Licht-Bewusstsein

Thomas Geuder
9. Juni 2015
Preisträger Kategorie «Verkehrsbauten»: U-Bahnhof Wilhelm-Leuschner-Platz, Leipzig (Foto: Christian Günther)

Thomas Geuder: Herzlichen Glückwunsch noch einmal zum Titel «Lichtdesigner des Jahres 2015», Herr Schulz. Lassen Sie uns über Ihren Blick auf das Verhältnis von Licht und Architektur sprechen. Auf Ihrer Website schreiben Sie: «Licht ist ein Medium, das wie keines dazu geeignet ist, die räumlichen Qualitäten der Architektur zu materialisieren.» Was kann und was soll Licht Ihrer Meinung nach für die Architektur leisen?
Andreas Schulz: Ist erster Linie: Raum kreieren. Das beginnt schon beim Entwurf des Architekten. Man muss ein Verständnis für die Architektur und den Entwurfsgedanken des Architekten haben, um einen Entwurf interpretieren oder sogar überhöhen zu können. Die vernünftige und richtige Reaktion auf einen Raum setzt zunächst einmal eine intensive Analyse der Architektur voraus. Deswegen stecken wir am Anfang jedes Projekts viel Arbeit in das Verstehen der Architektur und des Raums, ehe wir erste Ideen einer Lichtplanung zu Papier bringen.

An welchem Punkt in einem Projekt stoßen Sie normalerweise hinzu?
Immer häufiger zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Oftmals beraten wir Architekten bereits im Wettbewerb. So können wir die Architektur zugunsten einer guten Tageslichtführung und einer darauf abgestimmten Kunstlichtführung von Anfang an begleiten. Es kann natürlich auch vorkommen, dass wir zu einem sehr späten Zeitpunkt hinzugerufen werden und operativ nacharbeiten müssen, was dann letztendlich nur gelingt, wenn alle an einem Strang ziehen. Mittlerweile genießen wir glücklicherweise den Nimbus, dass wir in einem solchen Fall das Licht in einem Gebäude tatsächlich auch verbessern können.

Preisträger Kategorie «Hotel und Gastronomie»: Restaurant Drachenfelsplateau, Königswinter (Foto: Lukas Roth)

1991 bereits haben Sie Ihr Büro gegründet, im nächsten Jahr also vor 25 Jahren. Hat sich in dieser Zeit die Lichtplanung so entwickelt, wie Sie es sich damals vorgestellt haben?
Eine wirklich gute Frage, über die ich mir auch oft Gedanken mache. Wir waren schon immer passioniert und engagiert in dem, was wir tun. Aber man muss ehrlicherweise auch sagen, dass wir in der Vergangenheit nicht immer ein offenes Ohr gefunden haben. Das aber hat sich zwischenzeitlich verändert. Es herrscht ein größeres Licht-Bewusstsein sowohl bei den Projektentwicklern oder Bauherren als auch bei den Architekten. Sie haben erkannt, dass man mit Licht unglaublich viel erreichen kann und dass Licht im Prinzip auch ein relativ preiswertes Medium ist, einen Raum zu gestalten. Denn das Licht macht in einem Projekt meist nur 2 bis 3 Prozent eines Bauvolumen aus. Für den Menschen aber bestimmt das Licht über 90 Prozent der Wahrnehmung. Deshalb kann man beim Licht mit wenig Investment extrem viel erreichen.

Lässt sich aus Ihrer Sicht sagen, wann sich für die Lichtplaner das Blatt gewendet hat?
Das ist noch gar nicht lange her: Vor rund 10 Jahren begann bei den Architekten ein Umdenken. Seitdem fordern Architekten immer häufiger, einen Lichtspezialisten hinzuzuziehen. Die Zeit des Klinkenputzens, als es darum ging, den Gebäudeplanern beizubringen, dass ein Lichtplaner viel zum Gelingen eines Projekts beitragen kann, ist weitestgehend vorbei.

Vor zehn Jahren sagen Sie, das heißt zu einer Zeit, in der sich die Welt der Lampen kräftig verändert hat, zum Beispiel durch die LED.
Die LED gibt es so richtig marktreif ja sogar erst seit rund fünf Jahren. Die Technologie insbesondere hier in Deutschland hat erhebliche Schritte getan und die Steuerungstechnik dahinter hat sich immens entwickelt. Dass man das Licht so beeinflussen kann, wie es heute möglich ist, ist so gesehen also auch ein Ergebnis aus den Fortschritten in der IT-Technik.

Preisträger Kategorie «Hotel und Gastronomie»: Restaurant Drachenfelsplateau, Königswinter (Foto: Lukas Roth)

Wir haben heute auf dem Podium gehört, es sei momentan die spannendste Zeit für die Lichtbranche. Ich bin mir sicher, das würden Sie auch unterschreiben. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach das Kunstlicht für ein Gebäude heute?
Ich glaube, so wichtig wie nie zuvor. Denn durch die Digitalisierung des Lichts ist die Arbeit mit Licht sehr komplex geworden. Es geht nicht mehr nur darum, irgendeine analoge Lampen in die Decke einzubauen, sondern auch um das Verarbeiten der dahinterliegenden Intelligenz. Mit all dieser Technologie lässt sich die Raumwirkung extrem beeinflussen. Man sieht das zum Beispiel im eher profanen Bereich, wo oftmals mit Farbe oder Farbveränderung gearbeitet wird. Das funktioniert natürlich auch im Bereich des weißen Lichts: Heute kann man mit dem entsprechenden Lichtelement eine Tageslichtstimmung kreieren, und am Abend lässt sich per Knopfdruck eine Kerzenlichtstimmung erzeugen. Unfassbar, was hier mittlerweile durch die LED möglich ist.

