Modernisierung und Reattraktivierung des Deutschen Meeresmuseums, Stralsund

Angemessene Maßstäblichkeit

Reichel Schlaier Architekten - mit büro münzing und nsp christoph schonhoff
11. April 2018
Foyer

In Stralsund soll das Deutsche Meeresmuseum grundlegend modernisiert, saniert, sowie barrierefrei hergerichtet werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Ausgangssituation ist das Stammhaus des Deutschen Meeresmuseums im wunderschönen historischen Katharinenkloster inmitten der Stralsunder Altstadt das den zeitgemäßen Anforderungen an einen Museumsbau angepasst und um neue Attraktionen erweitert werden soll. Das Dominikanerkloster mit seiner fast vollständig erhaltenen gotischen Substanz beherbergt bereits seit 1951 naturkundliche Sammlungen. Das Deutsche Meeresmuseum ist mit seinen 4 Standorten Natureum, Nautineum und Ozeaneum und dem Stammhaus, dem Meeresmuseum, eines der vom Bund geförderten „Leuchtturmprojekte“ im Blaubuch national bedeutsamer Kultureinrichtungen.

Bestand Nordhof und Haupteingang

Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?
Die Altstadt der Hansestadt Stralsund gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Die Herausforderung lag darin, die Klosteranlage in angemessener Maßstäblichkeit zu erweitern und nicht zu dominieren. Die Neubauten sollen die Feingliedrigkeit der gotischen Bebauung ergänzen und sich in den historischen Kontext einfügen.

Bestandsgebäude und Neubauten

Wie re/organisieren Sie die Nutzungen?
Zunächst haben wir den Zugang samt Foyer neu organisiert und den heutigen Anforderungen angepasst.
Vom schönen Nordhof aus betritt der Besucher den neuen Eingangsbereich des Meeresmuseums der sich nun im ehemaligen Forum befindet. Der große Raum bietet Platz für die Kassen- und Informationstresen sowie Treppe und Aufzug zu den WC- und Garderobenbereichen im Untergeschoss. Der großzügige Shop funktioniert durch seine Lage am Platz auch unabhängig vom Museumsbetrieb. Der rückwärtige Bereich zwischen Forum und alter Stadtmauer erweitert das Foyer, bietet ausreichend Platz zum Verweilen und Treffen, auch an besucherstarken Tagen und dient als räumliches Bindeglied zwischen Beginn und Ende der Ausstellung.

Den Rundgang durch die Ausstellung haben wir vereinfacht und die neuen Bausteine, das Großfischaquarium sowie das 3D-Kino, in den Rundgang aufgenommen. Die Aquarienbereiche, die sich bisher in den Untergeschossen befinden, werden komplett überarbeitet.

Grundriss Erdgeschoss
Schnitt Katharinenhalle
Schnitt 3D-Kino und Großfisch-Aquarium

Können Sie uns um das Projekt führen, als ob es schon fertiggestellt wäre?
Mit dem zentralen Eintritt in die Katharinenhalle öffnet sich der Blick des Besuchers bis in die Gewölbe des alten Kirchenschiffes. Eine ergreifende Jagdszene der Meerestiere bildet den Auftakt des Rundgangs. Der Rhythmus der Ausstellung wird durch vier Großvitrinen bestimmt, die von allen Ausstellungsebenen einsehbar sind. Die eindeutige Wegeführung führt die Besucher an allen Ausstellungselementen vorbei. Ein neuer Aufzug seitlich des Chors sorgt für eine barrierefreie und kinderwagenfreundliche Erschließung. Das markante Stabtragwerk soll in seinem Wesen erhalten bleiben. Lediglich im Eingangsbereich sowie an den Großvitrinen wird dieses zurückgebaut, um großzügigere Durchblicke zu schaffen. Die vorhandenen Geländer werden durch zurückhaltende Elemente ersetzt. Die neue Ausstellung inszeniert die Exponate so, dass die Raumwirkung der Katharinenhalle maßgeblich erhalten bleibt. Dabei sollen wesentliche Exponate, die in der Geschichte des Meeresmuseums eine besondere Bedeutung haben (wie z. B. der Eisbär, die Krake oder die Lederschildkröte) in der Ausstellung besonders hervorgehoben werden.
Im Obergeschoss des Klosters werden entlang der Route die Sonderausstellung und die Museumspädagogik untergebracht. Durch die geöffneten Fassaden wird die Klosteranlage nun auch vom Meeresmuseum aus erlebbar.

