Verlockend anziehend

Thomas Geuder
9. Januar 2013
Ein temporärer Pravillon ganz in Gold – farblich passend zur Ausstellung und trotz schlichter Gebäudekubatur passend zur umgebenden Architektur. (Foto: KME / Christian Richters)

Seit jeher übt Gold eine große Faszination auf Menschen aller Kulturen aus. Seine Schönheit und Pracht sind Ausdruck von Macht und Reichtum, sein überirdischer Glanz ist Sinnbild für das Ewige, Magische und nicht zuletzt für das Göttliche. Grund genug für zahlreiche Könige und Herrscher also, sich mit diesem kostbaren Material üppig zu schmücken und etwa Bauten mit Gold zu verzieren oder gar komplett zu verkleiden – etliche Beispiele finden sich weiltweit in allen Kulturkreisen. Heutzutage jedoch werden Gebäude nur noch selten mit echtem Gold versehen, weil (aus unserer mitteleuropäischen Sicht) viel zu dekadent oder schlicht zu teuer. An seine Stelle scheint das Glas getreten zu sein, durch das ein Gebäude gerne auch mal wie ein klarer Diamant auszusehen vermag – ein Sinnbild, das manch Bauherren nicht unrecht sein dürfte. Und für all die, die des ewigen Glas-Booms mittlerweile überdrüssig sind, gibt es neuerdings Fassaden aus reinem und unschuldigem Weiß. Ob Macht, Reichtum, Transparenz oder Unschuld: Hinter einer derartigen Akzentuierung steckt nicht selten die Absicht, die eigene Firmenphilosophie in der Gebäudehülle als klare und unmissverständliche Botschaft abzubilden – und leider dabei manchmal auch zu kaschieren, was Außenstehende eigentlich nicht sehen sollen. Otto Normalpassant jedenfalls hat‘s schon längst durchschaut.

Der goldene Ausstellungspavillon ordnet sich formal seiner Umgebung unter, ist durch seine Fassadengestaltung aber ein weithin sichtbarer Anziehungspunkt. (Foto: KME / Christian Richters)

Abseits von Prunk und Pracht kann Gold an der Fassade durchaus aber auch seine Berechtigung haben, etwa wenn es statt um Effekthascherei um ein architektonisches Aufmerksammachen auf besondere Orte in der Stadt geht. Wem echtes Gold jedoch zu teuer ist, der kann auch auf günstigere, aber nicht minder wertige Alternativen zurückgreifen. Zum Beispiel verschiedene Kupfer-Legierungen, mit denen sich ein Gebäude ebenso schön „vergolden“ lässt. Kupfer-Legierungen kennt Otto in Form von Bronze (einer Legierung mit mindestens 60 Prozent Kupferanteil) oder Messing, der bekanntesten Kupferlegierung mit Zink als Legierungsmetall. Bei dem Florentiner Hersteller für Kupferlegierungen KME mischt man zum Kupfer gerne auch Aluminium, woraus eine Verbindung entsteht, die die guten Eigenschaften beider Metalle vereint. Die Oberfläche von „TECU Gold“ mattiert der Witterung ausgesetzt schon bald, und es entsteht ein warmgoldener Farbton. Das Aluminium in der Legierung verhindert dann, dass sich die Oberfläche (wie eigentlich bei Kupfer üblich) weiter verdunkelt. Eine so vergoldete Fassade behält ihren Farbton und somit ihre anziehende Wirkung auch nach Jahren nahezu unverändert bei.

