Robi Wache: »Unser Ansatz ist, mit dem Bestand zu arbeiten, fernab vom Trend, der als starrer Gestaltungskanon Optionen ausschließt«

Thomas Geuder
3. November 2023
Robi Wache (Foto: Tom Maurer)
Thomas Geuder: Herr Wache, beim Thema Büro erleben wir derzeit einen recht tiefgreifenden Wandel, weg vom traditionellen, stationären Office mit eigenem Schreibtisch, hin zum flexiblen Arbeiten in unterschiedlichen, ausdrucksstarken Raumatmosphären, die je nach Anforderung und Stimmung individuell gewählt werden können. Welchen Beitrag kann und sollte Ihrer Meinung nach die Geschichte eines Ortes oder eines Gebäudes spielen?

Robi Wache: Wir schätzen das Potential, das in Bestandsimmobilien verborgen liegt, nutzen graue Energie und machen dadurch gebaute Vorgeschichte weiterhin erlebbar. Es geht uns um eine Erzählung, die uns mit dem gebauten Raum wie auch mit dem dort vorgefundenen Esprit verbindet. Denn vorgefundener Bestand zeugt von den Funktionen und den ehemaligen Nutzern des Gebäudes. Dies gibt uns ein Gefühl dafür, wo wir herkommen, wo wir stehen und worauf wir aufbauen können. Mit Respekt schreiben wir die Geschichte fort und schaffen eine identitätsstiftende Atmosphäre. Je klarer dabei das Bekenntnis zum Bestand, je geringer die Intervention, umso stärker können die Raumqualitäten herausgearbeitet werden.

Stuttgart, Am Fruchtkasten 3, denkmalgeschütztes Bürogebäude von Kammerer und Belz (1972), ausgezeichnet u.a. mit dem Hugo Häring Preis. Kernsanierung durch uns 2019. Bauherr: ESCO PROJEKT AG, Amriswil (CH) (Foto: Sarah Weiselowski)
Stuttgart, Am Fruchtkasten 3, denkmalgeschütztes Bürogebäude von Kammerer und Belz (1972), ausgezeichnet u.a. mit dem Hugo Häring Preis. Kernsanierung durch uns 2019. Bauherr: ESCO PROJEKT AG, Amriswil (CH) (Foto: Sarah Weiselowski)
Ein wichtiger Teil Ihrer Haltung als Architekt ist das suffiziente Bauen, also die Weiterwendung von erhaltenswerter Bausubstanz und Einbauten unter der Prämisse, nur das zu verwirklichen, was wirklich notwendig ist. In einer Zeit, in der viele Bestandsbauten auf energetische Sanierung nach aktuellen Regelwerken und Normen warten, ist das ein durchaus ungewöhnlicher Ansatz, der zudem mit Weiterbauen statt mit Abriss argumentiert. Wie erklären Sie Ihren Bauherrenschaften, manche Maßnahme lieber nicht oder nur mit geringem Aufwand anzugehen, als ein Gebäude umfassend zu erneuern?

Suffizienz ist die Chance, sich von tradierten Konventionen, Privilegien und starren Strukturen zu befreien. Wir können uns nun auf tatsächliche Werte konzentrieren, die den Menschen mit seinen Erwartungen, Bedürfnissen und Gefühlen in den Mittelpunkt stellt. Es ist die Reflexion unserer Umwelt mit Fokus auf einem glücklichen und sinnstiftenden Leben innerhalb planetarer Grenzen. Die Vorteile für den Bauherrn liegen auf der Hand: Errichtungskosten sind geringer, durch Priorisierung können die Investitionen für die Reduzierung der Betriebskosten eingesetzt werden. Dies bedarf einer mündigen und kritischen Auseinandersetzung mit Menschen, Gesellschaft und Umwelt.

