10. Januar 2017
Das neue Innovationszentrum von «GE Global Research» in Garching gehört zu einem weltweiten Netzwerk unternehmenseigener Forschungseinrichtungen. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Mit Thomas Alva Edison begann 1879 die Geschichte von General Electric. Entsprechende Experimentierfreudigkeit mit Bodenhaftung sollte das neue Forschungszentrum in Garching ausstrahlen. Die Architektur dafür lieferten OSA aus München.
Projekt: Neubau GE Global Research (Garching, DE) | Architektur und Generalplanung: OSA Ochs Schmidhuber Architekten (München, DE) | Bauherr: GE Global Research (Garching, DE) | Hersteller: Pazdera AG (Alu-Fassade), I-S-T (Gläser mit ingetriertem Sonnenschutz), Fa. Flachglas (Gläser ohne Sonnenschutz)
Garching ist nicht nur eines von vielen kleineren Städten im Einzugsbereich von München, hübsch gelegen an der Isar, per Überland-U-Bahn bestens mit der Maxvorstadt und schließlich direkt mit der Innenstadt verbunden. Nein, hier, genauer: im Nordosten Garchings befindet sich einige der wichtigsten universitären und außeruniversitären Forschungszentren mit weltweit hohem Bekanntheitsgrad. Zu finden ist dabei nahezu alle Fachrichtungen, von Mathematik, Informatik und Chemie über Astro-, extraterrestrische und Plasmaphysik bis hin zu Energieforschung und Anlagen- und Reaktorsicherheit. Kein Wunder also, dass sich das Traditionsunternehmen General Electric – von dem Erfinder der Glühbirne Thomas Alva Edison 1879 gegründet – hier ebenfalls findet und seit 2004 mit seinem «GE Global Research» eines von weltweit insgesamt sieben Forschungszentren für rund 200 Mitarbeiter betreibt. An diesem Ort nun wollte GE einen Neubau für das Europäische Headquarter errichten, wofür 2011 ein Architektur-Wettbewerb ausgerichtet wurde, aus dem OSA Ochs Schmidhuber Architekten aus München als klarer Sieger hervor gingen. Mit ihrem Neubau sollten 22.000 m² neuer Raum für Forschung und Wissenschaft, eine Kantine und ein Konferenzzentrum sowie viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Mit einer großen Geste wendet sich der Bau zur Freisinger Landstraße, der Hauptverbindungsstraße nach Garching bei München. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Die Entwurfsidee der architektonischen Großform basiert auf einer Acht, die anschließend in jedem Geschoss leicht modifiziert wird. Innerhalb entstehen so zwei Höfe, die die Architekten von OSA als Orte der Ruhe und Entspannung gedacht haben, in denen dem Menschen Freiraum gewährt wird. Auf den drei Obergeschossen entwickelt sich der Baukörper durch Verschieben und Weglassen, sodass immer wieder spannende räumliche Situationen entstehen. Ein Riegel des ersten Obergeschosses etwa kragt – an der Stirnseite leicht zurückversetzt – an beiden Enden über den Baukörper hinaus, wodurch für das Erdgeschoss ein beachtliches Vordach entsteht, das mit einer großen Geste (samt prominenter Fläche für das Firmenlogo) den neuen Haupteingang markiert. Im Stockwerk darüber wiederum wird die Ecke zur Freisinger Landstraße durch einen über das zurückversetzte erste Obergeschoss weit auskragenden und überhöhten Baukörper mit großzügiger Verglasung für Veranstaltungen merklich betont. Dadurch erhält der Neubau eine klare Gewichtung quasi nach hinten, zeigt sich umgekehrt zum Garchinger Forschungscampus als leicht abgetrepptes Bauwerk und reagiert somit nicht zuletzt auf Maßstäblichkeit des heterogenen Ortes mit seinen vielen einzelnen Gebäuden und dem Wiesäckerbach, dessen Wasser aus dem Englischen Garten unweit von hier in die Isar läuft.
