Richtungsweisend

Thomas Geuder
16. Dezember 2014
Mit der Fertigstellung des neuen Hörsaal- und Seminargebäudes an der Barbarastraße ist der zweite wichtige Baustein eines neuen «Dreiklangs» am Westerberg realisiert worden. (Foto: Jens Kirchner)

Seit im Jahr 2009 die Hochschule und die Universität der Stadt Osnabrück beschlossen, den Standort Westerberg zu einem gemeinsamen Campus auszuformen, ist auf dem Gelände der ehemaligen militärischen Liegenschaften der Von-Stein-Kaserne (ehemals Woolwich Barracks) baulich viel passiert. Auf der Fläche im nördlichen Bereich des bereits bestehenden Hochschulgeländes – künftig das Bindeglied zum geplanten Wissenschaftspark nördlich der Sedanstraße – sollten in den folgenden Jahren drei wichtige Gebäude entstehen: eine Mensa, ein Hörsaalgebäude und eine Bibliothek. 2012 bereits wurde die Mensa eingeweiht, Mitte 2014 nun das Hörsaal- und Semiargebäude, das eine städtebaulich zentrale Rolle am neuen Ort zwischen Mensa und Bibliothek (Fertigstellung 2015 geplant) einnehmen wird. Diese Lage ist es letztendlich auch, die dem Bau seine markante Form gibt: Die direkte Verbindung zwischen Mensa mit vorgelagertem Platz und Bibliothek mit vorgelagertem Forum schneidet einen Keil aus dem Gesamtblock heraus, wodurch hier gleichzeitig der Eingang zum Gebäude markiert wird. Aus diesem architektonischen Akt ergaben sich bis zu knapp 30 m weite Auskragungen, die nicht zuletzt für die Statiker eine Herausforderung waren.

Mit dem Einschnitt wird eine starke Beziehung zwischen den Außenräumen hergestellt und der Eingang zum Hörsaalgebäude deutlich gekennzeichnet. (Foto: Jens Kirchner)

Die Außenhülle besteht aus einer 2-schalitgen Struktur: Auf der Außendämmung schützt eine leuchtend grüne Abdichtung vor Wind und Regen und ist somit die wetterwirksame Außenhaut. Außen davor befinden sich Tafeln aus vertikal lamellierten Aluminiumblech, die an ihren Stegseiten mit Langlöchern versehen sind. Je nach Blickwinkel entsteht so ein sehr unterschiedliches Fassadenbild: Frontal angeschaut ist es eher geschlossen, schräg betrachtet aber scheint sich die Fassade fast in einer Wolke aufzulösen, wobei das Grün der Abdichtung hindurch schimmert. Die Farbe Grün wurde übrigens als Referenz an die «Keimzelle» der Hochschule gewählt, die ihren Ursprung in der Fakultät der Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der damaligen «Höheren Landbauschule» hatte. Dieses Grün ist ein ständiger Begleiter am und im Gebäude, und so ist auch die Untersicht des angeschnittenen Körpers grün gefärbt, was nicht zuletzt dem dortigen Eingang eine besondere Relevanz geben soll. 

Das von oben und von den Seiten beleuchtete Eingangsfoyer ist durch den Ausschnitt des Keils räumlich gegliedert. (Foto: Jens Kirchner)

So ist auch der Innenraum vor allem geprägt von den Farben Grau, Silber/Metall, Weiß und Grün. Gleich im Foyerbereich eröffnet sich ein großer Bereich, den die Architekten «Lernlandschaften» nennen. Und das zurecht, denn dem Schnitt aus dem Baukörper folgend ergibt sich hier ein terrassierter Ort für Kommunikation und gemeinsames Lernen. Durch den schrägen Einschnitt, die sichtbare Tragkonstruktion und eine individuelle Möblierung entstehen hier verschiedene Zonen, in denn es sich die Studenten abseits des eher starren Layouts der Hörsäle gemütlich machen können. Der Charakter des gesamten Innenraums wird nicht zuletzt bestimmt durch die Deckenlandschaft, die das Thema der Linearität der Außenfassade nach innen transportiert und umsetzt in Akkustik-Baffeln und weiße Aluminium-Lamellen, die quer zur Gebäuderichtung angeordnet sind. 

