Raum für religiöse Gedanken

Knappe Budgets sind bei öffentlichen Bauaufträgen keine Seltenheit. Dem fertigen Gebäude muss dieser Geldmangel nicht anzusehen sein. Denn auch mit begrenzten Mitteln lässt sich gute Architektur realisieren – die Schwerpunkte wollen nur richtig gesetzt sein. Beim Neubau der Evangelischen Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg war Klumpp + Klumpp Architekten schnell klar, welche Bereiche die Hochschule nach außen zu repräsentieren hatten und somit verhältnismäßig viel Geld kosten würden und an welchen Stellen gespart werden konnte, ja musste. Die Klinkerfassade bezieht sich mit ihrem hellen Beige auf die Sandsteinfassaden der Ludwigsburger Häuser aus dem Barock.
Das großzügige, offene Foyer erschließt die Cafeteria und die Bibliothek im Untergeschoss, rechter Hand führt eine breite, dreiläufige Treppe in die oberen Etagen. Sie ist das wichtigste Element des Neubaus und inszeniert durch Verengungen und Aufweitungen den Weg nach oben – ein weiterer Bezug zum Barock, der die Treppen als Prachträume feierte. Dank großer Oberlichter fällt das Tageslicht entlang der Brüstungen nach unten und zieht den Besucher in einem Sog nach oben.

Die Öffnungen in der Fassade orientieren sich an der Umgebung, intensivieren den Bezug zwischen Innen und Außen. Immer dort, wo die Innenraumnutzung im Freien fortgesetzt werden kann und soll, ordneten die Architekten großzügige konische Einschnitte an: im Erdgeschoss vor dem Haupteingang und der Cafeteria, im Untergeschoss vor der Bibliothek und den Lesehöfen.
Genauso konsequent wie die Fassade ist auch der Grundriss gegliedert. Die Büros sind als Einbund nach Westen orientiert, die Seminarräume liegen auf der anderen Seite des Gebäudes und werden über große Glasflächen mit Ost- und Südlicht versorgt. Dass die Möbel so gut mit der Architektur harmonieren, ist der Hartnäckigkeit der Architekten zu verdanken. Doch leider war der Etat nicht groß genug, um auch noch die Bibliothek mit einer neuen Einrichtung auszustatten.

Die Evangelische Landeskirche Württemberg bestand darauf, im Neubau der Hochschule Platz für einen Andachts- und Meditationsraum zu schaffen. Klumpp + Klumpp Architekten betrachteten diesen, wenn auch nur kleinen Raum als wesentlichen Teil des Gebäudes und gestalteten ihn sehr zurückhaltend, so dass er eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt. Boden, Wände, Decke und Stühle sind reinweiß, einzig der schwarze Altarstein setzt einen Akzent. Die Studenten protestierten anfangs heftig, sie konnten sich nicht vorstellen, von dieser Rückzugsmöglichkeit zu profitieren. Mittlerweile sitzen viele von ihnen gerne im Raum der Stille und genießen die Momente fern der Hektik des Alltags.
Simone Hübener