Stuttgart, Libanonstraße Sanierung, Sanierung Büro, 2018, Bauherr: Privat. (Foto: Sarah Weiselowski)
Stuttgart, Libanonstraße Sanierung, Sanierung Büro, 2018, Bauherr: Privat. (Foto: Sarah Weiselowski)
Das Arbeiten im Büro hat sich in den letzten – sagen wir – 25 Jahren enorm verändert, getrieben zunächst durch die Digitalisierung an sich, in jüngerer Zeit durch die überall verfügbare Vernetzung. Welche Ideen und Konzepte müssen Architektinnen und Architekten heute berücksichtigen, um das Büro von morgen zu planen?

Dadurch, dass Präsenz in Büroräumen nicht mehr zwingend notwendig ist, verlieren diese ihre Funktion als einzig möglichen Arbeitsort. Sie werden zur Plattform für sozialen Austausch und zwischenmenschliche Beziehungen und sorgen dafür, dass sich Teams finden und gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann. Von Vorteil ist sicher eine große Flexibilität der Gebäude, auch unter Berücksichtigung von Folgenutzungen sowie generell die Nutzung vorhandener Ressourcen. Wichtig ist, die Konzeption auf eine breite Basis zu stellen und alle Stakeholder partizipativ und wertschätzend einzubinden, durch die Auseinandersetzung zu lernen und daraus Lösungen zu entwickeln.

Stuttgart, Impact Hub im Wizemann Areal, Kernsanierung Hinterhaus 2015. Bauherr: J. Wizemann GmbH & CO. KG. (Foto: Sarah Weiselowski)
Stuttgart, Impact Hub im Wizemann Areal, Kernsanierung Hinterhaus 2015. Bauherr: J. Wizemann GmbH & CO. KG. (Foto: Sarah Weiselowski)
Kommunikation und die reale Begegnung zwischen den Menschen erhalten in Zeiten von Homeoffice und Cloud Computing einen besonderen Stellenwert. Wie muss ihrer Meinung nach die Gestaltung von Arbeitswelten darauf reagieren?

Wir benötigen unterschiedliche Räume für unterschiedliche Tätigkeiten, jedoch keine determinierten Räume, mit vorgegebener Choreografie. Die Nutzer können sich diese aktiv aneignen. Räume mit einer Vorgeschichte erleichtern uns das. Dabei ist es nicht wichtig, maximalen Komfort bereit zu stellen. Durch Suffizienz und Brüche in der Konzeption wollen wir den Nutzer auffordern, in Kommunikation zu gehen und Wertschätzung für die zur Verfügung gestellte Ressource zu entwickeln.

Stuttgart, Metzgerei Fluhr, Umbau zu Büroräumen, 2017. Unsere Büroräume, Bauherr: Wolfgang Fluhr (Foto: Sarah Weiselowski)
Materialien, Farben und Oberflächen waren und sind wichtige Kriterien bei der Innenraumplanung, speziell auch bei der Büroplanung, die immer schon auch gewissen Trends unterworfen war. Welche Entwicklungen in diesem Bereich können Sie aus Ihrer Arbeit als Gestalter beobachten, welche halten Sie für zukunftsfähig?

Unser Ansatz ist, mit dem Bestand zu arbeiten, fernab vom Trend, der als starrer Gestaltungskanon Optionen ausschließt. Wesentlich ist die Ästhetisierung der Konstruktion, nachhaltige Materialien, Demontierbarkeit sowie diffusionsoffene Oberflächen für gesundes Raumklima. Gerne zeigen wir was verbaut ist, auch die Haustechnischen Installationen, und erleichtern dadurch die Revisionierbarkeit.

Stuttgart, Metzgerei Fluhr, Umbau zu Büroräumen, 2017. Unsere Büroräume, Bauherr: Wolfgang Fluhr (Foto: Sarah Weiselowski)
Die Räumlichkeiten Ihres Architekturbüros in Stuttgart haben Sie selbst umgestaltet und nach Ihren Bedürfnissen eingerichtet, in einem Altbau aus dem (schätzungsweise) beginnenden 20. Jahrhundert. Was waren hier die Herausforderungen und inwiefern gehen Sie hier auf die »Zukunft der Arbeit« ein?

