Valser Natürlichkeit

Thomas Geuder
12. Mai 2015
Die von Peter Zumthor 1996 erbaute «7132 Therme» (ehemals «Felsentherme») wurde bereits 1998 unter kantonalen Denkmalschutz gestellt. (Bild: Ruckstuhl)

Vermutlich können nicht alle Bewohner von Vals die mediale Aufmerksamkeit der letzten Jahre gutheißen. Schließlich sind die wichtigsten Argumente, in Vals Urlaub zu machen, die relative Abgeschiedenheit, die beschauliche Atmosphäre, das reine Quellwasser und die gute Luft hier oben auf 1.252 m ü.M. Seit 2009 jedoch, seit die Gemeinde für die Therme einen geeigneten Investor suchte, der den Komplex übernehmen und ausbauen sollte, ist das Graubündner Dörfchen regelmäßig in aller Munde. Zunächst setzte sich im Jahr 2012 – für einige Architekturfachleute ein wenig überraschend – der Immobilienunternehmer Remo Stoffel beim Bürgerentscheid recht deutlich gegen die von Peter Zumthor geführte Interessengemeinschaft durch. Stoffel tut nun das, was er mit und nach dem Kauf tun sollte: Er investiert und hat Pläne für die Zukunft. Neben der Renovierung und dem Ausbau der touristischen Infrastruktur schwebt dem in Vals Aufgewachsenen derzeit vor allem eines vor dem geistigen Auge: Ein 381 m hoher Hotelturm mit rund 100 Betten, der nicht viele, aber zahlungskräftige Urlauber anlocken soll. Mit diesem Presigeobjekt will Stoffel den etwas eingeschlafenen Tourismus wieder ordentlich ankurbeln und den Charakter von Vals als Urlaubsort mit Qualität statt Quantität unterstreichen, so seine Vision. Einen derart hohen Turm – der gleichzeitig auch das höchste Gebäude der Schweiz sowie Europas, das höchste Hotelgebäude der Welt und mit einem Grundriss von 16 x 30 m das schlankste Gebäude obendrein wäre – in dieser Berglandschaft zu bauen, wäre frei von jeglichem Sinn, argumentieren viele andere. Den Valsern selbst wird bei diesem Gedanken wohl etwas schwindlig werden, und einige werden sich wieder etwas von der früheren Ruhe zurückwünschen. Diese Architektur-Geschichte indessen ist noch lange nicht abgeschlossen und wird viele wohl noch eine Weile beschäftigen. Uns bleibt an dieser Stelle vorerst nur der Verweis auf die bisherigen Meldungen aus Vals samt Bildergalerie des Entwurfs von Thom Mayne / Morphosis Architects der Züricher Kollegen und -innen von Swiss-Architects.

Direkt hinter der Therme befindet sich das Haupthaus aus den 1960er-Jahren, das die Therme mit einer bogenförmigen Geste umfasst. (Bild: Ruckstuhl)

Zumindest was die architektonische Vision für Vals angeht, hat Remo Stoffel bereits gezeigt, dass es ihm ernst ist mit der Neuausrichtung des Valser Tourismus. So hat er das der «7132 Therme» (ehemals «Felsentherme») angegliederte Hotel aus den 1960er-Jahren mit seinem sanft bogenförmigen Grundriss renovieren und umbauen lassen und sich dabei die Unterstützung von international renommierten Architekten geholt. Da sind Namen wie Kengo Kuma oder Tadao Ando zu lesen, die für die Inneneinrichtung des logischerweise in «7132 Hotel» umbenannten Haues (7132 ist die Postleitzahl von Vals) zuständig waren und deren Entwürfe sich zu den bereits von Peter Zumthor eingerichteten Zimmern gesellen. Die konkrete Ausführung und Überwachung des Projekts vor Ort wurde in die Hände des Schweizer Büros Giubbini Architekten aus Chur gegeben. Sie legten bei ihrem Entwurf Wert auf Materialien, die die Natürlichkeit der Umgebung ins Innere transportieren und so die Naturnähe und Ursprünglichkeit auch hier erfahrbar machen. In den Zimmern wird dies je nach Urheber verschieden interpretiert, in den Fluren jedoch wählten die Architekten einen handgewebten Wollteppich aus dem Hause Ruckstuhl in Langenthal. Mit einem Totalgewicht von 2.400 g/m² besteht der hierfür gewählte Objektteppich «Trap» vorwiegend aus Ross- und Ziegenhaar sowie Schurwolle, auf der Unterseite befindet sich eine Appretur, lediglich 6 mm trägt das Material auf. Die Verbundenheit mit der Natur soll durch den Beigeton «283» zusätzlich hervorgehoben werden. Anspruchsvoll war bei diesem Bauwerk auch das Verlegen in den gebogenen Fluren, was jedoch durch die gute Schneidbarkeit des Materials sehr gut machbar war. Kein Problem sind in der auch durch Wintertourismus geprägten Region (laut Hersteller) auch Verschmutzungen, da der Wollteppich leicht zu reinigen ist. Dafür ist Wolle klimaausgleichend und wirkt gegen Trittschall. «Qualität statt Quantität» wird also hier bereits umgesetzt. Etwas anderes mag man sich für die beschauliche Gemeinde Vals auch gar nicht vorstellen.  tg

Dank der guten Schneidbarkeit konnte der Teppich exakt an die runde Flurform angepasst werden. (Bild: Ruckstuhl)
Das Material ordnet sich seiner klaren, quadratischen Musterung unter und soll die Gäste gleichzeitig auf die Qualität des Interieurs in den Zimmern vorbereiten. (Bild: Ruckstuhl)
Die Freude am Detail findet sich zum Beispiel an den Treppenstufen, an die die Verlegerichtung es Teppichs angepasst ist. (Bild: Ruckstuhl)
Trap besteht aus 35% Haargarn, 27% Schurwolle, 20% Jute, 10% PP sowie 8% Baumwolle und ist nur 6 mm hoch. (Bild: Ruckstuhl)
Die prägnante Naturlandschaft hatte vor nunmehr über 20 Jahren den Architekten Peter Zumthor aus Haldenstein zu der charakteristischen Materialsprache des Thermen-Baus inspiriert. (Bild: Ruckstuhl)

Projekt
Renovierung 7132 Hotel
Vals, CH

Architekten
Kengo Kuma and Associates
Tokyo, JP

Giubbini Architekten ETH SIA AG
Chur, CH

Hersteller
Ruckstuhl AG
Langenthal, CH

Kompetenz
Objektteppich Trap

Bauherr
7132 AG
Chur, CH

Fertigstellung
2014

Fotografie
Ruckstuhl



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