Maurer Robo

Thomas Geuder
21. August 2013
Zur Verschattung der komplett verglasten Westfassade der «Ofenhalle» entwarfen Gramazio & Kohler Architekten ein Stabgeflecht aus Mauersteinen. (Foto: Claudia Luperto Fotografie)

Die Grundidee ist altbekannt: Statt der Bauarbeiter könnten die schwere Arbeit auf der Baustelle doch auch Maschinen und Roboter erledigen. Hier und da wird das bereits gemacht, über Pilotprojekte kommen diese Experimente jedoch meist nicht hinaus. Im Gegenteil: Schaut man sich auf der Baustelle um die Ecke um, sieht es dort aus wie immer schon: Schaufel, Kran, Mischer und Augenmaß sind die immerwährenden Konstanten. Der Mensch ist auf der Baustelle eben noch ein Faktor, auf den man nicht verzichten will, oder kann. Wie lange das so bleiben wird, hängt letztendlich wohl von der Wirtschaftlichkeit neuer Bau-Systeme ab. Im Falle des «schönen Mauerwerks» sicherlich auch von der Ästhetik, denn keine Mauer kann so ästhetisch anmuten, wie die von Hand gemachte – sofern der Maurer sein Handwerk versteht. Ein Roboter arbeitet dagegen sehr exakt, fast schon zu exakt und erzeugt dadurch leider auch Glattes und zuweilen Charakterloses. Otto Normalpolier nimmt ihm das nicht unbedingt übel, schließlich weiß ein Robo es eben einfach nicht besser.

Mauern nach am Computer erdachten Mauerwerksverbänden: Vieles ist denkbar und auch machbar. (Foto: Keller AG)

Und doch kann unser computergesteuerter Kumpel sich zum wahren Freund und Helfer mausern, nämlich immer dann, wenn es für die menschliche Hand zu kompliziert wird. Als Beispiel: «ROBmade» nennt sich ein System zum Fabrizieren von komplexen 3D-Wand- und Fassadenlösungen, die von Hand nur schwer bis gar nicht mauerbar sind. Entstanden ist das System aus verschiedenen Forschungsprojekten, die die Keller AG Ziegelei aus Pfungen bei Zürich zusammen mit Gramazio & Kohler, Architektur und Digitale Fabrikation, ETH Zürich in den Jahren 2008 bis 2012 durchführten. Das Prinzip von ROBmade ist einfach wie logisch: Ein Roboter, wie man ihn aus der Automobilbranche kennt, fertigt nach einem zuvor per spezieller (und von Anbieter erhältlicher) Software «BrickDesign» erstellten Plan eine Mauer, deren Verband vollkommen frei konfigurierbar ist. Möglich wird das durch das ausschließlich horizontale Verkleben der einzelnen Steine, die Stoßfugen können offen bleiben. So sind die einzelnen Mauersteine beliebig verdreh- und positionierbar, wodurch erstaunliche Mauerwerkseffekte erzielt werden können (s. Gestaltungsideen). Ganze Mauerteile werden so von Freund Robo Stein für Stein vorgebaut und nach Aushärten des Klebers als ganze Wandscheiben mit dem Kran ins Gebäude gehievt. Damit das reibungslos funktioniert, müssen lediglich einige Anforderungen an die Mauersteine (Parallelität, Ebenheit, Rechtwinkligkeit, Höhe), die Klebefläche (Lochform) und die Überlappung beachtet werden, sodass die fertige Mauer auch den Statiker zufrieden stellt. Die vorfabrizierten Elemente können abhängig vom Aktionsradius des Roboterarms eine Größe von 4,00 x 2,80 Meter haben, bei einer Schnittbreite (Schwingung) von bis zu 1,30 Meter. Dazwischen ist vieles denk- und machbar.

Gleichmäßigkeit in der Verarbeitung ist bei der «Vorhangfassade» vor dem Hauptsitz der Keller AG besonders wichtig gewesen. (Foto: Gramazio & Kohler)

Am konkreten Beispiel ausprobiert haben Gramazio & Kohler Architekten und die Keller AG das an der Fassade der sogenannten «Ofenhalle» der Keller AG, die schon seit einigen Jahren nicht mehr als Produktionsstätte genutzt wird und zwischenzeitlich sogar teilweise geschliffen wurde. Deren Stirnfassade stand einige Jahre lang offen, ehe man sich für den Umbau der Halle zum Hauptsitz der Keller-Ziegeleien entschied. An seiner offenen Seite erhielt das Gebäude nun eine nahezu freistehende und selbsttragende Konstruktion aus Klinkersteinen vor einer Glasfassade. Die einzelnen Teile bzw. Stein-Stäbe wurden von Robo in der Fabrik vorgefertigt und von den Arbeitern auf der Baustelle dann zum Rautenmuster Stück für Stück zusammengesetzt (s. beide Filme). Die Montage konnte in sechs Tagen erfolgen, wobei pro Tag 40 Elemente montiert wurden, jedes mit einem Gewicht zwischen 50 und 70 kg. In regelmäßigen Abständen ist die luftige Konstruktion mit schmalen Stahlankern an der Stützenreihe der Glasfassade befestigt. Durch eine leichte Verdrehung der einzelnen Steine entsteht ein lebendiges Spiel von Licht und Schatten, das die Wirkung des Rautenmusters noch verstärkt. Und Otto Normalpolier? Hat in diesem Fall in Robo keine Konkurrenz gesehen, schließlich hätte er die Fassade nicht so gleichmäßig hin bekommen – und das ist gut so.

Die leichte Torsion der Mauerstäbe führt zu einem spannenden Licht-Schatten-Spiel. (Foto: Gramazio & Kohler)
Der Charakter des Innenraums wird durch die rautenförmige Mauerwerksfassade bestimmt, wodurch das Thema «Ziegel» noch einmal deutlich thematisiert wird. (Foto: Claudia Luperto Fotografie)
Ansicht, horizontaler und vertikaler Schnitt
Verankerung der Mauerwerksstäbe an der Stahl-Glas-Fassade
Vom Roboter wurden die Stäbe zunächst mittels einer temporären Stützkonstruktion (blau) vorfabriziert.
Keller AG Ziegeleien
Pfungen, CH
Hersteller-Kompetenz
ROBmade
Projekt
Fassade Ofenhalle
Architekt
Gramazio & Kohler
Zürich, CH
Bauherr
Keller AG Ziegeleien
Pfungen, CH
Erstellung Produktionsdaten
R-O-B Technologies AG
Zürich, CH
Statik Stahlfassade
Bona + Fischer Ingenieurbüro AG
Winterthur, CH
Bauphysik Glasfassade
Raumanzug GmbH
Zürich, CH
Fertigstellung
2012
Fotonachweis
Claudia Luperto Fotografie
Keller AG
Gramazio & Kohler
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