Etz Chaim - Gemeindezentrum und Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde

Versöhnung durch Umnutzung

10. September 2009

"Etz Chaim"
Gemeindezentrum und Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde
2009

Fuhsestraße 6
30419 Hannover

Auftraggeber
Stiftung Liberales Judentum
Hannover

Architektur
ahrens grabenhorst architekten BDA
Hannover

Projektleiter
Gesche Grabenhorst
Roger Ahrens

Bauleitung
ahrens grabenhorst architekten BDA

Tragwerksplanung
Heinrich Meier
Hannover

Haustechnik
HTA Planungsgesellschaft
Hildesheim

Bruttogeschossfläche
2.705 m2

Baukosten
KG 100-700 (DIN 276)
3,45 Mio. Euro

Fotografie
Roland Halbe


Blick auf das Eingangsportal mit einem vorgehängten, ornamentierten Gitter aus eloxiertem Aluminiumblech.

Bundesweit beklagen christliche Kirchen einen dramatischen Mitgliederschwund. Auch die Gustav-Adolf-Gemeinde in Hannovers Stadtteil Leinhausen konnte den Unterhalt ihrer Kirche nicht länger finanzieren. Man schloss sich mit einer Nachbargemeinde zusammen, deren Räumlichkeiten nun gemeinsam genutzt werden. Einen kontinuierlichen Zulauf hingegen verzeichnet Hannovers jüdische liberale Gemeinde, die seit ihrer Gründung 1995 von 79 auf über 600 Personen aus 14 Nationen gewachsen und damit die mit Abstand größte liberale Gemeinde Deutschlands ist. Nach Bielefeld wurde daher nun in Hannover zum zweiten Mal in Deutschland eine Kirche in eine Synagoge umgewandelt.  
Neben der obligatorischen Entfernung des Kreuzes an der Hauptfassade fällt vor allem die Aufstockung und Begradigung der gewaltigen Betonrampe des von Fritz Eggeling geplanten Ursprungbaus aus dem Jahre 1968 ins Auge. Eine Dehnungsfuge zwischen dem neuen Bauteil und der im Volksmund salopp bezeichneten „Sprungschanze Gottes“ lässt die ursprüngliche Kontur lediglich erahnen. Der Baukörper in strahlendem Weiß verleiht der an sich wuchtigen Masse Leichtigkeit; Sockel und einen Innenhof umschließende Nebengebäude (mit Café, Kindergarten, Jugendzentrum und Büros) nehmen sich durch einen dunkelgrauen Farbauftrag dezent zurück.

Café, Kindergarten, Jugendzentrum und Büros umschließen einen Hof. Im Hintergrund der wuchtige Block mit Gemeindesaal und Synagoge.

Den Haupteingang markiert ein über drei Geschosse vor die Fassade gehängtes Gitter aus goldeloxiertem Aluminiumblech. Ausstanzungen von Drei- und Sechsecken bilden ein Ornamentmuster, das aus dem Davidstern entwickelt wurde. Der freisinnige Geist der Bauherren, die sich ausdrücklich ein modernes und offenes Gebäude wünschten, ist insbesondere im Innern erlebbar. Schlichte, weiß verputzte Wandflächen kontrastieren mit anthrazitfarbenen Stein- oder Linoleumböden, Fensterrahmen und Türen. Oberhalb der beiden großzügigen Foyergeschosse – auf der ehemaligen Empore des Kirchenraums – befindet sich heute eine Bibliothek für jüdische Literatur.

Blick in den Synagogenraum, der im 1. Obergeschoss über dem Gemeindesaal liegt.

Am wichtigsten war den Architekten Roger Ahrens und Gesche Grabenhorsts aber der über dem Gemeindesaal gelegene, sieben Meter hohe Synagogenraum. Je zwei kleine Fenster aus Sicherheitsglas an den Längsseiten und ein zentrales Oberlicht lassen das Tageslicht eher spärlich einfallen. Dafür schaffen stoffbespannte Glasscheiben, hinterleuchtet durch dimmbare LED-Leisten, samtweiche Lichtstimmungen und verbreiten eine sakrale Atmosphäre. Im so dreiseitig umfassten, nahezu quadratischen Gebetssaal fokussiert sich der Blick auf den durch drei Stufen erhöhten, östlich anschließenden Toraraum. Die Verkleidung des Toraschranks mit dem auch eingangs verwendetem perforierten Aluminiumblech macht eine axiale Raumfolge ablesbar. Die ebenfalls von den Architekten entworfenen rituellen Gegenstände wie Menora, Hanukia, Bima, Toravorhang und Ewiges Licht zeugen von einem starken Vertrauensverhältnis zwischen Planern und Nutzern.
Natürlich fiel es der Gustav-Adolf-Gemeinde nicht leicht, ihre Kirche aufzugeben. Nach Umgestaltungsvorschlägen für ein diakonisches Kaufhaus und Anfragen des Alpenvereins, der die hohen Wände zum Klettern nutzen wollte, sind die meisten Gemeindemitglieder aber zufrieden mit der Lösung, die letztlich gefunden wurde. Einige verstehen den Umbau zur Synagoge als Geste der Versöhnung. Viele sind froh, dass ein Abriss vermieden werden konnte; darüber hinaus folge die religiöse Weiternutzung schließlich der Bestimmung ihres einstigen Gotteshauses.
Hartmut Möller

Grundriss EG
Grundriss 1. OG
Schnitt

"Etz Chaim"
Gemeindezentrum und Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde
2009

Fuhsestraße 6
30419 Hannover

Auftraggeber
Stiftung Liberales Judentum
Hannover

Architektur
ahrens grabenhorst architekten BDA
Hannover

Projektleiter
Gesche Grabenhorst
Roger Ahrens

Bauleitung
ahrens grabenhorst architekten BDA

Tragwerksplanung
Heinrich Meier
Hannover

Haustechnik
HTA Planungsgesellschaft
Hildesheim

Bruttogeschossfläche
2.705 m2

Baukosten
KG 100-700 (DIN 276)
3,45 Mio. Euro

Fotografie
Roland Halbe


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