Blaugrünes Tor für den Smart Campus der Zukunft

GREENBOX Landschaftsarchitekten
9. August 2023
Entrée Siemensstadt Square (Visualisierung: Rendercircle)
Im Januar 2020 gewannen O&O Baukunst mit capattistaubach Landschaftsarchitekten den städtebaulichen Wettbewerb um die Siemensstadt 2.0 in Berlin. Danach folgte die Entscheidung des Hochbauwettbewerbs für das Modul 1 und die Änderung des Titels »Siemensstadt 2.0« zu »Siemensstadt Square« durch ein öffentliches Voting. Als nächster Schritt folgte der jetzt entschiedene freiraumplanerischer Wettbewerb, mit dem die Gestaltung der Freiräume des ersten Bauabschnitts festgelegt werden. Welche Antworten gibt Ihr Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?

Als historisch gewachsenes Viertel ist die Siemensstadt ein bedeutender Baustein im Berliner Bezirk Spandau. Das neue Quartier am Rohrdamm soll zukünftig städtische Qualitäten einer nachhaltigen Lebens- und Arbeitswelt definieren. Hierfür gilt es Anforderungen wie klima- und artengerechte Bepflanzung, Regenwassermanagement, Barrierefreiheit, Anbindung an das bestehende Verkehrsnetz sowie öffentliche Nutzungsmöglichkeiten zu bedenken und umzusetzen.
Mit unserem Entwurf setzen wir auf ein Zusammenspiel aus bestehenden und neuen Strukturen. So war es uns wichtig, als Reminiszenz an die Geschichte der Siemensstadt wichtige Blick- und Raumbeziehungen der architektonischen Kulisse – wie dem Schaltwerkhochhaus und Verwaltungsgebäude – zu ermöglichen. Aber auch die Wirkung und Wahrnehmung der neuen Architekturen in Form des Atriumhauses, des Pavillons und des Hochhauses werden durch das Freiraumkonzept unterstützt. So bildet ein einladendes Entrée und Eingangstor für die Bürgerinnen und Bürger eine offene und urbane Bühne mit blaugrünen Elementen, auf der spaziert, verweilt und kommuniziert werden kann. Den Aspekten der Nachhaltigkeit und der digitalen Zugänglichkeit von Stadt und Quartier haben wir dabei in den Freiräumen bedeutende Rollen zugeschrieben.

Nutzungen am Smart Campus der Zukunft (Zeichnung: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Bei der Gestaltung der einzelnen Bereiche haben wir den Fokus auf eine einladende, bürger- und besucherfreundliche Planung mit viel grünen und blauen Strukturen gelegt. Unter der Überschrift «sozial, ökologisch und ökonomisch» sowie «digital, nachhaltig und energieeffizient» wird sich der Platz in eine spannungsreiche Abfolge verschiedener Raumtypologien gliedern, die als Einheit auf die verschiedensten Belange der Nutzer reagieren. So bildet der »Klima-Garten« mit seinen großzügigen Tiefbeeten die blau-grüne Lunge des Platzes. Die »Siemens Gallery« hingegen bietet zum Auftakt des Siemens-Boulevards einen analog-digitalen Erlebnisraum und das »Blaue Forum« stellt als multifunktionale Stadtbühne und Stadtplatz das repräsentative Entrée dar. Das »Grüne Forum« sowie das adressbildende »Stadt-Foyer« wiederum vervollständigen in Kombination mit dem Infopavillon die Symbiose von Nachhaltigkeit und funktionaler Nutzung zu einer gestalterischen Gesamtlösung. 

Lageplan (Zeichnung: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Wie detaillieren Sie die Teilbereiche Gallery und Foren?

