So viel Architektur war nie

Ursula Baus
9. Januar 2013
Max Dudlers Sanierung und Erweiterung des Hambacher Schlosses (Bild: Stefan Müller/ DAM) 

Eigentlich freute man sich in Süddeutschland, die "Kehrwochenschwaben" klammheimlich in Berlin entsorgt zu haben. Aber aus dem Winternachrichtenloch brachte Wolfgang Thierse diesen Schwabenstreich leider ans Tageslicht und in die Schlagzeilen – das nur nebenbei. Denn in den Medien spielte zwischen den Jahren vor allem Architektur eine erstaunliche Rolle, selten las man so viel übers Planen und Bauen und Gebaute. Übertroffen wurde die Architekturelevanz in den Medien gestern dann durch das Debakel in Berlin-Brandenburg: Klaus Wowereit verkrümelt sich aus dem Aufsichtsrat und meint, damit sei's erledigt für ihn. Wir bleiben dran am Thema...

Doch Eines nach dem Anderen: Immobilien gelten in diesen Finanzkrisenzeiten als "Goldbarren" des fleißigen Sparers und nehmen prominente Plätze auf den Wirtschafts-, Finanz- und Politikseiten der Zeitschriften und Blogs ein. Außerdem und als Folge davon wird es gerade sauteuer, passabel zu wohnen – was wiederum alle Journalisten auf den Plan ruft, die immer schon wussten, was Architekten und Stadtplaner im Wohnungsbau alles falsch machen. Wohnungsmieten und -kaufpreise stiegen im vergangenen Jahr durchweg und in Regionen wie Düsseldorf, München, Hamburg, Stuttgart und Berlin um 10 und mehr Prozent an – vermeldet wurde, dass sogar Wohnen in Hannover teurer wird.
In der Süddeutschen Zeitung (29./30.12.2012) wurde über Traumhäuser berichtet, die zum Albtraum werden, weil sie nur schwer beziehungsweise mit viel Geld zu pflegen seien. "Wohn-Ikonen der Moderne sind ein sensibler Sehnsuchtsmarkt, kein Paradies für Zocker". Eigentlich darf man sich darüber freuen, wenn die Traumhäuser nicht in die Hände von Zockern geraten...
Auf die Nachkriegsmoderne wurde auch mal wieder eingedroschen, am 22.12.2012 auf den Politikseiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo es um den "katastrophalen Zustand" von Verwaltungsbauten der Moderne in Deutschland ging. Man weiß es doch: Wo sich jahrzehntelang niemand um die Pflege solcher Bauten gekümmert hat, sieht es selbstverständlich übel aus. Aber das kennzeichnet keineswegs nur Bauten der Moderne. Auf eine Ausstellung in Hannover, die in die gleiche Kerbe haut, kommen wir im nächsten eMagazin.

Bild: Stefan Müller/ DAM

Hanno Rauterberg äußerte sich in der Zeit (51/2012) zur aktuellen Wohnungsnot: Das blauäugige Lob der Gründerzeitviertel kombiniert er mit dem Ruf nach billigem Bauen, Verdichten, hybriden Lösungen und Appellen an fantasievolle Architekten – das alles in einer befremdlichen Naivität, die in der Erkenntnis gipfelt: "Wenn Stadtplaner die Vorteile des Gestern mit den Bedürfnissen von heute vereinen – dann ist das Wohnen keine Misere mehr." Ach, so einfach ist das?! Wie es konkret in Städten aussieht, wenn Arm und Reich auseinander driften, erläuterte die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 6.1.2013 am Beispiel der Ruhrmetropole Essen, wo der arme Norden vom reichen Süden von der Autobahn A40 getrennt wird. So wollen wir hierzulande gewiss nicht leben, aber ausnahmsweise sind es nicht die Architekten, die hieran schuld sind. In ihrer Rubrik "Geld" stellte die Süddeutsche Zeitung am 29./30.12.2012 außerdem fest, dass Anleger auf der Suche nach geeigneten Häusern immer öfter auf unseriöse Angebote hereinfallen. Dieter Bartetzko schimpfte am 6.1.2013 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über die "Teufelsspiralen" und erinnerte an Jane Jacobs Studie "Leben und Sterben großer amerikanischer Städte" von 1963. Alles schon mal dagewesen. Wohnungen in den Innenstädten seien für Reiche gebaut, die luxuriöse Architektur neige aber zur "Armseligkeit"; zu beklagen sei, dass die "ehemals imponierende Fülle an regional- und ortstypischen Dekorationen und Baumaterialien, die die Bauten der reichen Leute in Deutschland besaßen, ... auf einige gleiche, grobe Reize geschrumpft" seien.

