Offen zur Stadt

Mannheims Innenstadt hat einen leicht wiederzuerkennenden Stadtgrundriss. Der genaue Blick offenbart allerdings in der Dichte und Regelmäßigkeit eine erstaunliche Vielfalt. Exemplarisch dafür kann der Block B7 (oder das Quadrat, wie man in Mannheim sagt, geometrische Definitionen nicht allzu ernst nehmend) und seine Nachbarbebauung stehen. Gelegen am südwestlichen Rand des Quadratrasters, dort wo Unregelmäßigkeiten die Erweiterung des 19. Jahrhunderts ablesen lassen, ist B7 dicht bebaut. Direkt gegenüber stehen Gebäude der Universität als Solitär der Nachkriegsepoche, das Nachbarquadrat B6 liegt noch offen wie ein hohler Zahn. Kriegsschäden haben Brachen geschaffen, die noch immer nur als Parkplatz genutzt werden. Nun, unser Neubau findet sich an der südwestlichen Ecke des Blocks B7, ein altes, dreigeschossiges Gebäude musste abgerissen werden, da seine Substanz den Erhalt nicht mehr zuließ. Lorentz Roth Architekten ersetzten es durch einen achtgeschossigen Neubau mit acht Wohnungen, der markant die Ecke akzentuiert. Geschickt sind Bezüge der Nachbarbebauung aufgenommen, nur auf den ersten Blick scheint man hier einem Gebäude gegenüberzustehen, das sich als Solitär gerieren will. Das in hellem, sanftem gelb gehaltene Volumen wird von einem ockerfarbenen Winkel eingefasst, der die Verbindung zu den Nachbarbauten herstellt. Auch dass das Gebäude von einem Pultdach gekrönt wird, erkennet man erst bei genauem Hinsehen. Kanten werden aufgenommen, der auskragende Riegel des Obergeschosses nimmt humorvoll Bezug auf den Erker des benachbarten Hauses aus dem 19. Jahrhundert. Auch dessen Fensterformate und Rahmungen werden modern interpretiert. Die verschieden tief eingeschnittenen Loggien, innen weiß gestrichenen, als habe man in einen Körper eingeschnitten, Auskragungen und Rücksprünge in den Obergeschossen verzahnen mit dem Stadtraum, schaffen Platz für private Freiräume, lassen das Haus weniger massiv erscheinen.

Ebenso phantasievoll wie das Äußere ist die Gundrissstruktur. Die acht Wohnungen sind nicht als einfache Geschosswohnungen angelegt: Variation wird dadurch geschaffen, dass im nördlichen Teil in den Geschossen eins bis vier zwei Maisonetten übereinander gestapelt wurden, vorne sind jeweils kleinere Geschosswohnungen zu finden. Erst im fünften Obergeschoss erstreckt sich eine Wohnung über das ganze Geschoss, desgleichen im sechsten, hier bekam die Wohnung als besonderen Bonus noch ein Studio im Dachgeschoss zugeschlagen. So wird aus dem stadträumlich und architektonisch ambitionierten Eckhaus auch ein gut brauchbares Wohngebäude. Beides ist geeignet, die in den Quadraten herrschende Tradition der Vielfalt durch neues Leben fortzusetzen.
Christian Holl