Mit Wasser, Spachtel und Küchenpapier

Thomas Geuder
1. Oktober 2013
Seit 1690er-Jahren ist das Grundstück von Old Queen Street Nr. 30 bebaut, das heutige Gebäude stammt aus den 1850er-Jahren. (Foto: Lyndon Douglas)

Für manchen Investor ist das Thema Denkmalschutz eine – sagen wir einmal – unglückliche Sache. Einen alten Schuppen würde er am liebsten abreißen und sattdessen ein schönes, neues, schickes und die Bebauungslinien voll ausschöpfendes Gebäude errichten. Dumm für ihn also, dass die Gesellschaft ein Interesse am Erhalt wichtiger, baulicher Zeitzeugen hat. Großbritanniens Hauptstadt London ist sogar bekannt dafür, im Zweifelsfall besonders strenge Denkmalschutzauflagen durchzusetzen, die sich bis in den Innenraum erstrecken und am Ende sogar die allgemeinen Baurichtlinien überschreiben. Da kann es schnell mal passieren, dass eine Einfachverglasung erhalten werden muss, selbst wenn energetische oder auch technische Argumente dagegen sprechen.

Der Schnittplatz ist im Obergeschoss in einem dem hinter dem Gebäude beginnenden St. James Park zu gewandten Zimmer untergebracht. (Foto: Lyndon Douglas)

Auch Bodenaufbauten fallen oftmals unter die Beobachtung der Behörden. Bei einer Renovierung bedeutet das meist: Es darf möglichst wenig auf die tragende Struktur gepackt werden. Will der Bauherr da einen textilen Bodenbelag haben, kann der Planer schnell an Grenzen stoßen. Für diesen Fall (und andere) hat der Hersteller Forbo eine gute Lösung parat: Flotex nennt sich ein Bodenbelag, der nur 4,3 mm dick ist und dafür erstaunlich viel kann. Natürlich wirkt er schalldämmend (um 20 dB), wie fast jeder Teppichboden. Zusätzlich ist er mit Sanitzed® ausgestattet, schützt so vor mikrobieller Belastung und ist auch für Allergiker geeignet. Spannend wird es bei der Reinigung: Für die Entfernung von Flecken braucht man lediglich Wasser, Spachtel, Küchenpapier und etwas Geduld. Sie glauben‘s nicht? Schauen Sie das Video zur Reinigung weiter unten an. Möglich wird all dies durch den Aufbau von Flotex, bei dem in mehreren Schichten Glasfaservlies, Sanitized und Nylon-Flockfasern aufeinandergebracht werden. Die Fasern des Flockenvelours werden während der Verarbeitung statisch geladen und anschließend in das flüssige PVC Trägermaterial getaucht. Dieses Verfahren führt dazu, dass alle Fasern senkrecht bleiben und somit ein sehr dichter Belag mit ca. 70 Mio Fasern pro Quadratmeter entsteht, der weder Schlingen noch Verzwirnungen besitzt, in denen sich der Schmutz verfangen könnte. Die Farben werden per Walzdruckverfahren oder sogar Digitaldruck aufgetragen, wodurch viele Designs denkbar und wohl auch machbar sind.

Alle Räume wurden möglichst mit Einbaumöbeln ausgestattet, um die für London typischen schmalen Stadthausgrundrisse optimal zu nutzen. (Foto: Lyndon Douglas)

