Welt verbessern

Christian Holl
15. Februar 2012

Aus aller Welt hat Andres Lepik Architektur, die hilft, zusammengestellt – Moderators of Change zeigt Architektur, die "sich wesentlich durch ihr soziales, ökologisches und politisches Engagement" auszeichnet (so Brigitte Oetker im Vorwort). Vorgestellt werden engagierte Architekten, die vor Ort intensiv recherchierten, mit den Bewohner arbeiteten, sie haben die Projekte jüngeren Datums meist selbst angeregt, diese stehen dort, wo es dauerhaft soziale Probleme gibt – 19 werden ausführlich vorgestellt, auf weitere wird in den Text-Beiträgen von Regina Bittner, Anne Schmedding, Christian Welzbacher und anderen verwiesen. Betont wird das Engagement, die konkrete Wirkung, die Zusammenarbeit mit den Menschen: Architektur als Hoffnungsträger, als verbindendes Ziel. Die Projekte kommen aus Afrika, Amerika, Asien, Europa, hauptsächlich sind es öffentliche Bauten, wie Schulbauten oder Kindergärten. Im Buch wird es nicht ausgesprochen – doch es teilt sich mit: dieses Engagement ist die Ausnahme, und das Buch will es in Wert setzen, gegen die Resignation verteidigen; Moderators of Change ist also auch ein Appell, sich anstecken zu lassen.

Utopien sind, auch wenn sie ebenfalls die bessere Welt imaginieren, in zumindest einem grundsätzlich anders als die "Architektur, die hilft": sie formulieren einen Kontext, der noch nicht existiert oder nie existieren wird. Über die Konjunktur der Utopie schrieb kürzlich im eMagazin Ursula Baus – im Verlag gestalten ist nun das Buch zu dieser neuen Welle erschienen: Utopia forever. Über hundert Entwürfe sind darin zu finden, darunter auch einige von bekannten Architekten. Hoffnungsvoll blicken die meisten (nicht alle!) in die Zukunft. Da wachsen elegant organisch geformte Türme in den blauen Himmel, werden Natur und Technik miteinander versöhnt, aus Prinzipien der Nutzung regenerativer Energie werden Stadtformen entwickelt. Sternenförmige Städte sind mobil wie in den 1960ern die Walking Cities, aus Flugzeugträgern werden mobile Vergnügungsparks, auf künstlichen und schwimmenden Inseln wird Ackerbau betrieben. Der Himmel wird bevölkert, kaum einmal ist Müll oder menschliches Elend zu sehen. Ob wir diese Entwürfe brauchen, um Dinge voranzutreiben, wie Lukas Feiress, einer der beiden Herausgeber schreibt? Mir scheint es interessanter, die Entwürfe als (mitunter ironische) Reflexionen der Gegenwart, ihrer Ängste und Bedrohung, als Kritik an herrschenden Zuständen zu lesen. Oder als Formulierung der Grenzen, die wir nie werden überschreiten können.

Noch einmal mehr Arbeiten werden in My Green Cityvorgestellt. Solche des Guerilla Guardening, Urban Farming, der Kunst, Fotografie, des Designs und der Architektur, die, so der Klappentext, "die Natur zurück in unsere Städte bringen". Die Fülle der inzwischen ähnlichen Strategien, Pflanzen in Kübeln, Kisten, mit der Aura des Provisorischen, Improvisierten umgeben, verbunden mit der demonstrativen Nutzung von Recyclingmaterial macht allerdings skeptisch. Sind tatsächlich alle Arbeiten noch geeignet, Menschen neu über unser Verhältnis zum Umgang mit Freiflächen, zu unserer Nahrungsmittelproduktion nachdenken zu lassen oder sind da nicht auch schon eine ganze Reihe Trittbrettfahrer unterwegs, die sich mit der Kunst-Attitüde schmücken? Das Buch ist insofern aufschlussreich, als es diese Fragen provoziert. Und darin möglicherweise einen Zeitpunkt sichtbar macht, in welchem der Anbau von Gemüse und Rekultivierungsaktionen auf Brachen in weiterreichende Überlegungen eingebunden sein müssten, sollen sie nicht als eskapistische Kompensationshandlungen verpuffen. Gesucht ist der Schritt, mit dem aus der "Green City" eine alltagstaugliche Praxis jenseits von Lifestyle wird. Immerhin: Einige im Buch vorgestellte Projekte deuten diese Perspektive an.

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