In der Neuen Züricher Zeitung äußerte sich am Samstag (5.1.2013) der ehemalige Stadtbaudirektor Basels, Carl Fingerhuth, dazu, wie es im – Schweizer – Städtebau weitergehen sollte. Nach Phasen der Rationalität möge das Spirituelle eine größere Rolle spielen, vor allem, weil das Zusammenwirken von Stadt und Natur für die Menschen wichtiger geworden sei. Fingerhuth wettert gegen Herzog & de Meurons Bauten in Basel was das Zeug hält; nicht nur gegen die neuen Messebauten, sondern vor allem gegen den 175 Meter hohen Turm für den Pharmakonzern Roche.

 

Regen wir uns, eingedenk der Wowereitschen Flucht aus der Schusslinie, überhaupt noch über Verteuerungenauf? Stuttgart 21 wird nicht – wie noch vor wenigen Wochen von der Bahn versprochen – 4,6, sondern 5,8 Milliarden Euro kosten. Mindestens. Den Sohn des aus dem Amt gejagten Stefan Mappus, zitierte die Süddeutsche Zeitung: "Papa, es geht doch nur um einen Bahnhof" (29./30.12.2012). Für die Elbphilharmonie sind die anfangs angegebenen Kosten von 77 Millionen Euro inzwischen auf 500 Millionen hochgeschnellt – ohne Folgen für die Politiker. Wie die Planungskatastrophen in kleineren Orten nach gleichem Prinzip behandelt werden, erläuterte die FAZ am 29.12.2012 am Beispiel einer nicht genannten Stadt (Allwetterbadsfinanzen vor Gericht, Tennishalle wird zum Großbordell, Shopping Mall in der Innenstadt mit Bürgerprotesten – könnte Idstein gemeint sein?). Im Fall des Berlin-Brandenburger Flughafens überstürzen sich die katastrophalen Ereignisse. Eröffnung 2014? Und schon wettstreiten die Berliner wieder mit den Schwaben: Welches Großprojekt wird später fertig und prozentual teurer?

Arno Brandlhuber antwortete der FAS am 30.12.2012 auf die Frage, welche Architekturen wir entsorgen sollten, folgendermaßen: 1. Frankfurter Römerberg (Dom-Römer-Areal), 2. Berliner Stadtschloss, 3. Alt-Berlin um den Berliner Fernsehturm, 4. Prenzlauer Berg und andere sozial homogenisierte Stadträume, 5. Arcadia Potsdam, 6 Einfamilienhausneubaugebiete samt Penderpauschale, 7. Vollwärmeschutz.

Last but not least: Gewinner des DAM-Preises für Architektur in Deutschland 2012 ist Max Dudlers Umbau und Erweiterung des Hambacher Schlosses in Edenkoben bei Neustadt an der Weinstraße (siehe auch die 1. Bauphase 2008, Bau der Woche). Und als Architekturbiennale-Chef 2014 wurde gestern (8. Januar 2014) Rem Koolhaas berufen, der sich bei der letzten Biennale – Leiter war 2012 David Chipperfield – schon sehr emsig informierte, was die weitsichtig angelegten Projekte betraf....

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