Calatrava plant Passage für Düsseldorf

Manuel Pestalozzi
24. Januar 2023
Die Straßenfronten entlang der Königsallee verändern sich kaum, stärker bemerkbar macht sich das Passstück „Calatrava Boulevard“ in Richtung Martin-Luther-Platz. (Visualisierung: © Santiago Calatrava LLC)

Eine urbane Passage von Santiago Calatrava soll im Zentrum von Düsseldorf entstehen. Sie durchquert das Areal zwischen Königsallee, Königstraße und Steinstraße, das nach Nordosten an den Martin-Luther-Platz grenzt. Die Passage soll sich „Calatrava-Boulevard“ nennen und durchquert das dichtbebaute Areal parallel zur Königsallee von Norden nach Süden. Sie wird seitlich eingefasst von abstrahierten Arkaden und den bei Calatrava bekannten engen weißen Stützenfolgen. Die Stützen erweisen sich nach einem Blick nach oben als Teile von Klammern, welche die Passage überspannen und durch ihre Positionierung Sinuswellen formen. In Schrittrichtung erinnern sie an Vorhänge nach einem Windstoß – und an Calatravas bewegliche Skulptur „Wave“, die seit rund 20 Jahren im Meadows Museum in Dallas ausgestellt ist.

Über den Bögen der Passage deuten die eng gestellten Stützen eine sinusförmige Bewegung an. (Visualisierung: © Santiago Calatrava LLC)
Auffällige Geste

Die Passage macht zum Martin-Luther-Platz mit einer auffälligen, doch im Kontext angemessenen Geste auf sich aufmerksam: Das Dach wölbt sich und läuft zum Platz hin zusammen in einen Spitz über der scharfkantigen, nach unten zurückweichenden Fassadenkante. Auf der Rückseite wird die Dachschale von einer konkav gekrümmten Glaswand begrenzt, die Zugang zu einem kleinen Dachgarten gewährt. Von oben aus südwestlicher Richtung betrachtet, wirkt das Dach in der Visualisierung wie eine Haartolle im Wind. Vom Hochhaus GAP 15 sollte man sich dereinst daran ergötzen können. In der Mittelachse des im Grundriss dreieckigen Hochpunktes befindet sich ein direkter Durchgang zum Boulevard, von dem auch die Lobby für die Büroflächen, die sich vom 2. bis zum 8. Obergeschoss erstrecken, erschlossen wird. Die beiden ersten Geschosse dienen außerdem der Gastronomie- und Handelsnutzung. Begrünte und mit Solarpaneelen besetzte Dachflächen sollen die Nachhaltigkeit des Projektes unterstützen.

Zum Raumprogramm gehören ausserdem rund 22.000 m2 für Büroflächen sowie etwa 15.000 m2 für Luxushandel und hochwertige Gastronomie. Als Projektstart für den „Calatrava Boulevard“ bezeichnet die CENTRUM-Gruppe die Eröffnung der Flagshipstores von Moncler und Fendi an der Königsallee im vergangenen Jahr. Die Häuserfronten gleichen sich hier dem Bestand an und fügen sich in den gegebenen Maßstab ein. Das Gesamtprojekt soll in Teilabschnitten bis 2028 umgesetzt werden. In unmittelbarer Nachbarschaft, jenseits von Martin-Luther-Platz und Evangelischer Johanneskirche, plante CENTRUM bereits 2020 mit Santiago Calatrava. Für die so genannte Tuchtinsel am Köbogen stellte man damals ein extravagantes Hochhausprojekt vor.

Zum Martin-Luther-Platz hin macht die Passage durch eine auffällige Silhouette auf sich aufmerksam. (Visualisierung: © Santiago Calatrava LLC)

Santiago Calatrava ist bekannt für Bewegungsräume, die oft einen zoomorphen Charakter haben. Der Bahnhof Stadelhofen in Zürich erhielt unter den Gleisen einen „Walfischbauch“, im World Trade Center Transportation Hub in New York umschließt ein an Fischgräten erinnerndes Skelett einen breiten, ellipsenförmigen Korridor. Wie Calatravas Brücken, die sich etwa in Venedig, Dublin oder Sevilla über Gewässer schwingen, fordern sie einerseits auf, in einer bestimmten Richtung voranzuschreiten, andererseits aber auch, Blicke seitwärts zu wagen, wo am Wegesrand attraktive Ausblicke oder Angebote dazu einladen, innezuhalten, eine Pause einzulegen, zu genießen und zu konsumieren. Diese Doppelfunktion ist die Quintessenz der gedeckten Passage, wie sie im 19. Jahrhundert in Paris in Mode kam und weltweit bis heute in der Architektur für willkommene, angenehme Raumerlebnisse angewendet wird.

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