Über einen Steg, der schöne Blicke in den Direktionshof und somit Orientierung auf dem Gelände bietet, betritt man den Besucherbereich des neuen Großfischbeckens. Durch eine große Scheibe schaut man über die Wasseroberfläche. Dieser Ort bietet auch an besucherstarken Tagen ausreichend Platz. Im Boden eingelassene Scheiben und Zylinder ermöglichen spannungsvolle Einblicke in die Tiefen der Meere. Eine große hydraulisch absenkbare Ebene bringt den Besucher auf einer spektakulären Fahrt hinunter zum „Meeresboden“. Dabei kann der den 360°-Rundumblick durch den großen Acrylzylinder genießen.

Vom Großfischbecken gelangt man über einen verglasten Tunnel, der nochmals spannende Einblicke nach oben in das Becken ermöglicht, in die Welt der Aquarien. Von hier an folgt der Besucher der geheimnisvollen Reise durch Karibik, Pazifik, Indischem Ozean bis zum Roten Meer.

Der Bereich vor dem Schildkrötenbecken ermöglicht großzügige Durchblicke nach oben in die darüber liegenden Geschosse. Damit kommt die Größe des Schildkrötenbeckens besonders zur Geltung. Große Sitzstufen mit Blick auf das Becken bieten Platz zum Verweilen. Über eine schöne Treppe gelangt der Besucher auf einem attraktiven Weg mit Blick in das Becken wieder nach oben. Diese Treppe führt weiter direkt hinauf zum neuen 3D-Kino, welches als Obergeschoss auf das bestehende Schildkrötenbecken aufgesetzt ist. Das 3D-Kino kann in die Route integriert, aber auch für separate Abendveranstaltungen eigens zugänglich abgetrennt werden, ohne dass der Besucherrundgang davon betroffen ist. So kann dieser Abendzugang über das Hauptfoyer oder auch über den Zugang durch die Stadtmauer vom Knieperteich her erfolgen.

Aquarium

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Die neuen Gebäudeteile sollen sich gut in die bestehende Klosteranlage einfügen. Dafür ist vor allem eine maßvolle Kubatur und die Ausführung der Gebäudeskulpturen wichtig, zum anderen aber auch die Materialität und das Erscheinungsbild, in welcher Weise der Bestand zeitgenössisch ergänzt wird.
Die verglasten Fassadenausschnitte lassen Blicke auf die Fassade der Katharinenhalle, die Stadtmauer und den Knieperteich zu.

Detail
Katharinenhalle

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Im Frühjahr 2022 wird das Deutsche Meeresmuseum in neuem Glanz wiedereröffnet.

Modernisierung und Reattraktivierung des Deutschen Meeresmuseums, Stralsund
Nichtoffener Realisierungswettbewerb

Auslober/Bauherr: Deutsches Meeresmuseum Stralsund, Stralsund
Betreuer: D&K drost consult GmbH, Hamburg

Jury
Prof. Joachim Andreas Joedicke, Vors. | Prof. Julia B. Bolles-Wilson | Prof. Rebecca Chestnutt | Burkhardt Eriksson | Günther Hoffmann | Ekkehard Wohlgemuth

1. Preis
Architekt: Reichel Schlaier Architekten GmbH, Stuttgart
Szenograph: büro münzing – designer und architekten, Stuttgart
Landschaftsarchitekt: nsp christoph schonhoff landschaftsarchitekten stadtplaner, Hannover

2. Preis
Architekt: Trapez Architektur GmbH, Hamburg
Architekt: CEBRA, Aarhus (DK)
Tragwerksplaner: Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart, Berlin, Dresden, Erfurt, Nürnberg, Hamburg, Zürich, Köln, Frankfurt am Main, Magdeburg, München
Bauphysiker: KAplus - Ingenieurbüro Vollert, Eckernförde

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