KZ-Gedenkstätte Dachau

Wie vermeidet man ein Haus?

25. Juni 2009

KZ-Gedenkstätte Dachau
2009

Neubau eines Besuchergebäudes
Alte Römerstraße 75
85221 Dachau

Auftraggeber
Freistaat Bayern
Staatliches Bauamt
Freising

Architektur
Florian Nagler Architekten
München

Tragwerksplanung
merz kley partner ZT
Dornbirn

Landschaftsplanung
Latz und Partner
Kranzberg

Ausstellungsgestaltung
Medientechnik

janglednerves
Stuttgart

Bauphysik
Müller BBM
Planegg

Bruttogeschossfläche
1050 m2

Baukosten
4,7 Mio  €

Fotografie
Stefan Müller-Naumann
München



An Ort und Stelle wirkt das Besucherzentrum wesentlich kleiner und bescheidener als auf dem Bild, zu dessen Aufnahmezeitpunkt noch kein Blatt an den Bäumen hing.

Im KZ Dachau, dem ersten seiner Art, wurden nicht nur rassistisch, sondern überdurchschnittlich viele politisch motivierte Morde begangen. 1965 aufgrund einer Initiative von Überleben eingerichtet, ging die Gedenkstätte 2003 an die Stiftung Bayerische Gedenkstätten über. Bereits 2005 veränderte sich die KZ-Gedenkstätte Dachau, als der Zugang der rund achthunderttausend Besucher von der Ost- auf die Westseite am "Jourhaus" vorbei verlegt wurde – die Planung dazu stammte von den Landschaftsarchitekten Latz & Partner. Seitdem folgen die Besucher dem "Weg der Häftlinge" des ehemaligen Lagers. Seit April 2009 steht den Besuchern nun auch ein Empfangsgebäude mit Gastronomie und Buchladen offen. Dieses Besucherzentrum, das definitiv kein "Haus" werden sollte, stellten die Architekten dorthin, wo es das Latzsche Freiflächenkonzept und den Baumbestand so wenig wie möglich stören würde. Kommt man in einer grünen Jahreszeit zur KZ-Gedenkstätte, bleibt das Gebäude hinter Bäumen und Sträuchern fast verborgen, bis man es links am Weg entdeckt. Und es stimmt: Es ist kein Haus. Dicke, teilweise schiefe Holzstützen und die dahinterstehende Glasfassade schaffen lediglich einen Ort, an dem Innen und Außen verschwimmen.

Die räumliche Trennung von Stützen- und Fassadenebene nimmt der Architektur den „Hauscharakter“.

Natürlich erfüllt das Besucherzentrum seine konkreten Zwecke eben doch wie ein festes Haus: Eine großzügige Zone mit Informationstheke im Eingangsbereich vermag große Besuchergruppen und laute Schulklassen aufzufangen und einzustimmen. Eine Cafeteria, Toiletten, Verwaltung und ein Buchladen sind rechterhand um zwei Höfe gelegt, die viel Tageslicht in alle Bereiche lassen. Naturfarbene, zementgebundene Industrieböden, hellgrau lasiertes, sägeraues Robinienholz und Sichtbetonflächen mit sandfarbenen Zuschlägen fügen sich in Grau- und Beigetönen kontrastlos zusammen und bestimmen eine weiche, milde Atmosphäre, die zu allen Wetterlagen passt.

Die Höfe bieten Rückzucksmöglichkeiten, um Eindrücke wirken zu lassen.

Dezenter und angemessener hätte das Empfangsgebäude kaum ausfallen können. Den Architekten ist es gelungen, weder durch kühle Abstraktion, noch durch sakral wirkende Räume den Zugang zur Gedenkstätte als Filter, als Schleuse zu fassen: Grölende Schüler, Angehörige und Nachfahren von Ermordeten und Tätern, aber auch konventionelle Touristen – die heterogene Besucherschaft wird hier gleichermaßen angesprochen und an der Grenze zwischen quirligem Alltag und den Stätten grausamen NS-Terrors zusammengeführt.
Ursula Baus

EG
Schnitt
Schwarzplan

KZ-Gedenkstätte Dachau
2009

Neubau eines Besuchergebäudes
Alte Römerstraße 75
85221 Dachau

Auftraggeber
Freistaat Bayern
Staatliches Bauamt
Freising

Architektur
Florian Nagler Architekten
München

Tragwerksplanung
merz kley partner ZT
Dornbirn

Landschaftsplanung
Latz und Partner
Kranzberg

Ausstellungsgestaltung
Medientechnik

janglednerves
Stuttgart

Bauphysik
Müller BBM
Planegg

Bruttogeschossfläche
1050 m2

Baukosten
4,7 Mio  €

Fotografie
Stefan Müller-Naumann
München



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