Nefeli Mavroeidi: »Aspekte wie Ressourcenschonung, Emissionsminderung, Kreislauffähigkeit und Klimaresilienz spielen heute eine viel größere Rolle als noch vor fünf oder zehn Jahren«
Thomas Geuder
6. Februar 2024
Nefeli Mavroeidi, Werner Sobek, Stuttgart / Frankfurt am Main (Foto © Werner Sobek)
Der Klimawandel ist eine Tatsache, weswegen für Nefeli Mavroeidi die Abkehr von fossilen Energien der einzige Weg der somit notwendigen Transformation nicht nur im Bau-, sondern in allen Sektoren ist. Die Teamleiterin Bauphysik & Nachhaltigkeit bei Werner Sobek Green Technologies in Frankfurt am Main beschäftigt sich deshalb seit vielen Jahren mit Themen der Nachhaltigkeit und ist in Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) engagiert. Ein Gespräch über die Notwendigkeit, die Nachhaltigkeitsthemen jetzt weiterzutreiben und nicht an alten Technologien hängenzubleiben.
Frau Mavroeidi, schaut man sich Ihren Lebenslauf etwas genauer an, so haben Sie sich recht bald nach Ihrem Architekturstudium dem Themenkomplex des energieeffizienten und nachhaltigen Bauens intensiv gewidmet. Was war für Sie ausschlaggebend für diesen Schritt weg vom Architekturentwurf und hin zur Nachhaltigkeit?Während meines Studiums wurde mir sehr schnell bewusst, dass wir als Architekten mit unseren Planungen und Entscheidungen einen großen Einfluss auf die Menschen und die Welt haben. Zu diesem Zeitpunkt begann ich, mich mit dem Thema Nachhaltiges Bauen auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dann auch bewusst für den Masterstudiengang »Energieeffizientes und nachhaltiges Bauen« entschieden.
Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Baubranche tatsächlich nicht neu. In den vergangenen Jahrzehnten wurde es aber allzu oft lediglich mit dem Aspekt der Energieeffizienz in Verbindung gebracht. Eine wichtige Entwicklung der letzten Jahre ist, dass wir uns heute bewusst sind, dass Nachhaltigkeit alle Bereiche unserer Planung betrifft und sehr umfassend ist. Aspekte Ressourcenschonung, Emissionsminderung, Kreislauffähigkeit und Klimaresilienz spielen heute eine viel größere Rolle als noch vor fünf oder zehn Jahren.
Aktivhaus Siedlung in Holzrahmenbauweise, Winnenden (Foto: Zooey Braun)
Das Motto der diesjährigen Messe Light + Building »Be electrified« – also die umfassende Elektrifizierung des technischen Gebäudeausrüstung – bedeutet zumindest für manche Bereiche eine tiefgreifende Transformation, die sich in Auseinandersetzungen wie der über die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes niederschlägt. Was empfinden Sie, wenn Sie solche Diskussionen verfolgen?Im Rahmen der ersten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ab 2023 wurde der bisher geltende Neubaustandard hinsichtlich des Jahresprimärenergiebedarfs angehoben. Mit der kürzlich in Kraft getretenen zweiten Novelle des GEG wird der Fokus auf die Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien gelegt. Dies bedeutet sicherlich eine Weiterentwicklung bzw. Umgestaltung der Wärme- und Kältebereitstellung bei Neubauten. Insbesondere bei Neubauten im innerstädtischen Bereich kann dies eine große Herausforderung darstellen. Hier ist der Einsatz effizienterer gebäudetechnischer Komponenten, beziehungsweise die Dekarbonisierung der Nah- und Fernwärmenetze entscheidend. Wenn wir unsere Klimaziele aber tatsächlich erreichen wollen, werden wir nicht um eine Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben herumkommen – besonders hinsichtlich der grauen Emissionen und des Ressourcenverbrauchs. Die große Transformation, die vor uns liegt, erfordert von allen Beteiligten große Anstrengungen. Das betrifft die Planer ebenso wie die ausführenden Firmen, die Bauherren und die Politik.
Der Ansatz, den wir bei Werner Sobek bezüglich der Planung von energieeffizienten und nachhaltigen Gebäuden verfolgen, ist im sogenannten Triple Zero Konzept zusammengefasst. Dieses Konzept wurde von Prof. Werner Sobek vor fast drei Jahrzehnten als einfache Faustformel zur Definition eines nachhaltigen Gebäudes entwickelt. Im Rahmen einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie und eines angepassten Energiedesigns streben wir danach, die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zunächst hauptsächlich durch passive Maßnahmen zu erhöhen. TGA-Komponenten ergänzen dann diese passiven Maßnahmen und sind wichtiger Bestandteil des Energiedesigns. Zusätzlich werden im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung Konzepte wie Abwärmenutzung, Eisspeichertechnologie in Kombination mit Solarenergie in die Gebäudekonzepte integriert.
