Willy-Brandt-Platz und Weserdeich in Bremerhavens Havenwelten

Plätze am Meer

25. Juni 2014


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Archiv «Bau der Woche»

Willy-Brandt-Platz und Weserdeich in Bremerhavens Havenwelten
2013

Willy-Brandt-Platz
27568  Bremerhaven

Nutzung
Platz für Veranstaltungen, Schiffsanleger und Naherholung

Auftragsart
VOF-Verfahren

Bauherrschaft
BEAN, Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft
Alter/Neuer Hafen mbH und Co. KG
Projektsteuerung:
BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung 27568 Bremerhaven

Landschaftsarchitektur
Latz + Partner LandschaftsArchitekten Stadtplaner, Kranzberg
Team: Tilman Latz mit Oliver Keil, Rebekka Stracke, Michael Schulze

Bauleitung
Latz Riehl Partner Landschaftsarchitekten, Kassel
Team:  Ernst Bauermann, Tobias Ußner, Steven Weihe

Gesamtkosten
Willy-Brandt-Platz: 1.600.000 € netto
Deich Ausstattung: 340.000 € netto

Fotos
Markus Tollhopf

Der Willy-Brandt-Platz markiert an der Schleuseneinfahrt zum neuen Hafen das Tor zur Stadt von der Wasserseite aus.

Thomas Geuder: Was war Ihre Inspiration für dieses Projekt und mit welcher Idee antworten Sie auf die Aufgabenstellung? Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?
Tilman Latz: Ein Schwarm Meeresfische drängt neugierig auf den neu entstandenen Platz unterhalb des «Zoos am Meer» an der Einfahrt zu Bremerhavens «Havenwelten». Seit 2001 entsteht auf den verlassenen und nutzlos gewordenen Flächen des Alten Hafens eine neue urbane Landschaft, werden die harten Ingenieurkonstruktionen der Infrastruktur für den Wind- und Hochwasserschutz zu lebendigen Elementen dieser Landschaft und zu kraftvollen Stadträumen. Willy-Brandt-Platz, neuer Weserdeich und Promenade erweitern diese Räume für die Stadt und ihre Bürger um den direkten Kontakt zu «ihrem Fluss», der in der Ferne die Nordsee erahnen lässt. Mit blauen Toplichtern versehene, 14 Meter hohe Multifunktionsmasten erinnern an die Zeiten der Segelschifffahrt und markieren die Kante zum Wasser. Zwei bis dreimal im Jahr müssen die gestrandeten Fische zurück ins Wasser; die zur Abendsonne gerichteten, steinernen Lehnen, die Sitzelemente aus Beton und die Bänke aus Leimholzbindern mit dem weiten Blick über die Wesermündung werden zu Flutschutzmauern und Wellenbrechern, schützen die Bürger, die Stadt und ihre Landschaft vor dem Toben der Elemente. Die Fische kommen erst zurück, wenn die Gefahr vorüber ist.

Der Anstieg des Meeresspiegels erzwingt nicht nur in Europa eine Erhöhung der Schutzdeiche um teils mehrere Meter. Resultat sind hunderte Kilometer lange, streng nach ingenieurstechnischen Verfahrensweisen entwickelte Großstrukturen, die zwar technisch notwendig sind, aber selbst als «grüne Wände» zunehmend bedrohlich wirken. Vor allem aber besetzen sie fast das ganze Jahr relativ «nutzlos» einen wichtigen Landschaftsraum. Was bisher stolze Lebensgrundlage war, schränkt den einst attraktiven Bezug meeresnaher Lebensräume zum Meer immer mehr ein.

Wir schlugen vor, den notwendigen Umbau des Deichs und eines der Hafenschleuse vorgelagerten Anlegers in Bremerhaven zum Anlass zu nehmen, einen stadtnahen Abschnitt des Deichs und vor ihm liegende Hafenanlagen zu spektakulären, vielfältig nutzbaren Freiräumen umzugestalten. Dabei war es für uns entscheidend, neue Nutzungsmöglichkeiten konsequent aus den ingenieurtechnisch notwendigen Elementen und Materialien abzuleiten, bzw. die bisher nur temporär aufgestellten Bänke für die Flut auf elegante Weise hochwasserfest zu machen. Der Platz entwässert zu einem zentralen Ablauf, der verschließbar ist und so – an der im Bereich Bremerhavens zum Schwimmen ungeeigneten Weser – eine temporäre Flutung zum glitzernden «Fischwasserspielplatz» erlaubt.

Die Planung sollte eng mit der Geschichte der Stadt als ehemaligem Auswanderer-, Handels- und Fischfanghafen verbunden werden. Dabei konnten wir an unsere erfolgreiche Arbeit am Umbau des Alten- und Neuen Hafens anknüpfen, den wir seit 2002 schrittweise zu einem touristischen Magneten und großzügigen Freiraum für die Bremerhavener Bürger umgestaltet haben.

