Interpretations-Kollisionen
Katinka Corts
30. Mai 2018
Vor dem Hauptpavillon der Architekturbiennale steht die Weinstock-Struktur von Konrad Wachsmann als Skulptur von Burkhalter Sumi Architekten (Bild: Andrea Avezzu, Courtesy: La Biennale di Venezia)
Zur Architekturbiennale gilt es, Pavillons zu erkunden und die Interpretation des Jahresthemas der jeweiligen Kuratorinnen und Kuratoren zu entdecken. Dabei birgt jeder Beitrag viel Diskussionsstoff – was der einen gerade richtig erscheint, ist dem anderen zu schwach formuliert, ein dritter wendet sich überfordert ab, eine vierte genießt die Raum- und Installationswirkung.
Teilweise hat man dieses Jahr das Gefühl, sich vielleicht doch auf der Kunstbiennale zu befinden, so karg und reduziert kommt mancher Pavillon daher. Andere sind so übervoll von Bildern, Plänen und Modellen, Hinweisen, Erläuterungen und Diagrammen, dass man sich entweder absolut auf die Darstellung einlassen muss (und in diesem einen Pavillon einige Stunden verbringen wird) oder den Besuch auf ein Durchschlendern reduziert.
Neben diesen persönlichen Wahrnehmungen und Beobachtungen – sowohl huldigungsgleiche Würdigungen als auch über Beiträge wild zeternde Journalisten blieben uns nicht verborgen – gibt es schließlich und endlich das Urteil der Jury. Die Jury, dieses Jahr bestehend aus Frank Barkow (USA), Sofia von Ellrichshausen (Chile), Kate Goodwin (Australien), Patricia Patkau (Kanada) und Pier Paolo Tamburelli (Italien), vergibt jeweils vier Preise und Würdigungen für die gelungensten Beiträge.
Dieses Jahr wurde der Schweizer Pavillon zum besten nationalen Beitrag gekürt, was ganz unterschiedlich aufgenommen wurde. Swiss-Architects-Redakteurin Jenny Keller verortet den Beitrag als Diagnose des Schweizer Wohnungsbaus und fragt, ob man wirklich so wohnen wolle. Während sie eher ein beklemmendes Gefühl in all der Monotonität beschlich, posierten zahlreiche Besucher und Besucherinnen neben den zu großen oder zu kleinen Objekten. Nur das Fläschchen mit der Aufschrift "Trink mich!" und der kleine Kuchen mit dem Zettel "Iss mich!" hätte noch am Eingang verteilt werden können, um das Spektakel komplett zu machen. Aber so flach und offensichtlich ist der Beitrag nicht gemeint, auch wenn die Kuratoren, ganz schweizerisch, nur zur Diskussion anregen wollen und nicht direkt kritisieren, wie sie sagen. Bernhard Schulz, ein langjähriger Kulturredakteur des Tagesspiegels in Berlin, hingegen findet, es hätte ernsthaftere Anwärter für den Preis gegeben, wie den ägyptischen Beitrag oder jenen von Israel.
Aber so geht es zu auf der Biennale und im Wettstreit um den besten Beitrag – die Wahrheit muss jeder für sich selbst entdecken. Seit dem Wochenende ist die 16. Architekturbiennale eröffnet und bis zum 25. November 2018 mag sich jeder und jede, der und die in die Lagunenstadt reist, eine eigene Meinung bilden.