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der alte Baumbestand in der Mitte des Grundstücks sollte unbedingt erhalten bleiben. Dadurch ergab sich die Entscheidung, die Kita auf zwei Gebäude zu verteilen und über den Außenbereich miteinander zu verbinden. Durch die Teilung der Funktionen konnte die Größe der Einrichtung auf einen kindgerechten Maßstab gebracht und gleichzeitig die Interaktion mit dem Stadraum gestärkt werden. Die Höhenstaffelung der beiden Häuser vermittelt zudem zwischen den umliegenden Gebäuden. 

Durch die Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück konnte der alte Baumbestand erhalten werden und spendet nun Schatten im Außenbereich der Kita. (Foto: Caspar Sessler)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Die beiden Gebäude Woof & Skelle sind Teil des neu entwickelten, sozial-ökologischen Quartiers Ellener Hof im Osten Bremens. Als Grundlage für die Quartiersentwicklung diente der Masterplan von De Zwarte Hond, welcher einen verkehrsberuhigten Außenbereich sowie den weitestgehenden Erhalt der Bestandsbäume und -gebäude vorsah. Die neue Nachbarschaft sollte so weit wie möglich in Holzbauweise errichtet werden, daher wurden bereits im städtebaulichen Entwurf Kriterien für die Verwendung von Holzkonstruktionen und ökologischen Dämmstoffen festgelegt und in einem verbindlichen Gestaltungshandbuch festgehalten. 

Die gegliederte Holzfassade mit den bodentiefen Fenstern verbindet beide Gebäude zu einem Ensemble (Foto: Caspar Sessler)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Während des Planungsprozesses kam es mehrfach zu Anpassungen des Raumprogramms. Die größte Herausforderung war die nachträgliche Unterbringung einer Großküche im Erdgeschoss der Kita nach Abschluss der Entwurfsplanung. Anders war es zum Beispiel mit der Fassade und der Kubatur des Gebäudeensembles. Die gerasterte, hellgraue Holzfassade wurde bereits während des Werkstattverfahrens entwickelt, sodass die erste Visualisierung dem gebauten Projekt sehr nahe kommt. 

Von der Garderobe aus werden die Gruppenräume erschlossen (Foto: Caspar Sessler)
Diffusionsoffener Lehmputz mit Strohzuschlag sorgt für ein angenehmes Raumklima in der Kita (Foto: Caspar Sessler)
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?

Durch das vorgegebene Gestaltungshandbuch war die Verwendung von fossilen Dämmstoffen ausgeschlossen und Naturbaustoffe waren von Projektbeginn an gesetzt. Dadurch konnten wir den Betonanteil minimieren, ökologische Dämmung im gesamten Gebäude einsetzen und sogar den aussteifenden Aufzugs- und Treppenkern aus Massivholz planen.

Beim Innenausbau hätten wir gerne noch konsequenter nachwachsende und zirkuläre Baustoffe verwendet: Im Bereich der Akustikdecken lieber Holzlamellen statt Gipskarton, bevorzugt Lehmbauplatten und Lehmputze statt konventionellem Trockenbau und besser robuste Einbauküchen statt individuell von den Mieter*innen mitgebrachte — aufgrund der gestiegenen Materialkosten im Bauverlauf war dies dann leider nicht mehr möglich.

Wo möglich, wurden die Oberflächen der tragenden Brettsperrholzdecken und -wände sowie die Holzstützen und -unterzüge sichtbar belassen. (Foto: Caspar Sessler)
Beschäftigten Sie sich im Büro mit den Tendenzen des zirkulären Bauens und der sozialen Nachhaltigkeit?

