Dem Buddenbrookhaus drohen Schäden

Manuel Pestalozzi
15. Januar 2024
Das Buddenbroockhaus, rechts, soll nach einem Wettbewerbsprojekt von 2018 um das Nachbarhaus ergänzt werden. (Visualisierung: TMH Architekten, Lübeck, mit Jörn Simonsen)

Das Haus steht an der Mengstraße 4, in der Altstadt von Lübeck, und richtet seine Hauptfassade direkt auf die Marienkirche. Seine Geschichte geht ins Mittelalter zurück, Vorfahren der Schriftsteller Heinrich Mann (1871–1950) und Thomas Mann (1875–1955) lebten und arbeiteten bereits im 18. Jahrhundert in der Liegenschaft, die regelmäßig umgebaut wurde. Die Familie veräußerte das Haus bereits 1891, doch es bildet einen wichtigen Hintergrund für Thomas Manns berühmten Roman »Buddenbrooks: Verfall einer Familie« (1901). 1991 entschloss sich die Hansestadt Lübeck mit Unterstützung unter anderem durch die Bundes- und Landesregierung und die Lübecker Bürgerschaft, das Buddenbrookhaus zu kaufen und zu einem Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum auszubauen, das Forschungs- und Gedenkstätte zugleich sein soll. Am 6. Mai 1993, im Jahr des 850. Stadtjubiläums der Hansestadt Lübeck, wurde mit einem Festakt unter Anwesenheit des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker das Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum im Buddenbroockhaus eingeweiht.

Die Besucherzahlen, die wachsende Sammlung und die größer werdende Bibliothek brachten das Raumangebot ans Limit. Bemängelt wurden auch das Fehlen museumspädagogischer Räume und die Barrierefreiheit. Deshalb hat der Bund den Ankauf der ebenfalls historischen Nachbarliegenschaft Mengstraße 6 finanziert, wodurch das Buddenbrookhaus die Chance erhielt, seine Fläche zu verdoppeln. 2017 wurde für die Herrichtung des »Neuen Buddenbroockhauses« ein europaweiter Planungswettbewerb ausgeschrieben, den TMH Architekten in Zusammenarbeit mit Jörn Simonsen für sich entscheiden konnten. 2020 wurde das Haus für die Umbauarbeiten geschlossen.

Streit um Keller

Im Juni 2023 gab die Kulturstiftung Hansestadt Lübeck in einer Pressemitteilung bekannt, dass das Projekt möglicherweise gefährdet ist. Als Hauptgrund wurde ein mittelalterliches Kellergewölbe unterhalb der Mengstraße 6 genannt. Zur Nutzung als Veranstaltungsraum für das Museum hätte es zugunsten eines gesetzlich vorgeschriebenen Fluchtwegs auf einer kleinen Fläche durchstoßen werden müssen. Eine Bürgerinitiative forderte in der Folge, dass das Gewölbe nicht beschädigt wird. Gemeinsam mit Bedenken gegenüber den geplanten Baukosten führte dieser Widerstand dazu, dass sich die Bürgerschaft am 23. Februar 2023, nach dem Start erster Umbaumaßnahmen, doch für den vollständigen Erhalt des historischen Kellergewölbes aussprach. Der bereits begonnene Umbau habe »zugunsten der Prüfung von Alternativen« nicht wie geplant und genehmigt fortgeführt werden können, steht in der Pressemitteilung. Diese moniert, dass sich die öffentliche und politische Debatte um das Buddenbrookhaus auf Einzelaspekte des Bauvorhabens konzentriert, deren Auswirkungen auf die Gesamtplanung unterschätzt würden. Sie gipfle darin, nach Beginn der Umsetzung die Sinnhaftigkeit des Gesamtprojekts anzuzweifeln.

Seit Monaten stehen die Bauarbeiten still. Eine dpa-Agenturmeldung berichtet von drohenden Schäden. »Die schwankenden Temperaturen und Luftfeuchten setzen den Kellern sehr zu«, wird die kommissarische Leiterin des Hauses, Caren Heuer, zitiert. Weiteres Ungemach befürchtet man bei der Finanzierung. Wegen einer beschlossenen Änderung der Umbaupläne sei unklar, ob die im Februar 2023 bewilligte Landesförderung in Höhe von 19 Millionen Euro – das wären rund 70 Prozent der Baukosten – tatsächlich fließen wird. Die landeseigene Investitionsbank Schleswig-Holstein habe angekündigt, dass die Landesförderung wegfallen würde, wenn die Stadt das Haus nicht wie ursprünglich geplant umbaue. Zu diesem Schlamassel von buddenbrookschen Ausmaßen hätten sich Heinrich und Thomas Mann bestimmt mit Elan und Prägnanz zu Worte gemeldet.

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