Von der Mitte des Eingangsplatzes leitet die »Siemens Gallery« direkt auf den Boulevard. Ein Zeitstrahl und sogenannte »Smartboxes« machen hier die Vergangenheit und Zukunft der Siemensstadt lebendig. Mit den Smartboxes haben wir wettergeschützte Informationspunkte entworfen, die digitale und analoge Inhalte vermitteln. Sie werden über PV-Anlagen betrieben und bieten neben ihrer analogen Funktion als Treff- und Orientierungspunkt und auch die Möglichkeit über QR-Codes und WiFi-Anbindung digitale Inhalte zur historischen und neuen Siemensstadt zur Verfügung zu stellen. Somit inszeniert die Siemens Gallery einerseits den grünen Auftakt des quartiersverbindenden Boulevards und bietet gleichzeitig einen eigenständigen Erlebnisraum, der es den Besucherinnern und Besuchern ermöglicht auf verschiedenen Ebenen in den Ort einzutauchen. 
Das »Blaue Forum« erhält als Stadtplatz ein interaktives Fontänenfeld. In Kombination mit Nebeldüsen, atmosphärische Beleuchtungsszenarien und in Masten integrierten Lautsprecher entsteht hier ein einladender Verweilort. Verschiedene Akteurinnen und Akteure können das Forum zudem als Stadtbühne für multifunktionale Veranstaltungen nutzen. Das »Grüne Forum« haben wir als Garten der Begegnung mit mobilem Stadtmobiliar unter Bäumen angelegt. Hier sollen zusätzlich unterirdische Tanks zur Regenwasserversickerung entstehen. Und auch der »Klima-Garten« bietet mit seinen bepflanzten Tiefbeeten viel Raum für die Regenwasserversickerung. Ruhige Aufenthaltsbereiche unter Bäumen erfüllen das Bedürfnis der Stadtbevölkerung nach Schatten und Rückzug.

Lageplanausschnitt Gallery (Zeichnung: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Lageplanausschnitt Foren (Zeichnung: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Gibt es Besonderheiten zum Thema Nachhaltigkeit?

Wir legen großen Wert auf den Einsatz nachhaltiger Materialien. Deshalb bestehen Oberflächen und Pflanzflächen, sowie das Mobiliar und die Sonderausstattung so weit möglich aus nachhaltigen und recycelten Rohstoffen mit dem übergeordneten Ziel der CO2-Neutralität. Dem Prinzip »Cradle to Cradle« folgend werden konsequent kreislauffähige Materialien, beispielsweise in Form von versickerungsfähigem Recycling-Beton, verwendet. Die benötigten Rohstoffe bleiben somit in der Kreislaufwirtschaft erhalten. Ein intelligentes Regenwassermanagement, unversiegelte Pflanzflächen, und Gehölzneupflanzungen beeinflussen durch Staubbindung, Verdunstungskühle und Verschattung das Mikroklima positiv. Artenreichtum in den Pflanzungen fördert gleichzeitig die Biodiversität und Klimaresilienz. Für die soziale Nachhaltigkeit etablieren wir neben den zahlreichen Grünstrukturen offene, barrierefreie Orte für Gemeinschaft und Information.

Nachhaltigkeit (Diagramm: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Was schlagen Sie zum Thema Stadtlicht und Stadtmöblierung vor?