Wir haben uns vom Bestand, wie vorgefunden, inspirieren lassen. Die Räume wurden größtenteils belassen wie sie sind. Neue Installationen wurden aufputz verlegt, die Intervention bleibt dadurch ablesbar. Die hohe Wertschätzung des Vorgefundenen erhält diese einzigartige Atmosphäre. Unsere Bedürfnisse, gemeinschaftliches und kollaboratives Arbeiten sowie gegenseitige Rücksichtnahme müssen innerhalb dieses räumlichen Rahmens ständig neu verhandelt werden. Dadurch bleiben wir stets im Austausch über unsere Arbeit, das schafft Verbundenheit, nicht nur untereinander, sondern auch mit dem Ort, an dem wir Arbeiten.

Robi Wache ist Geschäftsführer von Robi Wache Architekten GmbH – einem gemeinwohlbilanziertem Unternehmen. 1994 Dipl. Ing. Fachrichtung Architektur an der Universität Stuttgart. Von 1996 bis 2008 Freie Mitarbeit sowie Anstellung bei Patzner Architekten. 2008 Gründung des Architekturbüros Robi Wache Architekt, seit 2018 Robi Wache Architekten GmbH. Robi Wache Architekten sind aktiv im Bereich nachhaltiger, energieeffizienter Sanierung von Bestandsgebäuden und Denkmälern mit einem Schwerpunkt auf Suffizienz sowie Kreislaufwirtschaft. Seit 2013 wirken wir bei der fortlaufenden Quartiersentwicklung des Wizemann Areals in Stuttgart, Bad Cannstatt mit. 2017 bis 2019 Kernsanierung des dreifach prämierten denkmalgeschützten Stuttgarter Geschäftshauses Am Fruchtkasten 3 von Kammerer + Belz. 

New Work, Sustainability und Home-Office im Fokus
Unter dem Motto »Celebrating Business Together« finden vom 26. bis 30. Januar 2024 zum zweiten Mal die Ambiente, die Christmasworld und die Creativeworld zeitgleich auf einem der modernsten Messegelände der Welt statt. Besonders die neue Ausgestaltung des Produktbereiches Working unter dem Dach der Weltleitmesse Ambiente schafft zukunftsorientierte Impulse. Denn bei Ambiente Working dreht sich wieder alles um die Themen Bürobedarf und Büroausstattung – im Hinblick sowohl auf das klassische Office, aber auch mobiles Arbeiten, Home-Office, Co-Working-Spaces und Future of Work.
www.ambiente.messefrankfurt.com/working
 
Future of Work Academy an der Ambiente in Frankfurt
Die Future of Work Academy richtet sich an Architekten, Facility Manager und Planer wie auch an Händler für Bürobedarf und -einrichtungen. Nach seiner erfolgreichen Premiere 2017 beleuchten dieses Jahr insgesamt acht Vorträge die derzeitigen Veränderungen der Arbeitswelt, digitale Lösungen zur Zusammenarbeit sowie nachhaltige Konzepte für einen modernen Arbeitsplatz. An der Ambiente 2024 bietet die Future of Work Academy an allen Messetagen Vorträge und Programm. Vorträge, die jeweils andere Sichtweisen auf das Thema Arbeit mit Fokus auf Architektur und Büroplanung Raum geben, finden am 27. und 28. Januar von 11:30 bis 17:00 Uhr statt.

Vorträge am 27. und 28. Januar 2024
Katrin Jacobs (HENN), Carla Wilkins (Lichtvision), Steve Jende (Elbstrand & Mannschaft), Martin Jasper (Martin Jasper Architects), Tim Hupe (HUPE FLATAU PARTNER), Claudia Meixner, (Meixner Schlüter Wendt), Sabrina Tafelmeier und Réka Visnyei (INpuls INTERIOR DESIGN ARCHITECTURE), Jessica Borchardt (BAID) – alle 8 Vorträge werden in Deutsch gehalten und simultan ins Englische übersetzt.
 
Ambiente Working – Future of Work Academy – Information + Anmeldung

World-Architects ist Content-Partner der Messe Frankfurt.

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