Gemischte Reaktionen

13. Juni 2012
"Ein Name mit vielen Facetten“, Kw 23/12

Ich lese German Architects gerne und häufig, so auch Ihren Artikel über den Tag der Architektur.
Als Vorsitzender des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit und Vizepräsident der Brandenburgischen Architektenkammer fühle ich mich verantwortlich für die Durchführung des Tages der Architektur in Brandenburg und möchte zu Ihrem Artikel Stellung nehmen, da er das ehrenamtliche Engagement unserer Kammermitglieder in ein falsches Licht rückt.
Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass der Tag der Architektur über die teilnehmenden Objekte einen gestalterischen Anspruch vermitteln muss. Als wichtig empfinden wir in Brandenburg ferner die Ansprechbarkeit der Architekten am Objekt an diesem Tag. Nach unserer Überzeugung sind die Verfasser eines Entwurfes am besten geeignet, den Mehrwert einer qualitätvollen Gestaltung gegenüber der Öffentlichkeit zu vermitteln.
Insofern Teile ich Ihre Kritik an der Verfahrensweise mancher Kammern, die ungeprüft jedes eingereichte Objekt in ihren Katalog aufnehmen und es dann bei der Außenbesichtigung ohne Nachfragemöglichkeit belassen. Ein solches Vorgehen schadet der Marke "Tag der Architektur" mehr als es ihr hilft, denn es zeugt von Gleichgültigkeit. Jemand, der einen solchen Katalog in die Hand bekommt und sich aus einem Impuls heraus mit Architektur befasst, wird nicht im Sinne einer Förderung unserer Baukultur motiviert, sondern frustriert.
Ihre Darstellung legt nahe, dass die Auswahl der teilnehmenden Objekte in Brandenburg der Verfahrensweise in NRW ähnelt. Das ist nicht der Fall. Wir pflegen die Auswahl der Objekte über eine unabhängige Jury. Regelmäßig werden bis zu einem Drittel der Bewerbungen abgelehnt. Darüber hinaus verpflichten sich die teilnehmenden Architekten zur Anwesenheit an diesem Tag. Wird diese Selbstverpflichtung nicht eingehalten, vermerken wir es für das nächste Bewerbungsverfahren. Dies alles geschieht in wesentlichen Teilen auf den Schultern des Ehrenamtes.
Ob die Objekte im einzelnen "dem Anspruch nach guter Baukultur und somit dem des Tages der Architektur nicht gerecht werden" ist vielleicht im Einzelfall zu diskutieren. Eine solche Diskussion würde ich jedoch – nach einem qualifizierten Auswahlverfahren wie wir es betreiben – als erwähnenswerte Bereicherung unserer Baukultur empfinden. Sie nicht? Christian Keller, Cottbus

Ihr Beitrag über den Tag der Architektur, auf den ich durch den Vizepräsidenten der Brandenburgischen Architektenkammer Christian Keller aufmerksam wurde, unterliegt einer grundlegenden Fehleinschätzung. Der Tag der Architektur war nie ein Baukulturpreis, sondern immer eine Aktion der Öffentlichkeitsarbeit, mit der der Berufsstand seine Leistungen vor- und zur Diskussion stellt. Diesem Anspruch wird sogar das Konzept von NRW gerecht, auch wenn ich persönlich es nicht für sehr überzeugend halte. Fakt ist, dass die durchführenden Architektenkammern der einzelnen Bundesländer es nicht nur mit unterschiedlichen Ressourcen (im Hinblick auf Masse und Qualität der eingereichten Objekte) zu tun haben, sondern auch aufgrund ihrer Größe und Beitragsstruktur mit höchst unterschiedlichen Etats für diese Veranstaltung auskommen müssen. Daraus entstehen unterschiedliche Konzepte und letzten Endes werden unterschiedliche Menschen sogar dieselben Objekte in ihrer architektonischen Wertigkeit unterschiedlich beurteilen. Das kann man beklagen, es kann aber auch ein Vorteil sein. Ich habe den Tag der Architektur in Niedersachsen als angestellter Öffentlichkeitsarbeiter gemacht und betreue jetzt seit acht Jahren als Freier den Tag der Architektur in Brandenburg. Auch wenn ich heute nicht so "aus dem Vollen schöpfen" kann wie früher, genieße ich die vertrauensvolle Zusammenarbeit "auf Augenhöhe" zwischen Ehrenamt und externem Profi, durch die es uns gelungen ist, eine unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt effiziente und im Ergebnis durchaus vorzeigbare Veranstaltung zu organisieren, die sich bei den Kammermitgliedern allgemeiner Akzeptanz erfreut (und nur denen gegenüber hat die Kammer Rechenschaft abzulegen). Wenn Sie Lust dazu haben, biete ich Ihnen gern ein Interview darüber an, wie wir in Brandenburg erreichen, dass die von Ihnen breit und teilweise überzogen dargestellten Probleme weitgehend vermieden werden (ganz auszuschließen sind sie nie – nur wer nichts macht, macht keine Fehler). Reinhard Jung, Lennewitz