Sie verwenden bei Ihren Lichtplanungen sehr häufig und gerne weißes Licht, oder?
Ja, wir verwenden gerne weißes Licht und akzentuieren dann mit farbigem Licht oder auch mit anders weißem Licht, der kompletten Bandbreite von Kaltweiß bis Warmweiß also. Farbiges Licht spielt bei uns eine immer größere Rolle, jedoch setzen wir Farbe nur wohldosiert ein, damit der Raum am Ende nicht kitschig wird. Das ist oftmals eine Gratwanderung. Aber bei Bauaufgaben wie der Museumsarchitektur, wo es vor allem um eine gute Farbwiedergabe geht, funktioniert eine Lichtplanung vor allem mit weißem Licht am besten.

Was wünschen sich die Bauherren von Ihnen?
Die Bauherren wünschen sich im Grunde meist eine Überhöhung dessen, was sie bereits von der Architektur erwarten. Sie wollen, dass unser Beitrag ihr Projekt zu einem Projekt macht, das sich von anderen unterscheidet. Es geht also meist darum, noch einmal einen Tick obendrauf zu setzen.

Preisträger Kategorie «Jurypreis Tageslicht»: Kunstmuseum Ahrenshoop (Foto: Stefan Josef Müller)

Was macht also eine gute Lichtplanung aus?
Wir haben ja heute Abend auch einen Preis für das kleine Kunstmuseum in Ahrenshoop erhalten. Bei diesem Projekt ist die Lichtplanung kaum zu sehen. Dennoch beeinflusst sie die Architektur extrem. Die Oberlichtöffnungen wurden mühsam an Modellen erarbeitet, um ein Optimum zu erhalten zwischen Deckenöffnung und -verschluss, wegen der konservatorischen Anforderungen. Wir wollten eine gewisse Tageslichtautonomie, sodass wenig Kunstlicht benötigt wird, nicht zuletzt aus ökologischen Gründen. Die Lichtplanung basiert also nicht auf komplexen Beleuchtungssystemen, sondern auf unserer frühzeitigen Beteiligung, durch die auch die Architektur beeinflusst wurde.

Kunstlichtplanung sollte also nie ohne die Tageslichtplanung stattfinden?
Genau. Wir werden zwar nicht immer auch für das Tageslicht beauftragt, aber wir versuchen natürlich immer, das Tageslicht in unserer Planung zu berücksichtigen. Wir haben sogar eine eigene Abteilung, die sich ausschließlich mit Tageslicht beschäftigt. So arbeiten wir zum Beispiel für Herzog & de Meuron an einem Kinderspital in Zürich, wo wir versuchen, einen wirklich humanen Raum zu schaffen, der fast ausschließlich mit Tageslicht funktioniert. Der Nacht wird hier tatsächlich auch eine Nachtstimmung zugeschrieben, ohne helles Kunstlicht. Als Lichtplaner sind wir also natürlich auch in der Lage, eine Verbindung zwischen dem künstlichen und dem natürlichen Licht herzustellen.

Wie entwickelt sich die Akzeptanz der Lichtplaner bei den Bauherrenschaften, als zusätzliche Fachplaner hinzugezogen zu werden?
Die entwickelt sich positiv. Klar ist: Es kostet mehr, wenn man einen Lichtplaner einschaltet. Denn üblicherweise wird die Lichtplanung vom Elektroplaner erstellt und verschwindet so in den allgemeinen Technikkosten. Ein Lichtplaner aber muss separat bezahlt werden. Dem Elektroplaner kann dafür zwar etwas abgezogen werden, aber letztendlich wird das Gesamtprojekt teurer. Ich glaube aber, dass der Gewinn viel größer ist als das Investment. Und: Unsere Bauherren nutzen ihre Projekte und somit auch das Licht als Marketing-Tool. Wir werden immer wieder nach den Fotos, mit denen wir unsere Projekte dokumentieren, gefragt, die die Bauherren und Projektentwickler zur Vermarktung ihrer Immobilie verwenden möchten.

