Begegnung mit Augsburgs Stadtarchitekten

Manuel Pestalozzi
3. Juli 2023
Das »zweite Mittelgiebelmodell zum neuen Rathaus« (94,5 x 93 x 71,5 cm, Zeder, Tanne, farbig gefasst) stammt aus dem Jahr 1614. Es zeigt Holls finalen Entwurf für den Rathausneubau, der von den Stadtpflegern bewilligt wird, und ist in der Ausstellung zu sehen. (Bild: Roman Tarasenko, KMA)

Elias Holl starb im Alter von 72 Jahren, keine 500 Meter Luftlinie von seinem Geburtshaus entfernt. Sämtliche von ihm entworfenen Bauwerke stehen, soweit bekannt, in der Heimatstadt und prägen diese bis heute: allen voran das prächtige Rathaus, dann etwa das Zeughaus, die Stadtmetzg oder das Heilig-Geist-Spital. Doch dieser Baumeister war ein Mann von Welt: Nach der Meisterprüfung im Betrieb seines Vaters begab er sich auf eine zweijährige Italienreise – für Leute seines Kalibers damals wohl ein obligates Unterfangen. Ein Ziel war Venedig, rein theoretisch hätte er Andrea Palladio begegnen können. 
Man nimmt an, dass frühe Werke inspiriert waren durch Entwürfe von Malern, welche das Formengut des italienischen Cinquecento nach Süddeutschland und Augsburg vermittelten. In jedem Fall repräsentiert die Architektur von Elias Holl den ersten International Style, jenen der Renaissance. Augsburg ist sich des Werts dieses baukulturellen Erbes wohl bewusst, die Behörden der im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Stadt bemühten sich erfolgreich darum, dieses originalgetreu wieder herzustellen. Diese Bauzeugen, zumeist Zweckbauten, repräsentieren die Quintessenz des stadtbürgerlichen Selbstverständnisses. Holl hat sie in seiner offiziellen Funktion als »Stadtwerkmeister« geschaffen. Sie dokumentieren kommunalen Ehrgeiz, soziales Engagement und den technisch-wissenschaftlichen Fortschrittsglauben, der sich zu Lebzeiten Holls mit wachsender Prägnanz auszubilden begann.

Der Eingang zur Ausstellung im Viermetzhof des Maximilianmuseums ist unübersehbar. (Foto: Monika Harrer/Kunstsammlungen & Museen Augsburg)
Fast 350 Ausstellungs-Objekte

Das gesamte Maximilianmuseum, darunter auch die Modelle des Rathauses, ist in die Ausstellung »Elias Holl (1573–1646) Meister Werk Stadt« einbezogen. Insgesamt werden 334 Objekte gezeigt, darunter wertvolle Leihgaben, wie beispielsweise eine Lavabo-Garnitur (Kanne und Becken) aus dem Augsburger Kunstschrank für König Gustav II. Adolph von Schweden vom Museum Gustavianum, Universität Uppsala. Interaktive Medienstationen bemühen sich darum, Holls Planungen für das Rathaus nachvollziehbar zu machen und zeigen die ursprüngliche, im Zweiten Weltkrieg zerstörte Innenausstattung. Dass Elias Holls Architektur Menschen bis heute inspiriert oder zumindest zum Nachdenken anregt, zeigt das Statement von Staatsministerin Claudia Roth, der Schirmfrau der Ausstellung: »Elias Holl steht für den Ruhm Augsburgs als Renaissance-Stadt. Er steht aber auch als Symbolfigur für eine Zeit, in der Frieden möglich war – und gleichzeitig für die Fragilität dieses Friedens. Eines Friedens, für den wir auch heute in einer demokratischen Gesellschaft angesichts der Kriege und Krisen unserer Zeit immer wieder kämpfen müssen«, erklärte sie anlässlich der Eröffnung der Ausstellung, die bis am 17. September zu sehen ist. 

Den Frieden, den die Staatsministerin erwähnte, begleiteten die Verheerungen des Dreißigjährigen Kriegs. Er endet zwei Jahre nach Holls Tod, brachte der Stadt viel Elend und wiederholt eine Schwedische Besatzung. Die Stadtbevölkerung sank um zwei Drittel. Dass die Bauzeit des Rathauses teilweise, jene von anderen Werken Holls vollständig in die Zeit dieses langen, komplizierten Konflikts fiel, zeigt, dass es neben dem Grauen auch Lichtblicke und Zuversicht gegeben haben muss. Begleitend zur Ausstellung erschien die Graphic Novel »Erlösung. Augsburg im Dreißigjährigen Krieg«, in der die Architektur der Stadt eine Hauptrolle spielt. Illustriert hat den Comicroman der Zeichner Paul Rietzl. Den Text hat der Leiter des Maximilianmuseums und Kurator der Holl-Ausstellung, Dr. Christoph Emmendörffer, verfasst. Er setzt sich mit den historischen Hintergründen auseinander.

Eine neue Graphic Novel will die schwierige Zeit Augsburgs während dem Dreißigjährigen Krieg spürbar machen. Die Architektur der Stadt bildet für sie den Rahmen. (Bild: Paul Rietzl/Sandstein Verlag)

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