Die «Lernlandschaft» ist die innenräumliche Erweiterung des Foyers und soll als zentraler Ort der Kommunikation, des gemeinsamen Lernens und des Wissensaustauschs für alle Studierenden fungieren. (Foto: Jens Kirchner)

Dabei war vor allem für die Lamellen nicht viel Platz, denn die gesamte Einbauhöhe von Unterkante Rohdecke bis Unterkante Lamellendecke durfte 100 mm nicht überschreiten, zudem liegen die Lüftungs- und Installationsschächte teilweise so dicht beisammen, dass eine Abhängung nicht möglich war. So wurden Weitspannträger aus Stahl unterhalb der Installationen über die knapp 2 Meter breiten Flure gespannt und daran die Tragprofile der Lamellendecke und letztendlich die Lamellen befestigt, die dank der geringen Profilhöhe von 39 mm und des trapezförmigen Profils auch bei den Spannweiten von hier bis knapp zwei Metern steif bleiben. Das minimiert letztendlich auch den Materialaufwand. Das Click-System der NE Lamellendecke versprach außerdem eine schnelle und einfache Montage und eine effektive Nachjustierbarkeit, damit der Verlauf der Lamellen ein einheitliches Bild ergibt. Zwischen den Lamellen sind übrigens – das bietet sich an – Langfeldleuchten angeordnet, die sich sehr elegant in das lineare Raster eingliedern und so das Thema der Linearität noch betonen.  tg

Ein großer Innenhof versorgt die – ebenfalls mit Querlammellen ausgestatteten – innenliegenden Flure mit natürlichem Licht. (Foto: Jens Kirchner)
(Quelle: Benthem Crouwel)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: Benthem Crouwel)
Grundriss 1. Obergechoss (Quelle: Benthem Crouwel)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Benthem Crouwel)
Längsschnitt im Bereich des Eingangs (Quelle: Benthem Crouwel)
Die einzelnen Lamellen der NE Lamellendecke lassen sich leicht nachjustieren, sodass ein harmonisches Gesamtbild der Decke erzeugt werden kann. (Foto: Bleck / Nagelstutz und Eichler)
Damit die Eingangsfassade möglichst transparent erscheint, sind die Riegel boden- bzw. deckenbündig eingebaut, die Vertikelafugen als Silikonfugen ausgeführt und die Ecken als Stufenglas geklebt. (Foto: Jens Kirchner)

Projekt
Hörsaal- und Seminargebäude, Campus Westerberg
Osnabrück, D

Architekten
Benthem Crouwel Architekten
Aachen, D und Amsterdam, NL

Hersteller
NE Metalldecken Paneeldecken
Nagelstutz und Eichler GmbH & Co. KG
Oer-Erkenschwick, D

Kompetenz
Lamellendecke Modul 75

Bauherrin
Stiftung Fachhochschule Osnabrück
Gebäudemanagement Hochschule Osnabrück
Osnabrück, D

TGA
IQ Haustechnik
Krefeld, D

Statik, Brandschutz, Schallschutz und Raumakustik
Kempen Krause Ingenieure GmbH
Aachen, D

Bauphysik
ENAKON Wolfenbüttel GmbH,
Hannover, D

Büro für Bauphysik
Hannover, D

Außenanlagen
Lützow 7
Berlin, D

Sonderbeleuchtung
Lichtwerke GmbH
Köln, D

Medientechnik
O&P Projektingenieure GmbH,
Ibbenbüren, D

Graphikdesign
Thonik
Amsterdam, NL

Fertigstellung
2014

Fotografie
Jens Kirchner 


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