Zwischenstand in Bernau

Ulf Meyer
15. März 2021
Neubau Besucherzentrum (Foto: Brigida González)

Warum fährt alle Welt zum Bauhaus nach Dessau und kaum ein Mensch nach Bernau zur Bundesschule, immerhin das – nach dem Mutterschiff in Dessau – zweigrößte Gebäude, das das Bauhaus der Nachwelt hinterlassen hat? Am Status kann es nicht liegen, denn im Jahr 2017 wurde die Bundesschule in die begehrte UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen. Vielleicht ist es die spröde Art ihres Entwerfers, des zweiten Direktoren des Bauhauses, Hannes Meyer, oder die mangelnde Bekanntheit und Erschließung des Schul-Areals nördlich von Berlin?
Pünktlich nach der hundertsten Wiederkehr der Bauhaus-Gründung wird jedenfalls jetzt ein Besucherzentrum für das Meisterwerk gebaut, das in Zukunft dazu beitragen soll, den Wert dieses baukulturellen Erbes der Moderne zu pflegen.

Foto: Brigida González

Der Entwurf des Stuttgarter Büros Steimle Architekten hatte sich in einem Wettbewerb gegen 47 Konkurrenten durchgesetzt. Die „strukturelle und lichtdurchflutete Betonkonstruktion“ konnte die Wettbewerbs-Jury damals überzeugen. 
Das Besucherzentrum soll sich „dem denkmalgeschützten Ensemble unterordnen, sich aber zugleich gestalterisch behaupten“. Das wird dem Gebäude gelingen. Integriert in eine Lichtung im Kiefernwald, gibt der Pavillon für Besucher bei Eintritt bereits einen Blick auf das Baudenkmal der Moderne nebenan frei. Den Besuch haben die Stuttgarter Architekten „als Abfolge von Erlebnissen begriffen“ – in Analogie zu den „psychologischen Effekten" wie Meyer sie nannte, die „die leiblich-zeitliche Dimension der Architektur betonen“.

Plan: Steimle Architekten

Das lineare Besucherzentrum ruht als schlichter Baukörper leicht erhöht über der Waldebene, Besucher betreten es über eine Terrasse. Wie eine „Willkommensgeste" lädt das Vordach über dieser Terrasse das Publikum ein, einzutreten. Das rundum verglaste Gebäude liegt im Bernauer Stadtteil „Waldfrieden“ – und genau diese Atmosphäre strahlt das Werk auch aus.
Dieses Verhältnis von Architektur und Natur ist für das Ensemble essentiell: Denn die Bundesschule des Gewerkschaftsbundes von  1930 ist in gewisser Weise die Anti-These zu Gropius‘ städtischem Bauhaus-Gebäude in Dessau: Die Bernauer Gewerkschaftsschule „darf gelockert erscheinen“, wie Meyer es nannte und lebt von der Integration in ihr Terrain. Meyer hatte die Häuser im Hinblick auf „Gelegenheiten zum freundschaftlichen Sich-ergehen“ hin entworfen. Alle Räume orientierten sich zur Landschaft und zu einem See.

Gewerkschaftsschule Bernau (Foto: 44penguins (Angela M. Arnold), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Das Gebäude war zur Weiterbildung und Erholung der Gewerkschaftsfunktionäre gedacht. Meyer hatte beim Entwurf des Campus eine „sozialistische Ideal-Stadt“ im Hinterkopf und gab den Fassaden fabrikartige Motive wie die drei Schornsteine des Heizwerks, die Besucher damals begrüßten. In der Mitte der Anlage befindet sich die fensterloser Aula. Einhüftig werden alle Räume über einen überdachten Glasgang erschlossen. Südlich reihen sich fünf Wohntrakte an, der Gang folgt dem Geländeverlauf. Die 120 Gäste wurden in Gruppen zu 10 Personen aufgeteilt, die bei den Seminaren, beim Sport und beim Essen zusammen waren. 

Im Jahr 2001 erwarb die Handwerkskammer Berlin das Ensemble und ließ es vom Büro Brenne sanieren. Das Hauptgebäude dient seit 2007  der Kammer als Seminarhotel, das Freibad ließ die Stadt Bernau sanieren, es wurde wieder eröffnet. Sukzessive nimmt die Öffentlichkeit Meyers Ensemble wieder in Beschlag. Das Besucherzentrum soll im Oktober 2021 eröffnet werden.

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