Im Sommer besuchen Spaziergänger den Platz, er dient als Fährhafen für Ausflugsschiffe und als temporärer Festplatz.

Welchen Einfluss hatten Bauherrenschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen auf den Entwurf? Wirkten sich aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen auf das Projekt aus?
Unsere mehrfach ausgezeichneten Arbeiten an den zentralen, historischen Hafenanlagen der Stadt Bremerhaven haben die Entwicklung der Stadt erfreulicherweise sehr erfolgreich beeinflusst. Dabei haben wir uns intensiv mit den «gebauten» Landschaften, deren spezifischen ingenieurtechnischen Grundbedingungen und historischen Identitäten auseinandergesetzt und dann zu einer neuen Gestaltsprache weiterentwickelt. Dies führte sicher zu einem großen Vertrauen in unsere Arbeit, gleichzeitig aber auch zu einer hohen Erwartungshaltung, die uns große Freiräume für unsere Vorschläge für Deich und Vorhafen gab. Bürger, Politik und Verwaltung unterstützten unsere Ideen von Anfang an. Das machte uns und der Verwaltung Mut, auch die Bürger in Entscheidungen mit einzubeziehen. So wurde etwa die Leimholzbinderbank, als eine von drei erarbeiteten Alternativen, mit einem Bürgervotum ausgewählt.

Von großer Wichtigkeit war die Zusammenarbeit mit Bremen-Ports und den städtischen Administrationen im Rahmen der Materialfindung. Anders als im Alten-/Neuen Hafen mussten wir sehr schnell von einer Erweiterung der gebundenen Pflasterflächen in den Vorhafen absehen, denn sie wären bei Sturmfluten, von den Saug- und Druckkräften großer Wellen, schnell zerstört worden. Zum Einsatz kam daher ein speziell für Hochwasserbereiche entwickelter Betonstein (Fa. Stangl AG), der mit einem Nut-und-Feder-System den enormen Naturkräften standhalten kann. Da die Verdichtungsprozesse des Gleitbodens weitgehend abgeschlossen sind, konnte zentral eine schlichte Asphaltfläche eingebracht werden, für deren Oberfläche wir die Idee des Fischschwarms entwickelten.

Schon während der Bauzeit erkannten die Bürger Bremerhavens die neuen Potentiale, «besetzten» die abgesperrten Bereiche für Picknick, Sit-In und Erholung und genossen Wind und Abendsonne. Deich und Willy-Brandt-Platz gehören zu den bedeutendsten Erholungsflächen der Stadt, die von allen Bevölkerungsteilen und einer wachsenden Touristenzahl intensiv genutzt werden.

Die Bank «Flut», ein neu entwickelter Banktyp aus Leimbinderholz mit massiver Fundamentierung, kann Wind und Wasser trotzen und ersetzt die bisher nur temporär aufgestellten Bänke.

Wo in dem Projekt finden wir die «Handschrift des Büros» wieder?
Unser Büro ist eher am Genius des Ortes interessiert als am Genie des Designers. Je nachdem, welche Kulturlandschaft wir vorfinden und mit welchen Menschen wir zusammenarbeiten, sehen unsere Projekte daher recht unterschiedlich aus. Gemeinsam ist ihnen die konsequente Arbeit an starken Details, die nachhaltig wirken, in Würde altern können und die spezifische Identität des Ortes transportieren. Unsere «Handschrift» kann weitestgehend als kontextuell bezeichnet werden. In Bremerhaven findet sich daher vor allem die «Handschrift der Seestadt Bremerhaven», der wir zum Ausdruck verholfen haben.

Neue Nutzungsmöglichkeiten ingenieurtechnisch notwendiger Elemente: Wellenbrecher aus Beton sind als Sitzelemente gestaltet und bieten weite Blicke über die Wesermündung.
Gesamtgebiet Havenwelten - Alter / Neuer Hafen Bremerhaven
Plan Willy Brandt-Platz


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27568  Bremerhaven

Nutzung
Platz für Veranstaltungen, Schiffsanleger und Naherholung

Auftragsart
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Bauherrschaft
BEAN, Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft
Alter/Neuer Hafen mbH und Co. KG
Projektsteuerung:
BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung 27568 Bremerhaven

Landschaftsarchitektur
Latz + Partner LandschaftsArchitekten Stadtplaner, Kranzberg
Team: Tilman Latz mit Oliver Keil, Rebekka Stracke, Michael Schulze

Bauleitung
Latz Riehl Partner Landschaftsarchitekten, Kassel
Team:  Ernst Bauermann, Tobias Ußner, Steven Weihe

Gesamtkosten
Willy-Brandt-Platz: 1.600.000 € netto
Deich Ausstattung: 340.000 € netto

Fotos
Markus Tollhopf

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