In den Pavillon gelangt man über eine Rampe an einer der vier komplett verglasten Stirnseiten. (Foto: KME / Christian Richters)

Nicht für Jahre, dennoch für einige Monate war der Pavillon anlässlich der Ausstellung «Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen» konzeptioniert, die von Februar bis Mai 2012 im LWL-Landesmuseum sowie in der Domkammer in Münster zu sehen war. Entworfen von Modulorbeat aus Münster in Kooperation mit Studierenden der msa | münster school of architecture entstand hier ein temporäres Bauwerk, dessen Aufgabe mit einer goldenen Fassade nicht besser hätte realisiert werden können: Das Gebäude wird zu einem Signet, das das Thema der Ausstellung «Goldene Pracht» in den öffentlichen Raum transportiert und außerdem durch seine Erscheinung für viel Aufmerksamkeit sorgt. Die Architekten ließen hierfür die KME Kuperlegierung TECU Gold von MN Metall aus Neustadt zu einer senkrecht profilierten Fassade falzen, durch die das Sonnenlicht noch zusätzlich in unterschiedlichen Nuancen reflektiert wird. Besonderer Clou dabei ist, dass die Abstände der Falze variieren, wodurch die Fassade nie gleichförmig erscheint und außerdem die Bauwerkskubatur akzentuiert wird. Auf dem weitläufigen Domplatz wirkt der Pavillon wie eine Markierung in der Stadt, die durch ihre golden glänzende Fassade weithin strahlt und die Passanten aus der Ferne anlockt. Raumhohe Verglasungen an den vier Spitzen im sternförmigen Grundriss bieten Einblick in den Innenraum, wo neben einer Informationsstelle über die Ausstellung vor allem eine Werkstatt untergebracht ist, in der sich Jung und Alt an der Goldschmiedekunst versuchen können. Und es hat funktioniert: Otto ließ sich verlocken von der goldenen Pracht und hat sich probiert. Sein einzigartiges Werk – übrigens nicht aus Gold, sondern aus einer Kupfer-Folie – wurde aber allerdings nie in der Ausstellung gezeigt.

Golden glänzende Fassaden sind nach wie vor möglich – dank raffinierter Metall-Legierungen. (Foto: KME / Christian Richters)
Über die Fundamente musste ein recht großer Höhenunterschied ausgeglichen werden. (Foto: KME / Christian Richters)
Der Innenraum ist geprägt durch eine reduzierte Material- und Farbwahl: Boden, Decke und alle Wände sind ebenso wie alle Möbel und Einbauten aus hellem Holz, lediglich alles, was direkt mit der Arbeit zu tun hat, tiefschwarz lackiert worden. (Foto: KME / Christian Richters)
Grundriss
Der 95 m² große Pavillon wurde auf einzelnen Betonfundamenten erreichtet, die nach der Ausstellung rückstandslos entfernt werden können. (Foto: modulorbeat)
Die Wände (Sperrholzplatten aus insgesamt 40 m³ Nadelholz) sind allesamt tragend. An ihnen wurde die goldene Fassade aufgehängt. (Foto: modulorbeat)
Falzung Fassadenbleche
Lageplan
Bereits 2007 realisierten modulorbeat in Münster den temporären Pavillon «switch+», mit einer variantenreich gelochten Fassade ebenfalls aus einer Kupferlegierung von KME. (Foto: KME, Christian Richters). Zu sehen unter: http://www.german-architects.com/de/projekte/19087_switch
KME Group S.p.A.
Florenz, IT

Projekt
Der goldene Pavillon
zur Ausstellung «Goldene Pracht – Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen
Münster, D

Hersteller-Kompetenz
TECU® Gold

Architektur
Modulorbeat
ambitious urbanists & planners
Münster, D

in Kooperation mit
Studierenden der msa | münster school of architecture
Münster, D

Bauherr
LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Münster, D

Tragwerksplanung
Führer Kosch Jürges
Prof. Dr.-Ing. Thomas Jürges
Aachen, D

Metallbearbeitung
MN Metallverarbeitung Neustadt GmbH
Neustadt, D

Verarbeitung am Bau
Schabos GmbH, Nordwalde (D)

Baumaterial
Nadelholz 40 m3; Beton 10m3

Holzbau
H.Schoster GmbH & Co. KG, Münster (D)

Fensterelemente
Niggemann GmbH + Co. KG, Münster (D)

Türelemente
Tischlerei Wieskötter GmbH & Co. KG., Senden (D)

Betonbau
Bauunternehmung Herbort, Münster, (D)

Standort
Münster (Westf.), Domplatz

Fertigstellung
Februar 2012

Fotonachweis
Christian Richters

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