Der Bau des Jahres 2023 ist gekürt

Stadtbibliothek Mittweida holt den Sieg

Katinka Corts
1. Februar 2024
Außen- und Innenansicht (Foto: Robert Gommlich)

Das prächtige Hotel und Lichtspielhaus »Stadt Chemnitz« war früher ein Magnet in der Kleinstadt, die heute wie so viele mit Abwanderung kämpft. Der um 1900 entstandene Dreigeschosser war mit seinem großen Ball- und später Kinosaal über Jahrzehnte der kulturelle Mittelpunkt der Stadt, stand aber nach der Wende ab 1993 komplett leer. »Im Haus gab es teilweise auch Wohnungen, nach dem Auszug der letzten Mieter wurde es aber nicht mehr als Wohnhaus gebraucht«, so Architekt Alexander Krippstädt vom Büro Raum und Bau.

Das Gebäude verfiel zunehmend, die Notwendigkeit einer neuen Nutzung gab es nicht. 2013 konnte die Stadt das Haus aus Privatbesitz zurückkaufen, musste aber im Rahmen der baulichen Sicherung und aufgrund der akuten Einsturzgefahr bereits Teile des Saales abbrechen.  Einige Jahre später war klar, was hier passieren sollte: Die Stadt wollte die Stadtbibliothek an einen neuen, zentraleren Ort umsiedeln und schrieb 2018 einen nichtoffenen Realisierungswettbewerb für das Vorhaben aus. Städtebauliches Ziel war, die bestehende Raum- und Platzstruktur am Technikumplatz gegenüber der Hochschule und im Zusammenhang mit dem »Europäischen Hof« zu erhalten und zu stärken. Aus den zehn eingereichten Arbeiten wurde der Entwurf von Raum und Bau im November 2018 zum Sieger gekürt.

Aufzug (Foto: Robert Gommlich)
Lesesaal (Foto: Robert Gommlich)

Zum Bedauern der Architekten erlaubte es die schlechte Bausubstanz nicht, viel vom Bestand zu erhalten: Lediglich das Haupttreppenhaus und die Trennwand zum Nachbarhaus sind heute noch vom Ursprungsbau geblieben. »Es war alles zu desolat, aber wir haben sehr viel originales Baumaterial bergen, aufarbeiten und wieder einsetzen können«, erinnert sich Krippstädt. So haben Stuckteile, alte Türen, Frieselemente, Brüstungen und Leuchter nun wieder einen Einsatz gefunden im Bibliotheksbau. »Uns freut, dass wir so immerhin ein Teil der Identität des Hauses bewahren konnten – die Details schaffen eine Verbindung zur Vergangenheit des Baus.«

Da sich das alte Mansarddach nicht erhalten ließ, ersetzten es die Architekten durch einen auffälligen Neuaufbau, der an die ursprüngliche Form mit zeltartig bekrönten Dachgauben und einem Eckturm im Westen erinnert. Zugleich ermöglicht die großzügige Dachform die Tageslicht-Versorgung des zentralen Lesesaals der Bibliothek. 

Wie von der Denkmalpflege gefordert, sind im Treppenhaus die Treppenstufen aus Granit, die verzierten Metallgeländer sowie die farbigen Bleiglasfenster erhalten worden. Das Zusammenspiel zwischen diesen Bestandselementen, zu denen auch die ornamentierten Tonplatten auf den Fußböden der Podeste gehören, und den neuen Einbauten schafft eine gelungene und zeitgemäße Verbindung. 

Das Haus ist gut besucht, wie der Architekt weiß: Die Anmeldezahlen in der Bibliothek haben sich deutlich erhöht und das Gebäude wird rege genutzt. » Das Konzept, den Menschen das Gebäude auch als Aufenthaltsraum anzubieten, hat sich bewährt«, sagt Krippstädt. »Mittweida ist eine recht kleine Stadt mit entsprechend kleineren Bauaufgaben als in einer Großstadt. Dass wir hier für den Ort dieses Leuchtturmprojekt realisieren konnten, freut uns sehr.«

Auf den zweiten Platz in der Leserwahl schaffte es der Hardtbergturm von Wolfgang und Leonie Ott, den wir Ihnen im Dezember vorstellten, dicht gefolgt von der Kita am Bergwald in Stuttgart von larob.studio für architektur auf dem dritten Platz. Wir danken für die rege Wahlbeteiligung und laden Sie ein, auch dieses Jahr zahlreiche Projekte für die Bauten der Woche vorzuschlagen.

Schnitt (Zeichnung: Raum und Bau)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Raum und Bau)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: Raum und Bau)
Grundriss 2. Obergeschoss (Zeichnung: Raum und Bau)

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