Die Aluminium-Fassade besteht aus horizontalen Paneelen, die sich jeweils leicht in der Helligkeit unterscheiden. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Die Fassade ist gestalterisch in horizontalen Bändern gegliedert, die alle Gebäudeteile umfassen. Die Fensterbänder sind dabei jedoch nicht durchlaufend mit Gläsern versehen: Zwischen den feststehenden Fenstern – mit horizontalem Sonnenschutz im Glaszwischenraum – befinden sich in regelmäßigen Abständen Flächen mit horizontalen Lamellen, hinter denen sich raumhohe Öffnungsflügel befinden, mittels derer die Räume mit Frischluft versorgt werden können. Optischen Zusammenhalt möchten die Architekten außerdem mit umlaufenden Alu-Geschossbändern herstellen, die sich (gleich auf welcher Höhe) wie ein Rahmen um den gesamten Baukörper winden. Die Oberfläche der einzelnen Alu-Paneelen changiert leicht zwischen Hell und Dunkel, wodurch die Horizontale in der Fassadenansicht zusätzlich betont wird und somit ein belebtes Fassadenspiel entsteht. Innen schließlich sind die Büroetagen und Forschungsplätze als Open Space angelegt. Für ein Mindestmaß an Intimsphäre sorgen sogenannte «Hubble-Rooms», in denen konzentrierte Gespräche in kleiner Runde oder vertrauliche Telefonate geführt werden können. Auch die Materialität ist in Anlehnung an das Unternehmen gewählt: Als Pendant zum Aluminium der Fassade findet sich drinnen immer wieder Sichtbeton, gepaart mit hochwertig verarbeitetem Holz und Stahl. Dies soll an das industrielle Gründerzeiterbe von GE erinnern und einen stilistischen Bogen zu den hochtechnisierten und fortschrittlichen Firmenkulturen von heute spannen. Die Materialität soll auch als Referenz an die Ursprünge des Unternehmens und an die Kreativität verstanden werden: als Spiel mit Kontrasten, Materialitäten, Masse, Leichtigkeit, Statik, Schwerkraft, Balance – und nicht zuletzt an die Experimentierfreudigkeit mit Bodenhaftung und Sinnhaftigkeit, ganz im Sinne des Erfinders Thomas Alva Edison.
Der Neubau ist in Stahlbeton-Verbundbauweise erstellt und schafft nun 22.000 m² Raum für Forschung und Wissenschaft. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Lageplan (Quelle: OSA)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: OSA)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: OSA)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: OSA)
Im Glaszwischenraum befindet sich der Sonnenschutz aus horizontalen Lamellen. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Fassadendetails Vertikalschnitte (Quelle: OSA)
Nahezu alle Fenster in den Büros lassen sich nicht öffnen, für die nötige Belüftung sorgen raumhohe Elemente hinter den außenliegenden Lamellen. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Vom Saal für Pressekonferenzen und Veranstaltungen aus lässt sich der Blick auf das Hinterland von München genießen. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Die großzügige Auskragung des ersten Obergeschosses und das weithin sichtbare Firmenlogo markiert den neuen Haupteingang. (Foto: hiepler, brunier, / OSA / GE)
Projekt
Neubau GE Global Research
Garching, DE
Architektur und Generalplanung
OSA Ochs Schmidhuber Architekten
München, DE
Hersteller
Alu-Fassade: Pazdera AG, Coburg, DE
Gläser mit ingetriertem Sonnenschutz: I-S-T, Prutting, DE
Gläser ohne Sonnenschutz: Fa. Flachglas
Bauherr
GE Global Research
Garching, DE
Fassadenplanung
AMP Ingenieurgesellschaft mbH
Neuss, DE
Ausschreibung und Bauleitung
ERNST² Architekten AG
Stuttgart und München, DE
Tragwerkplanung
Professor Feix Ingenieure GmbH
München, DE
TGA
Teuber + Viel
München, DE
Brandschutz
Kerksen + Kirchner GmbH
München
Bauphysik
Möhler + Partner Ingenieure AG
München
Fertigstellung
2015
Fotografie
hiepler, brunier,
Projektvorschläge
Sie haben interessante Produkte und innovative Lösungen im konkreten Projekt oder möchten diesen Beitrag kommentieren? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Die Rubrik «Praxis» enthält ausschließlich redaktionell erstellte Beiträge, die ausdrücklich nicht von der Industrie oder anderen Unternehmen finanziert werden. Ziel ist die unabhängige Berichterstattung über gute Lösungen am konkreten Projekt. Wir danken allen, die uns dabei unterstützen.