Das oben erwähnte Beispiel der zu erhaltenden Einfachverglasung stammt übrigens aus dem Projekt  der Renovierung des ZDF-Auslandsstudios in London, das sich seit Anfang der 1990er-Jahre in einem 6-geschössigen, denkmalgeschützten Gebäude mitten im politischen Hotspot der Stadt mit Buckingham Palace und Downing Street in unmittelbarer Nachbarschaft befindet. Für diese Maßnahme, die für das Gebäude gleichzeitig einen erheblichen Umbau bedeutete, arbeiteten die Architekten von «ÜberRaum» von Anfang an eng mit der Denkmalschutzbehörde zusammen, um alle notwendigen Genehmigungen zu erhalten. Schließlich sollte das Gebäude von allen über die Jahre hinzugekommenen Einbauten befreit werden und zusätzlich allen Anforderungen an ein modernes Fernsehstudio erfüllen. Knackpunkte waren vor allem die reversible, interne Vernetzung über einen Steigschacht und weiter in die Räume (letztere wurde in individuell angefertigten Einbaumöbeln versteckt) sowie die akustischen Anforderungen durch das Studio, was letztendlich in den Aufnahmebereichen durch ein Haus-im-Haus-Prinzip verwirklicht werden konnte. Auch beim Boden hatte die Denkmalschutzbehörde ein Auge auf die Planung, und so erwies sich Flotex als ideale Lösung sowohl in Sachen Gesamtdicke als auch bei der (Tritt-)Schalldämmung. Auch die leichte Reinigung stellte einen großen Vorteil für die doch stark frequentierten Bereiche dar. Als Design wählten Architekten und Bauherren das Muster Calgary mit der Farbe Fire – eine marmorierte Oberfläche mit einem dezenten, mehrschichtigen Farbverlauf, die zumindest in der Fernwirkung dem ZDF-Orange nicht ganz unähnlich ist. In den technischen Bereichen im Untergeschoss mit Studio und Serverraum kam außerdem der Vinyl-Boden Colorex (ebenfalls von Forbo) zum Einsatz, ein stark strapazierfähiger Boden, der gleichzeitig antistatisch ist und somit die empfindliche Elektronik schützt. Über dieses spannende Produkt werden wir jedoch ein andermal berichten.

Ebenfalls im Schnittraum: Eine Sprecherbox, eigentlich ein Fertigteil, das aus Deutschland importiert und vor Ort in das Einbaumöbelkonzept integriert wurde. (Foto: Lyndon Douglas)
Vorher/nachher I: Im herrschaftlichen Treppenhaus mit Stufen aus originalem Portlandstein und gusseisernem Geländer wurde der ursprüngliche Glanz wiederhergestellt. (Foto: Lyndon Douglas)
Vorher/nachher II: Die Renovierung des Treppenhauses bestand vor allem aus der Befreiung von nachträglichen Einbauten und mehrlagigen Farbüberzügen vor allem der Treppensteine. (Foto: Lyndon Douglas)
Auch die Büroräume wurden von «unnötigen» Wänden befreit, um so ein kommunikatives Zusammenarbeiten zu ermöglichen. (Foto: Lyndon Douglas)
Der Aufbau von Flotex: 1. 100 % Nylon 6.6 Flockfasern, 2. Sanitized®, die integrierte antimikrobielle Ausrüstung, 3. Glasfaservlies für Dimensionsstabilität. (Quelle: Forbo) 
Aus Sicherheitsgründen dürfen wir Ihnen nur den Gebäudequerschnitt als Plan zeigen, auf dem man dafür sehr gut das schöne Treppenhaus sieht. (Quelle: ÜberRaum)
Die Kronleuchter-Lichtskulptur im Treppenauge wurde in Zusammenarbeit mit der Designerin Isabel Hamm entwickelt und umgesetzt. Sie besteht aus 1700 handgefertigten Glasstäben, die unter UV-Strahlung in die 18 Glaskugeln geklebt wurden. (Foto: Lyndon Douglas) 
Im Zuge des Umbaus wurde auch die Beletage wiederhergestellt, die bis dahin in drei kleine Zimmer unterteilt war. Jetzt befindet sich dort das Büro der Studioleitung. (Foto: Lyndon Douglas) 
Dank seiner Strapazierfähigkeit und der antistatischen Wirkung kam im Studio wie in den Serverräumen Forbo Colorex zum Einsatz. (Foto: Lyndon Douglas) 
Geölte Schieferplatten, scharlachroter Spritzputz, schwarz lackierte Einbaumöbel und ein raumhoher Spiegel, der das halbe Tonnengewölbe vervollständigt, kreieren einen höhlenartigen Charakter in den neuen Gästetoiletten im Untergeschoss. (Foto: Lyndon Douglas)
Vom Dach aus kann man das «London Eye» sehen, das mit 135 Metern höhe das derzeit höchste Riesenrad Europas ist. (Foto: Lyndon Douglas)
Forbo Flooring GmbH
Paderborn, D

Hersteller-Kompetenz
Bodenbelag Flotex
Bodenbelag Colorex

Projekt
ZDF Studio London
London, GB

Architektur, Innenraumgestaltung, Bauleitung
ÜberRaum Architecture
London, GB

Bauherr
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen
Mainz, D

Projektmanagement
TMD
London, GB

Statik
StructureMode
London, GB

Haustechnik
pha consult
London, GB

Akustik
Sandy Brown Associates
London, GB

Fertigstellung
2012

Fotonachweis
Lyndon Douglas

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