Zukunftsorientierter Wirtschaftsstandort

haascookzemmrich Studio2050
14. Juni 2023
Blick über den Stadtgraben (Visualisierung: Vize, Prague)
Westlich der Lübecker Altstadt plant die Hypoport SE den Campus Hypoport als innovativen Bürostandort und Headquarter für 800 Mitarbeitende auf einer Bruttogrundfläche  von 15.000 Quadratmetern. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Die Stadtentwicklung innerhalb der Pufferzone des UNESCO-Welterbes „Lübecker Altstadt“ erfordert einen sensiblen Umgang, insbesondere bei prominenten Lagen. Am westlichen Eingang zur historischen Altstadtinsel möchte die Hypoport SE einen neuen Campus als Headquarter errichten. Entstehen soll ein zukunftsorientiertes, innovatives Arbeitsumfeld für 800 Mitarbeitende, das die Qualitäten des Standortes aufgreift und eine Symbiose aus Gebäudekomplex, Freiflächen und Wassererlebnis schafft. Die städtebauliche Zielsetzung des zukunftsweisenden Ensembles ist die behutsame Einfügung in den Stadtraum in unmittelbarer Nähe des Wassergrabens bei gleichzeitiger Würdigung der nahegelegenen UNESCO-Welterbestätten. 

Das Grundstück befindet sich inmitten eines überwiegend bebauten Gebietes in zentraler Innenstadtlage, dass eine große Vielfalt an Gebäudetypologien aufweist. Im Norden und Westen dominieren Großstrukturen wie die Linden Arcaden, während im Süden angrenzend an den Lindenplatz Altbaustrukturen aus dem späten 19. Jahrhundert. Beeindruckende Bäume säumen die Wasserkante. Zudem bietet der Standort einen Panoramablick auf die heute geschützte Silhouette der Altstadt, die Lübeck den Namen „Stadt der sieben Türme“ gegeben hat.

Lageplan (Zeichnung: haascookzemmrich Studio2050)
Wie organisieren Sie die Gebäude?

Der Entwurf für den Hypoport Campus macht sich die Besonderheiten des Standorts zum Vorteil und soll ein Gebäude in gesunder, innovativer und zugleich wirtschaftlicher Form einen Raum für Arbeit und Kommunikation schaffen sowie eine zeitgemäße Antwort auf das selbstverständliche Ziel des ganzheitlich nachhaltigen Bauens geben. Demnach ist der dynamische neue Firmensitz als multifunktionales Gebäude im Sinne eines „New Work“-Konzeptes geplant und gestaltet. Der Netzwerkgedanke ist ein starkes Leitmotiv, das durch die Architektur dargestellt und erlebbar gemacht werden soll. Das neue Gebäude ist flexibel, um den sich ständig verändernden Arbeitsformen gerecht zu werden. Neben Büroflächen sind eine Vielzahl von Besprechungsräumen und Vernetzungsflächen enthalten, die den Austausch und die Begegnung fördern und in denen unterschiedliche Veranstaltungen stattfinden. Darüber hinaus sind öffentliche und halböffentliche Einrichtungen wie ein Café und eine Kindertagesstätte integriert. Das Projekt verlangt, die Qualitäten des Ortes zu erkennen und eine Verbindung von Gebäudekomplex und Freiräumen herzustellen.

Der Haupteingang des Hypoport Campus ist nach Süden zum Lindenplatz ausgerichtet. Die erhöhte Eingangsterrasse bietet einen großzügigen öffentlichen Vorplatz mit Panoramablick auf den Stadtgraben und die historische Stadtsilhouette dahinter. Die auskragende Form des Gebäudes zelebriert den Haupteingang und bietet einen baulichen Wetterschutz. 

Die Hauptaufzüge und die Treppe befinden sich in direkter Sichtweite der Rezeption. Die externen Beratungsräume befinden sich im Erdgeschoss zur Straße hin und direkt gegenüber dem Empfang. Das Café öffnet sich ebenfalls zur Eingangsterrasse hin und befindet sich in prominenter Lage am Wasser.

Der dynamische Charakter des zentralen Innenhofs wird durch Besprechungsräume, den Multifunktionsraum, den Fitnessraum und angrenzende Büroflächen noch verstärkt. Die Café-Points/Lounges bilden eine Reihe von sozialen Treffpunkten im Gebäude und befinden sich meist in der Nähe von Außenterrassen und Dachgärten.

Vier Etagen Bürofläche bieten einer Durchmischung aus Flex- und Fix-Arbeitsplätzen. Die Offenheit der Etagen ermöglicht ein Höchstmaß an Flexibilität und schafft so eine „bespielbare Bühne“, auf der das gewünschte Angebot an Open-Space-/Silent-Space-/3er-/4er-Büros und Fokusbereichen entsprechend den Anforderungen zeitgemäßer Arbeit angeordnet werden kann. 