Auch bei der allgemeinen Ausstattung und den Sonderkonstruktionen ist uns von Anfang an ein ressourcenschonender und kreislaufwirtschaftlicher Umgang mit den benötigten Rohstoffen sehr wichtig. Das Standardmobiliar aus Abfallbehältern, Radbügeln, Mast- und Pollerleuchten wird daher aus wiederverwertbarem, feuerverzinktem Stahl gefertigt.Die Sitzelemente im Bereich «Blaues Forum» und »Klima-Garten« sollen aus Recycling-Beton und FSC-zertifiziertem Holz bestehen.
Zu den besonderen Möblierungselementen gehören die «Smartboxes» und das »Willkommenstor« in der »Siemens Gallery» sowie zwei Sondermastleuchten im »Blauen Forum«. Das »Willkommenstor« steht an zentraler Stelle, vor Kopf der »Siemens Gallery«. Dieses Tor aus wiederverwertbarem Stahl mit Schriftgravur empfängt die Besucherinnen und Besucher und leitet unmittelbar auf den zentralen Quartiersboulevard. Gleichzeitig werden von dieser Stelle aus Blicke auf die historischen sowie neuen Gebäude und übrigen Freiflächen ermöglicht, sodass das »Willkommenstor« zu einem Anker der Orientierung auf dem Platz wird.
Durch das Instrument Licht lassen sich außergewöhnliche sowie alltägliche Veranstaltungen stimmungsvoll auf dem »Blauen Forum« inszenieren. Die Sondermastleuchte beispielsweise ermöglicht interaktive Lichtinstallationen durch integrierte Gobo-Projektoren, indem austauschbare Masken im Gehäuse spannungsvolle Lichttexturen erzeugen, die auf den Boden projiziert werden.

Beleuchtung (Diagramm: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Möblierung (Diagramm: GREENBOX Landschaftsarchitekten)
Was wird die Qualität des Eingangsplatzes Siemensstadt Square ausmachen?

Das Entrée von Siemensstadt Square wird das »Gesicht« des neuen Stadtteils von Berlin: hier werden die Besuchenden ankommen, hier entsteht der öffentliche Info-Pavillon. In einer einladenden Geste leitet die »Siemens Gallery« von der Mitte des Eingangsplatzes direkt auf den Boulevard, der in den neuen Stadtteil führen wird und eine selbstverständliche Verknüpfung mit der Nachbarschaft herstellt. Wir wollten mit unserem Entwurf eine abwechslungsreiche Vielfalt an unterschiedlich programmierten, barrierefreien Räumen schaffen, die nicht nur mit hoher Aufenthaltsqualität überzeugen, sondern auch auf die Anforderungen des Klimawandels reagieren und sich mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzen. 

Siemens Gallery (Visualisierung: Rendercircle)
Siemensstadt Square (Visualisierung: Rendercircle)
Ist schon eine weitere Planung Arbeit?

Die Planung und Gestaltung der Freiflächen des 20.000 Quadratmeter großen Areals wurden in einer ersten Stufe bis einschließlich Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) beauftragt. 

Eingangsplatz Siemensstadt Square in Berlin
Einladungswettbewerb
 
Auslobung: Siemens AG, vertreten durch Siemens Real Estate
in Abstimmung mit Land Berlin, vertreten durch Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Abteilung II Städtebau und Projekte, Referat II A - Innere Stadt und Hauptstadtangelegenheiten, in Zusammenarbeit mit Referat II D - Architektur, Stadtgestaltung, Wettbewerbe
 
Jury
Michael Kaschke, Landschaftsarchitekt, Hamburg | Carla Lo, Landschaftsarchitektin, Wien | Tobias Micke, Landschaftsarchitekt, Berlin | Marianne Mommsen, Landschaftsarchitektin, Berlin | Petra Kahlfeldt, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin, Land Berlin | Stefan Kögl, Architekt, Siemens AG, Berlin | Jan Rehders, Architekt, Siemens AG, Berlin | Thorsten Schatz, Bezirksstadtrat, Bezirksamt Spandau von Berlin
 
1. Preis
GREENBOX Landschaftsarchitekten Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln | Hubertus Schäfer
Mitarbeit: Max Kumetat, Malavika Sheela Retna, Matthias Morsch, Tobias Bick, Jonas Kramer
 
2. Preis
POLA Landschaftsarchitekten, Berlin | Jörg Michel
Mitarbeit: Sarah Perovic, Holly Hein
Visualisierung: Studio Mau (Carvalho, Magalhāes)
 
3. Preis
gm013 giencke landschaftsarchitektur, Berlin | Paul Giencke
Mitarbeit: Yotam Olshaker, Keqi Lu, Yihan Fang, Lars Durm

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