Werftensemble

NEW Architekten
13. Dezember 2023
Ein Werftensemble für das Deutsche Marinemuseum Wilhelmshaven. Die Erweiterung stärkt den Charakter des Ortes. (Modellfoto: NEW Architekten)
Das 1998 am Verbindungshafen Wilhelmshaven in einem historischen Werftgebäude errichtete Deutsche Marinemuseum soll baulich erweitert werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Besser wäre es von zwei Ausgangslagen zu sprechen. Da wären zum einen die im Freiraum gelegenen Großexponate zu nennen, die mit dem Zerstörer D186 Mölders eine weithin sichtbare Landmarke ausbilden, und mit dem an Land aufgebockten U-Boot Typ 205 zusätzlich einen sehr außergewöhnlichen Anblick. Entsprechend stark sind bereits Präsenz und Außenwirkung des Deutschen Marinemuseums in Wilhemshaven, und die Architektur muss diese Aufgabe nicht zwingend übernehmen oder erfüllen. Womit wir auch beim zweiten Teil wären, den Bestandsgebäuden. Das historische Werftgebäude bildet dabei die Keimzelle des Areals und ist Ende der 1990er-Jahre erstmalig um einen Anbau an beiden Längsseiten erweitert worden. In seiner Form und Gestalt setzt er sich stark von den historischen Ziegelbauten ab. Unser oberstes Ziel war es also architektonisches Stückwerk zu vermeiden und mit einer einenden Großform die nötige Ruhe zu schaffen. Sozusagen die Kulisse für die Großexponate.

Einladend empfangen: Mit Blick über das Hafenbecken auf den erweiterten Vorplatz und die Staffelung der Großexponate (Modellfoto: NEW Architekten)
Wie fanden Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Hier ist vorrangig das historische Werftgebäude als Referenz zu nennen, sowohl in Bezug auf die Kubatur als auch die Ausrichtung. Das dort umgesetzte Satteldach haben wir in seiner Form und Neigung für die Neubauten übernommen und es entsteht die für eine Werft archetypische Silhouette. Damit einher geht logischerweise die Ausrichtung der Baukörper beziehungsweise auch die Tiefe der Neubauten. Sie bemisst sich an der Tiefe der bereits vorhandenen Anbauten und verlängert diese lediglich in Längsrichtung. Schlussendlich bleibt noch die Gebäudehöhe zu nennen. Hier war für uns klar, dass keine Konkurrenz zum Werftgebäude entstehen sollte und alle Anbauten dementsprechend eingeschossig ausgebildet. 

Der Erweiterungsbau schafft eine räumliche Fassung und den Übergang in den Außenbereich des Museums (Modellfoto: NEW Architekten)
Wie organisieren Sie die Erweiterung des Deutschen Marinemuseums?

Hauptbestandteil der jetzigen Erweiterung sind die Flächen für Wechselausstellung sowie Veranstaltungsräume. Im Bestand sind diese beiden Positionen aktuell vereint, durch deren Verlagerung stehen diese Flächen dann auch der Dauerausstellung zur Verfügung. Shop und Café sind ebenfalls im Erdgeschoss angesiedelt und lediglich die Museumsverwaltung sitzt in den Obergeschossen. Eine zusätzliche Treppe und ein weiterer Aufzug können so vermieden werden, alle Bereiche mit Besucherverkehr liegen ebenerdig auf einem Niveau. Der Erweiterungsbau dockt an die vorhandenen Ausstellungsräume an und bildet die Schnittstelle zum Außenraum. Die Großexponate im Außenraum werden so in den klassischen Museumsrundgang mit eingebunden. 

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: NEW Architekten)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Wie eingangs bereits erwähnt hat besonders der Ortsbezug und die architektonische Einheit des neuen Gebäudeensembles für uns höchste Priorität. Diese Themen setzen sich auch in der Materialwahl und Bauweise fort und münden schließlich in der Frage nach dem nötigen Energieeinsatz. Uns war es wichtig die Bestandsstruktur größtmöglich zu erhalten und darüber hinaus ein hohes Maß an Nutzungssynergien zu erzeugen. Logischerweise zielt all das auf ein möglichst einfaches Haus ab, in dem die Architektur an sich Lösungen formuliert und nicht auf Kompensationen irgendeiner Art angewiesen ist.

Ansichten und Längsschnitt Erweiterungsbau (Zeichnungen: NEW Architekten)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Grundgerüst ist ein Holzbau. Das hat für uns neben ökologischen und ökonomischen Gründen vor allem auch atmosphärische. Wir wollen hier bewusst die Analogie zum Spantenbau aufnehmen und sichtbar machen. Bezüglich der Hülle und äußeren Erscheinung ist uns entsprechend der Großform an einer Verwandtschaft zum historischen und ortstypischen Ziegel gelegen, zugleich wollen wir aber die unterschiedlichen Entstehungszeiten nicht ausradieren. Unsere Wahl ist deswegen auf einen vorgehängten, hinterlüfteten Ziegel als Wand- und Dachbekleidung gefallen. Stofflich entsprechen sich somit die Baukörper, hinsichtlich der Fügung entsteht hingegen eine feine Unterscheidung. Darüber hinaus spielt in unserer Wahl auch der küstennahe Standort eine wesentliche Rolle in Bezug auf die Materialgerechtigkeit. Eine möglichst hohe Langlebigkeit sowie eine würdevolle Alterung sehen wir sowohl über den Ziegel als auch dessen Verlegung gegeben.

Konstruktiver Fassadenschnitt und Ansicht (Zeichnung: NEW Architekten)
Bauliche Erweiterung Deutsches Marinemuseum in Wilhelmshaven
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Stiftung Deutsches Marinemuseum, Wilhelmshaven
Betreuung: comp | ar strategien für architektur und städtebau, Dortmund
 
Jury
Prof. Dr.-Ing. Volker Droste, Architekt, Oldenburg (Vors.) | Thomas Knüvener, Architekt und Landschaftsarchitekt, Köln | Gesa von Grote, Architektin und Szenografin, Berlin | Gert Leissing, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Bau und Liegenschaften, Hannover | Nikša Marušić, Stadtbaurat, Wilhelmshaven | Dr. Stephan Huck, Museumsleiter, Deutsches Marinemuseum Wilhelmshaven | Prof. Dr. Michael Epkenhans, Präsident des Kuratoriums der Stiftung Deutsches Marinemuseum Wilhelmshaven | Prof. Dr. Rolf Wiese, Vorsitzender des Museumsverbandes Niedersachsen-Bremen e.V. | Fregattenkapitän Dr. Leonie Hieck, Wiss. Mitarbeiterin im Referat Museums- und Sammlungswesen des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam
 
1. Preis
NEW Architekten GbR, Köln | Friedrich Keuthen, Michael Weichler
GROW Landschaftsarchitektur Evers/Czerniejewski Landschaftsarchitekten Part. mbB, Köln | Johannes Czerniejewski, Joachim Evers
Mitarbeit: Olivia Clarke
 
2. Preis
Ackermann + Renner Architekten GmbH, Berlin | Georg Ackermann
birke · zimmermann landschaftsarchitekten, Berlin | Claudia Zimmermann
Mitarbeit: Lucia Odriozola Vellella, Sören Henssler
 
3. Preis
POOL LEBER ARCH. Architekten + Stadtplaner PargG mbB, München | Martin Pool, Isabella Leber
Zaharias Landschaftsarchitekten, München | Gabriella Zaharias
Mitarbeit: Francesca Sbaffi, Lajz Capaliku, Athena Homozi

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