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: haascookzemmrich Studio2050)
Was macht das Besondere des Gebäudes aus?

Der neue Hypoport Campus soll ein zukunftsorientierter Wirtschaftsstandort sein, der nicht nur ein breites Spektrum an unterschiedlichen Büroflächen, sondern auch eine Reihe von ergänzenden Nutzungen beherbergt, die für den Erfolg der modernen Arbeitswelt unerlässlich sind. Der Entwurf sieht eine hochflexible, offene Struktur vor, die leicht angepasst werden kann, um ein vielfältiges, wechselndes Raumangebot und verschiedene Formate für Networking und Begegnungsmöglichkeiten zu bieten. Die Arbeitsplätze sind in einem sehr ausgeprägten Gebäude untergebracht, das sich über eine Reihe von Terrassen öffnet, um die einzigartigen Eigenschaften des Standorts zu würdigen und Panoramablicke auf die historische Silhouette zu eröffnen. Die Terrassen und Ausblicke werden als eine wesentliche und inspirierende Erweiterung des Arbeitsplatzes angesehen.

Die vier sehr unterschiedlichen Situationen an den Grundstücksgrenzen prägen die Gebäudeform. Die eher konventionellen vertikalen Fassaden im Norden und Westen reagieren direkt auf die benachbarten Gebäude und verstärken die Stadtränder. Im Gegensatz dazu steht die ausdrucksstarke Form des zentralen Innenhofs, der sich zum Stadtgraben und zur Altstadt hin öffnet. Diese einfache Strategie ermöglicht es, ruhigere Räume, die für konzentriertes Arbeiten erforderlich sind, an den Rändern des Gebäudes anzuordnen, während die weniger formellen Räume für Kommunikation und Regeneration offenstehen und den Blick auf die Natur und die spektakuläre Aussicht freigeben!

Inspirierendes Arbeitsumfeld (Piktogramm: haascookzemmrich Studio2050)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Das Projekt stellt eine einzigartige Gelegenheit dar, zu zeigen, wie ein moderner Arbeitsraum in Form eines Campus ein neues Tor zu einer historischen Stadt bilden kann.

Unser Vorschlag gibt eine äußerst sensible Antwort auf die Herausforderungen, die mit der Errichtung eines Hauptsitzes in unmittelbarer Nähe zum UNESCO-Welterbe "Lübecker Altstadt" verbunden sind. Das Haus vermittelt behutsam zwischen den Maßstäben von Stadt und Wasserkante. Die wohl proportionierte Bandfassade ermöglicht eine optimale Tageslichtbeleuchtung und nimmt dabei die Farben und Materialien der Altstadt auf. Die Qualität des Arbeitsumfelds in Bezug auf Komfort, Materialien und Ausblicke bleibt eine treibende Kraft bei der Gestaltung des Gebäudes. Die Stadt wird als eine Erweiterung des Arbeitsbereichs betrachtet, die Silhouette der Stadt und ihre Höhepunkte sind vom Inneren des Gebäudes aus deutlich erlebbar, unterstützt von der großzügigen Öffnung zum Innenhof oder den Terrassen und Dachgärten. Über das Gebäude und seine künftigen Nutzer hinaus ist auch die Einbindung und Gestaltung der Außenanlagen von großer Wichtigkeit. Diese müssen mit blumen- und artenreichen Grünflächen und einem naturnahen Uferbereich mit sehr hoher Aufenthaltsqualität und möglichst geringem Versiegelungsgrad entwickelt werden. Ziel ist es, die Artenvielfalt zu fördern, um das Biotop zu stärken. Jeder zukünftige Weg entlang der Uferseite muss ein Erlebnis sein, das das Leben, Arbeiten oder den Besuch in der Stadt Lübeck bereichert. 

Innenhof (Visualisierung: Vize, Prague)
Gibt es Besonderheiten zu den Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit?

Das Projekt bietet der Hypoport SE die Möglichkeit, ihr Engagement für „Nachhaltigkeit in der Architektur“ zu demonstrieren, indem sie das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belangen und dem langfristigen Wert beim Bau und Betrieb eines Gebäudes definiert. Das Gebäudeensemble wird eine inspirierende, kreative Arbeitsumgebung für die Belegschaft bieten und das Thema Nachhaltigkeit exemplarisch verkörpern. 

Der Hypoport Campus wird als moderne, innovative Betonstruktur mit minimierten Betonvolumina realisiert. Der Fokus bei der Tragstruktur liegt auf einer langlebigen, robusten und im Gegensatz zu konventionellen Bauten auf einem reduziertem Ressourceneinsatz und damit geringerer verbauter grauer Energie.