Preisträger Kategorie «Jurypreis Tageslicht»: Kunstmuseum Ahrenshoop (Foto: Stefan Josef Müller)

Erlauben Sie mir eine persönliche Frage, Herr Schulz: Was fasziniert Sie am Thema Licht?
Mich persönlich fasziniert wahnsinnig daran, dass man mit diesem Medium in der Lage ist, Räume und Ambiente in eine Richtung zu beeinflussen, wie es die Innenarchitektur eigentlich nicht vermag. Die beste Innenarchitektur funktioniert nicht, wenn die Beleuchtung schlecht ist. Viele kennen das etwa von Hotels: Auch in einem einfachen und günstigen Haus, das aber eine ambitionierte Lichtplanung hat, übernachtet man gerne. Es geht um das Wohlfühlen und darum, sich mit einem Raum zu vereinigen – was Kunstlicht sehr gut leisten kann. In vielen großen Hotels wurde auch dem Tageslicht leider wenig Beachtung geschenkt, wodurch man hier auf das Kunstlicht angewiesen ist. Man wundert sich doch immer wieder, wie mit dieser schönen und preiswerten Energie «Tageslicht» umgegangen wird, sprich: Man könnte bei vielen Gebäuden viel mehr mit Tageslicht arbeiten.

Höre ich da eine leichte Kritik an den Architekten?
Ja, die können Sie da durchaus heraushören. Selbst wirklich ambitionierte Architekten denken in ihrem Entwurf nicht immer an eine wirklich gute Tageslichtführung. Andere haben das sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen, was man deren Gebäuden auch ansieht. Wie zum Beispiel Volker Staab, der tatsächlich jedes Gebäude dem Tageslicht entsprechend adäquat plant.

Mit Volker Staab arbeiten Sie immer wieder gerne zusammen.
Ja, unser Berliner Büro befindet sich im selben Gebäude wie seines, insofern sind wir eine Art «Haus-Lichtplaner» für ihn. Er bindet uns häufig schon während seiner ersten Entwurfsskizzen ein.

Preisträger Kategorie «Jurypreis Tageslicht»: Kunstmuseum Ahrenshoop (Bild: Licht Kunst Licht)

2011 waren sie bereits Lichtdesigner des Jahres, seitdem haben hier beim Deutschen Lichtdesign-Preis vier Preise und zehn Nominierungen erhalten, die heutigen noch nicht mitgezählt. Diese reihen sich in zahlreiche weitere Auszeichnungen aus den letzten knapp 15 Jahren ein. Wie wichtig ist jeder einzelne Preis da noch für Sie?
Heute Abend musste ich für mich selbst wieder einmal feststellen, dass es doch noch immer eine gewisse Aufregung gibt. Wir haben viele Projekte eingereicht und sind mit einem Teil auch in die Nominierungsrunde gekommen. Insofern waren wir schon sehr gespannt. Ein paar Projekte haben nun zwar keine Preise erhalten, doch allein die Nominierung ist schon eine Ehre. Letztendlich aber ist jede Auszeichnung ein wahnsinnig schöner Erfolg, vor allem für meine Mitarbeiter, auf die ich mich wirklich total verlassen kann und die mit einem wirklich unglaublichen Engagement über das normale Arbeiten hinaus an ihren Projekten arbeiten. Diese Passion und Euphorie für das Licht sieht man, finde ich, unseren Projekten auch an. Dieser Dank geht also an meine Mitarbeiter.

Die sich über diesen besonderen Dank sicherlich freuen werden. Ihnen danke ich herzlich für das Gespräch, Herr Schulz.  tg

Der Preis «Lichtdesigner des Jahres» wurde natürlich nicht an Andreas Schulz allein verliehen, sondern an das gesamte Team von Licht Kunst Licht, das zur Preisverleihung fast komplett angereist war. (Bild: Thomas Geuder)
Das Team von Licht Kunst Licht mit Prof. Dipl.-Ing. Andreas Schluz ganz links. (Foto: Christoph Meinschäfer Fotografie)
Gesprächspartner Andreas Schulz (l. und Leinwand) bei der Preisverleihung. (Foto: Thomas Geuder)
Der Deutsche Lichtdesign-Preis 2015

Preisträger Kategorie «Lichtdesigner des Jahres»
Licht Kunst Licht AG
Bonn und Berlin, D

Preisträger Kategorie «Verkehrsbauten»
Projekt: U-Bahnhof Wilhelm-Leuschner-Platz, Leipzig, D
Architektur: Max Dudler, Berlin, D
Bauherr: Deutsche Bahn AG, Stadt Leipzi, Land Sachsen, Bundesrepublik Deutschland
Nutzer: Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH
Fotografie: Christian Günther

Preisträger Kategorie «Hotel und Gastronomie»
Projekt: Restaurant Drachenfelsplateau, Königswinter, D
Architektur: pape+pape Architekten, Kassel, D
Bauherr: Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH der Stadt Königswinter, D
Landschaftsarchitekt: plandrei Landschaftsarchitektur GmbH, Erfurt, D
Fotografie: Lukas Roth
German-Architects eMagazin: Praxis Licht für jeden Genuss

Preisträger Kategorie «Jurypreis Tageslicht»
Projekt: Kunstmuseum Ahrenshoop, D
Architektur: Staab Architekten, Berlin, D
Bauherr: Kunstmuseum Ahrenshoop e.V., D
Fotografie:  Stefan Josef Müller

Alle Preisträger und Nominierungen des Deutschen Lichtdesign-Preises unter:www.lichtdesign-preis.de

German-Architects eMagazin: Meldung Licht im Fokus

Andere Artikel in dieser Kategorie