Schöner Kommentar zum Tag der Architektur!
Wir können da übrigens auf die seit Jahren besonders erfolgreiche letzte Seite zum Booklet der Architektenkammer NRW verweisen… (Heft 21) Kaye Geipel, Berlin

Der Beitrag von Simone Hübener verzichtet leider darauf, den Grundgedanken des Tags der Architektur zu benennen, wie wir ihn in Nordrhein-Westfalen verstehen: raus aus dem Elfenbeinturm, rein in den Dialog mit einer breiten Bevölkerung! Mit rund 40.000 Interessierten lockt der Tag der Architektur in NRW mehr Besucher an als jede andere Architektur-Veranstaltung. Die gewaltige Resonanz spiegelt sich auch in einer umfassenden Berichterstattung der Medien wider.
Die pauschale Kritik am "Tag der Architektur" in NRW, es mangele an einer qualitativen Auswahl, greift zu kurz: Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bettet den "Tag der Architektur" in ein umfassendes Maßnahmenpaket der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ein, dessen einzelne Bausteine sich zu einem Gesamtbauwerk ergänzen: So fördern wir durch intensive Beratung das Wettbewerbswesen, zeichnen engagierte Kommunen mit dem "Ausloberpreis NRW" aus und führen gemeinsam mit dem NRW-Bauministerium regelmäßig den "Landespreis" sowie die "Auszeichnung vorbildlicher Bauten in NRW" durch, die exponierte, innovative Bauwerke öffentlich hervorheben. Diese "vorbildlichen Bauten" fungieren als Leuchttürme, als Orientierungsmarken für Architekten wie Laien.
Der "Tag der Architektur" ergänzt diesen Ansatz um die persönliche Begegnung. Für Architektinnen und Architekten muss es ein wichtiges Ziel sein, Architektur erlebbar zu machen und Menschen ins Gespräch zu bringen – und zwar in ein Gespräch über Architektur, Wohnen und Städtebau. Und die Erfahrung zeigt: Vor Ort wird durchaus auch hinterfragt und kritisch diskutiert.
Dieser Ansatz hat übrigens auch die Partner (u.a. das NRW-Bauministerium) in der Landesinitiative "StadtBauKultur NRW" überzeugt, die den "Tag der Architektur" zu einem der Leitprojekte der Initiative erklärt haben.
Die pauschale Kritik an Bauwerken, die von Architekten mit ihren Bauherren realisiert wurden, diffamiert die teilnehmenden Architektinnen und Architekten und beleidigt viele Tausend Besucherinnen und Besucher! Ich möchte die Frage stellen: Wohnen Menschen, die sich ein möglicherweise durchschnittliches Einfamilienhaus vom Architekten planen und realisieren lassen, wirklich "schaurig"? Hier kommt eine Arroganz und Ignoranz zum Ausdruck, die uns allen in der Kommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit leider immer wieder großen Schaden zufügt. Christof Rose, Düsseldorf

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