Der mehrgeschossige Baukörper wird über zwei Untergeschosse errichtet. Neben CEMIII sollen auch recyclierte Zuschlagsstoffe für alle relevanten Bauteile (je nach Expositionsklasse) zum Einsatz kommen. Die darüber sehr flächig errichteten Obergeschosse sind in der Gesamtform an die Baugrenzen angepasst und daher eher frei geformt. Allerdings sind an den Gebäuderändern sehr regelmäßige Achsraster angeordnet, die dort sehr rationale Bausysteme zulassen. Hier wird über zwei Felder eine innovative, carbonvorgespannte Trapezdecke eingesetzt, die mit nur ca. 4cm Bauteildicke den Betonverbrauch drastisch minimiert. 

Im Ausbau werden bevorzugt Materialien mit einem geringen CO2-Fußabdruck und hoher Recyclierbarkeit, zum Beispiel Holz oder Lehm, verwendet. Insbesondere Lehm hat herausragende physikalische Eigenschaften: thermische Masse, hohe Sorptionsfähigkeit, die ausgleichend auf die Raumluftfeuchte einwirkt und die Raumluftqualität verbessert.

Mit dem Energie- und Lüftungskonzept soll ein robustes, einfach und effizient zu betreibendem Hause entstehen. Die Fähigkeit, flexibel auf sich ändernde Randbedingungen zu reagieren, stellt die langfristige Nutzung sicher. Eine Grundvoraussetzung für ein nachhaltiges Gebäude.

Der Nutzer steht im Mittelpunkt. Er soll sich in seinem Gebäude wohlfühlen. Das Gebäude soll aber auch eine positive Auswirkung auf die Umwelt haben, mehr Energie erzeugen als für den Betrieb benötigt wird. Und zugleich durch die Gestaltung der Dachbegrünung und des Außenraums die Grundlagen für eine Optimierung der Biodiversität an diesem Standort legen.

Das Konzept besteht dabei aus einer abgestimmten Kombination von passiven, baulichen Maßnahmen, insbesondere zum baulichen Wärmeschutz und zur flexiblen Be- und Entlüftung der Räume je nach Nutzungsanforderung. Wo erforderlich, wird effiziente Lüftungstechnik gezielt eingesetzt. Die thermische Konditionierung erfolgt lautlos und ohne spürbare Zugerscheinung, um optimalen Komfort zu erreichen.

Blick auf den Hypoport Campus in Lübeck (Visualisierung: Vize, Prague)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Das Projekt befindet sich noch in der Konzeptphase, die Gespräche mit der Stadt und verschiedenen Stakeholdern werden fortgesetzt. Wir freuen uns darauf, dieses Projekt in Zukunft zu verwirklichen und diesen kritischen, noch ungelösten Teil der Stadt zu vervollständigen.

Schwarzplan (Zeichnung: haascookzemmrich Studio2050)
Hypoport Campus in Lübeck
Einladungswettbewerb
 
Auslobung: Hypoport SE, Hypoport hub SE, Hansestadt Lübeck
Betreuung: [phase eins] Hossbach Lehmhaus Architekten, Berlin
 
Jury
Bertel Bruun, Landschaftsarchitekt, Hamburg | Christiane Flasche, Architektin, Berlin | Joanna Hagen, Bausenatorin, Lübeck | Prof. Jörg Springer, Architekt, Berlin | Klaus de Winder, Architekt, Berlin | Ina Jansen, Hypoport hub SE, Berlin | Christopher Lötsch, Vorsitzender des Bauausschusses der Lübecker Bürgerschaft | Michael Neumann, Dr. Klein Privatkunden AG, Lübeck | Caroline Theißen, Hypoport hub SE, Berlin
 
1. Preis
haascookzemmrich Studio2050 PartGmbB, Stuttgart | Martin Haas David Cook Stephan Zemmrich, mit llLab, Shanghai (Phase I)
Mitarbeit: Evgenii Varlygin, Adam Unger, Matthias Jänicke, Lingyang Xu
Ramboll Studio Dreiseitl Landschaftsarchitekten, Überlingen | Hendrik Porst
Tragwerksplaner: Schlaich Bergermann Partner, Stuttgart | Sven Plieninger, Sandra Niebling
Klima Engineering: Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart | Helmut Meyer, Jasmin Gärtner
Brandschutz: hhpberlin, Hamburg, Jochen Zehfuß
Verkehrsplaner: BS Ingenieure, Ludwigsburg, Frank P. Schäfer
Visualisierung (Phase II): Vize, Prague
 
2. Preis
C.F. Møller Deutschland GmbH, Berlin | Julian Weyer, Heiko Weissbach
Mitarbeit: Klaus Toustrup, Heiko Weissbach, Jonas Toft Lehmann, Caspar Kollmeyer, Sini Huttunen, Jakob Hillert, Niloufar Rahimi, Ditlev Kardyb, Joanna Lipnicka, Aleksandra Joanna Kreft
Tragwerk: Schlaich Bergermann Partner sbp GmbH, Stuttgart | Knut Stockhusen
Brandschutz: IB Wackermann GbR, Hamburg, Tim Barghusen
Visualisierung: Aesthetica Studio, Barcelona

Andere Artikel in dieser Kategorie