Neubau Weidenbornstraße, Wiesbaden: Bürogebäude mit Sole-Wasser Wärmpumpe in Kombination mit Eisspeichertechnologie (Rendering: Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT)
Die Energiewende hin zur geplanten Klimaneutralität im Gebäudesektor hängt natürlich davon ab, wie die benötigte Energie erzeugt wird, aber auch maßgeblich davon, wie die regenerative Energie gespeichert werden kann. Ideen und Konzepte auf diesem Gebiet gibt es viele. Mit welchen Entwicklungen setzen Sie sich bei WS Green Technologies derzeit auseinander, die morgen oder übermorgen eingesetzt werden sollen?Das Thema Energiespeicherung und die nutzerorientierte Abstimmung von Gebäudebedarf und -verbrauch sind der Schlüssel für ein hocheffizientes und wirtschaftliches Energiekonzept. In unserem Alltag beschäftigen wir uns mit Themen wie Energieautarkie und klimapositiven Energiekonzepten. Konzepte wie Eisspeicher in Kombination mit Wärmepumpen und solarthermischen Kollektoren kommen immer häufiger zum Einsatz. Sie tragen gut dazu bei, Angebots- und Nachfrageschwankungen auszugleichen. Solche Konzepte eignen sich sowohl auf Gebäude- als auch auf Quartiersebene. Ein weiterer Bereich, mit dem wir uns derzeit beschäftigen und in dem wir ein enormes Entwicklungspotenzial sehen, ist die Integration der Wasserstofftechnologie in die Energiekonzepte.
AEB Headquarters in Stuttgart: Innovatives Energiekonzept mit der Nutzung des Sprinklertanks als Wärme- bzw. Kältespeicher (Foto: Roland Halbe)
Eins der obersten Ziele von Politik, Bauwirtschaft und anderer Sektoren ist die vollständige Dekarbonisierung. Doch nicht jede oder jeder hält die Abkehr von fossilen Energieträgern für sinnvoll, manche halten sie gar für falsch. Mit welchen vernünftigen Argumenten könnten Ihrer Meinung nach all jene letztlich doch überzeugt werden?Der Klimawandel ist eine Tatsache. Was wir heute erleben, wird hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht. Der Bausektor ist weltweit für ca. 60 % des Ressourcenverbrauchs und für mehr als 50 % der CO₂-Emissionen verantwortlich. Die Baubranche hat also den größten Hebel, wenn es um Ressourcen, Energieverbrauch und Emissionen geht. Es liegt in unserer Hand und in unserer Verantwortung, etwas zu verändern. Die Abkehr von fossilen Energieträgern, nicht nur im Bausektor, sondern in allen Sektoren, ist der einzige Weg, um die große Transformation erfolgreich zu meistern.
F87 in Berlin: Plusenergiehaus mit integrierter Elektromobilität (Foto © Matthias Koslik)
Innovationstreffpunkt: Light + Building 2024
Moderne Gebäudetechnik steht für effiziente Energienutzung, individuelle Komfortsteigerung und ganzheitliche Sicherheit. Ein elementarer Teil der gebauten Welt ist Licht. Deshalb spannt die Light + Building vom 3. bis 8. März 2024 in Frankfurt am Main den Bogen von intelligenter Lichttechnik bis hin zu zukunftsweisender Haus- und Gebäudetechnologie.
Über 2.000 Aussteller sind angemeldet, um ihre Innovationen auf dem gesamten Frankfurter Messegelände einem breiten Fachpublikum live zu präsentieren. Mit dem umfassenden Angebot zu Licht, Elektrotechnik, Haus- und Gebäudeautomation sowie vernetzter Sicherheitstechnik ist die Weltleitmesse ein Muss für Architekten, Innenarchitekten, Designer, Planer und Ingenieure ebenso wie für Handwerk, Handel und Industrie. Unter dem Motto „Be Electrified“ stellt die internationale Leitmesse die Elektrifizierung in den Fokus – die Grundlage für mehr Nachhaltigkeit und einen zukunftsfähigen Gebäudesektor.
Für Inspiration und Information sorgt das umfassende Eventprogramm. Auf der Design Plaza in Halle 3.1 dreht sich alles um Licht, Architektur und Gestaltung. Zum Programm gehören unter anderem Trend-Vorträge des Stilbüros bora.herke.palmisano, die Vergabe der Designplus Awards by Light + Building sowie Talks von Women in Lighting. In thematischer Nähe zur Haus- und Gebäudeautomation sowie zur Elektrotechnik bietet die Building Plaza in Halle 9.0 sowie das Technologieforum des ZVEI in Halle 12.1 Vorträge zu branchenrelevanten Themen.
Alle Informationen zu den Highlights im Rahmenprogramm der Light + Building unter:
www.light-building.com/events
Light + Building – Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik, 3. bis 8. März 2024:
www.light-building.messefrankfurt.com
Talks+Tours und Guided Tours mit 8 internationalen Expertinnen und Experten
World-Architects organisiert Talks+Tours mit Sophia Klees, Prof. Andreas Schulz (LICHT KUNST LICHT), und Guided Tours mit Prof. Clemens Tropp (TROPP LIGHTING DESIGN), Michael Burghaus (architekturbüro .pg1), Jan Nielsen (CONCEPTLICHT), Reinhard Germer (L-PLAN Lighting Design), Sabine De Schutter (Studio De Schutter) und Ulrike Brandi (Ulrike Brandi Licht). Die Guided Tours werden in deutscher oder englischer Sprache durchgeführt und dauern ca. 90 Minuten. Jede von ihnen zeigt Ihnen vom 3. bis 6. März individuelle Highlights auf der Light + Building in Frankfurt.
Light + Building Talks+Tours und Guided Tours – Information + Anmeldung
World-Architects ist Content-Partner der Messe Frankfurt