Radhaus

Eine oft zu beklagende Situation: Man befestigt sein Fahrrad an einem Fahrradständer, unternimmt irgend etwas und muss bei der Rückkehr feststellen, dass der Rahmen des Rads verbogen ist, das Vorderrad eiert oder dass sich noch Schlimmeres ereignet hat! Wenn das Fahrrad nicht nur für ein paar Minuten, sondern einen ganzen Tag abgestellt ist, muss man gerade an Bahnhöfen damit rechnen, dass es kaputt oder ganz verschwunden ist. In Erfurt, wo der ICE-Bahnhof als Umsteigestation nicht primär zum Auto, sondern zu Bus, Straßenbahn und Fahrrad begriffen wird, ist man konsequent vorgegangen und setzte zwischen Bahndamm und den traditionsreichen "Thüringer Hof" eine neue Radstation, in der die Fahrräder sicher und witterungsgeschützt untergebracht werden können. Im Kopfbau werden – vom Bahnhofsvorplatz gleich zu finden – auch die traditionsreichen Thüringer Bratwürste vom Holzkohlegrill angeboten, auch eine Fahrradwerkstatt mit -verleih fand hier Platz.

Etwa 6 Meter hoch und 70 Meter lang, bietet der Radraum Platz für Leihräder, behindertengerechte Fahrradparkplätze, 260 Doppelparkerplätze und 32 abschließbare Fahrradboxen. Die Station zu nutzen kostet nichts! Die transluzente Hülle aus hochdämmenden 9-Kammer-Polykarbonatplatten lässt viel Tageslicht in den langen Baukörper. Geschickt wussten die Architekten diese Fassade aber auch als Leuchtfläche in der Nacht zu nutzen, wobei die mit goldener und silberner Folie aufgeklebten Radfahrerfiguren bestens zur Geltung kommen.

Der Typus "dekorierter Schuppen" steht hier in Erfurt in einer verkehrstechnisch wichtigen Funktion und sinnfälligen Gestaltung. Einfach konstruiert, gut proportioniert und ansprechend dekoriert, signalisiert er, welch hohe Bedeutung dem Fahrrad im Verkehrsverbund generell und im stadträumlichen Gefüge konkret eingeräumt wird. Leider sorgen viel zu wenig Städte dafür, dass das Fahrrad als umweltverträglichstes Verkehrsmittel anerkannt wird und entsprechende infrastrukturelle Einrichtungen zur Verfügung stehen.
Ursula Baus