Wir haben dieses Jahr unser 20-jähriges Bürobestehen gefeiert und beschäftigen uns seit der Gründung von ZRS Architekten Ingenieure mit allen Aspekten des zirkulären und nachhaltigen Bauens. Der Bausektor verursacht mehr als 60 % der weltweiten CO2-Emissionen, ist verantwortlich für 50 % des Abfallaufkommens in Deutschland und verbraucht 90 % der mineralischen Rohstoffe die wir der Natur entnehmen – das Bauen ist so der größte Treiber der Klima- und Ressourcenkrise. Als Planer*innen sehen wir die daraus entstehenden Herausforderungen für das Bauen als Chance der Veränderung, die wir progressiv und möglichst konsequent in unsere Forschung sowie Planung und Realisierung von Gebäuden integrieren. Die Auseinandersetzung mit den historischen und zugleich modernen Naturbaustoffen Lehm und Holz bildet den Kern unserer Arbeit.

Lageplan | Woof & Skelle (Zeichnung: ZRS Architekten)
Grundriss Erdgeschoss Kita | Woof & Skelle (Zeichnung: ZRS Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss Kita | Woof (Zeichnung: ZRS Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss Kita | Skelle (Zeichnung: ZRS Architekten)
Grundriss 3. Obergeschoss Wohnen | Skelle (Zeichnung: ZRS Architekten)
Schnitt | Woof (Zeichnung: ZRS Architekten)
Schnitt | Skelle (Zeichnung: ZRS Architekten)
Skelle (Axonometrie: ZRS Architekten)
Woof & Skelle: Gebäudeensemble für Soziales Wohnen & Kita
2022
Pawel-Adamowicz-Straße 7
28237 Bremen
 
Auftragsart
Direktbeauftragung nach Werkstattverfahren, LPH 1-9
 
Bauherrschaft
Bremer Heimstiftung
 
Architektur
ZRS Architekten, Berlin
Team: Monique Bührdel (Projektleitung), Marine Miroux, Carolin Senftleben, Samuel Reichl, Lisa-Marie Kolbinger
 
Fachplaner
Tragwerksplanung, Schallschutz: ZRS Ingenieure, Berlin
Energieberatung, Brandschutz, Energiebilanzierung: ZRS Architekten, Berlin Landschaft: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Hamburg Städtebau: De Zwarte Hond, Köln
ELT: IBL Ingenieurbüro Löhmann, Langwedel
HLS: Bruns + Partner, Bremen
 
Ausführende Firmen
Holzbau: Holzbau Brockhaus GmbH, Dinklage
Dach: Fangmann GmbH, Visbek
Rohbau: Helmut Kallage Bauunternehmen GmbH, Vechta
Fenster: Tischlerei Gehner GmbH, Osnabrück
Metallbau: Meyer Metallbau, Oyten
Trockenbau: Ulrich Weber Stukkateur- und Trockenbaubetrieb GmbH, Bremen Innentüren: Theodor Schulte GmbH, Saterland - Scharrel
Estrich, Lino, Parkett: Vajen Raumausstattung GmbH, Bad Fallingborstel
Fliesen: Schreiber Fliesen und Naturstein GmbH & Co. KG, Bremen
Tischler: Uwe Gardewin Tischlerei GmbH, Bremen
Maler: Werner Siemund Malereibetrieb GmbH & Co. KG, Delmenhorst
Außenanlagen: Hermann Grewe Garten- und Landschaftsbau GmbH, Rotenburg / Wümme Heizung: Koch GmbH & Co. KG, Riede
Lüftung: Bormann Elektrobau GmbH, Weyhe - Dreye
Sanitär: Peinemann + Sohn GmbH & Co. KG, Bremen
Elektro: Elektrotechnik Schäfer GmbH, Schwanewede
 
Energiestandard
KfW 55 für Nichtwohngebäude (Kita) und KfW 40 für Wohngebäude (Wohnen)
 
Bruttogeschossfläche
3.135 m²
 
Gesamtkosten
6.700.000 € (netto, KG 200-500)
 
Auszeichnung
Bundeswettbewerb HolzbauPlus 2022/23 (Hauptkategorie: Neubau in Holz, 2. Preis), polis AWARD 2023 (Kategorie Ökologische Wirklichkeit, 2. Preis)
 
Fotos
Caspar Sessler

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