Kreative Höhle

Thomas Geuder
28. April 2015
Ein ehemaliges Logistikgebäude der Gries Deco Company in Niedernberg ist von schöne räume architekten innenarchitekten zu einer neuen Arbeitswelt umgestaltet worden. (Bild: Oliver Tamagnini)

Wie eine «moderne Arbeitswelt» aussieht, mag stark von der individuellen Auffassung abhängen. Recht einleuchtend erscheint jedoch, dass die Kreativität am besten funktioniert, wenn schon die räumliche Konfiguration inspiriert. Da geht es um Materialien und Oberflächen, aber auch Licht, Akustik und Haptik. Und natürlich auch um die Dimensionierung des Raums, in dem neue Ideen erdacht werden sollen. Genau einen solchen die Phantasie anregenden Innenraum zu schaffen, war die Bauaufgabe für die Planer von schöne räume architekten innenarchitekten in Niedernberg, rund 50 km südwestlich von Frankfurt/Main. Hier bei der Gries Deco Company sollten neue Trendlabore für die hauseigenen Marken DEPOT und ipuro samt dazugehörigen Büroflächen und separaten Besprechungsräumen geschaffen werden. Zur Verfügung dafür stand eine Fläche von 3.250 m² im ehemaligen Kommissionierlager, die durch den Bau eines neuen Logistikzentrums im Jahr 2013 frei wurde. Den gestalterischen Rahmen für ihr Vorhaben bildete also eine Skelettbau-Industriearchitektur, die vor allem durch Stahl und Beton geprägt ist. Die Entwurfsidee: dieses sachlich-funktionale Ambiente durch lebendige, warme Materialien zu durchbrechen und ihm mit einer modernen und individuellen Formensprache entgegenzutreten.

Die Kreativwerkstätten sollen viel Raum zum Informationsaustausch und zur Ideenentwicklung der kommenden Saisonkollektionen bieten. (Bild: Oliver Tamagnini)

Dieser Idee folgend ordneten die Planer auf einer zentralen Achse drei gefaltete Volumina nach dem Raum-im-Raum-Prinzip an. Diese Maßnahme gliedert die große Fläche und schafft einen Bereich, der als KreativLAB eine anregende Atmosphäre ausstrahlen kann. Von außen betrachtet geben sich die drei Baukörper recht geschlossen, dennoch nicht abweisend, da ihre Schale mit massiven Lärchenholzbrettern verkleidet ist, die zudem durch verschiedene Brettstärken ein Relief erzeugen. Die Stirnseiten der LAB-Räume besitzen eine weiße Oberfläche und leiten mit einer großen, trichterförmigen Geste wie durch einen Höhleneingang in ihr Inneres, wo ebenfalls weiße Oberflächen eine neutrale Umgebung und somit Freiraum fürs Denken schaffen sollen. Und doch hat jeder der drei Bereiche einen leicht anderen Charakter: In dem 132 m² großen LAB:süd stehen neben einem aus Rohstahl gefertigten, flächenbündig in die Wände eingelassenen Hängesystem für Moodboards auch ein Computerarbeitsplatz sowie ein Multimediasystem zur Verfügung. Die Akustik wird über die gefaltete, mit einem Akustikputz versehene Decke gesteuert. Raumprägend sind hier auch die mit Filz verkleideten Sideboards, Stehtische und Arbeitsnischen. Das LAB:nord folgt der gleichen Material- und Formsprache, ist demgegenüber aber anders dimensioniert.

Das warme Holz der Außenseiten zieht sich als Parkettbelag in die LABs, wo sie zusammen mit den Wänden und Decken mit ihren weißen Oberflächen einen neutralen Hintergrund bilden sollen. (Bild: Oliver Tamagnini)

Zwischen beiden LABs und im Zentrum des gesamten Raums befindet sich der ID:pool, der von beiden Seiten zugänglich ist und als Inspirationsquelle bei der Kollektionsplanung dienen soll. Quer zu seiner Achse gliedert er sich in drei Bereiche: Hinter einer Trennwand im Westen befindet sich eine Teeküche mit Lounge. Hinter einem unregelmäßigen Netz aus Seilen, an die tagesaktuelle Neuigkeiten gepinnt werden können, schließt sich im Osten eine Bibliothek und eine Materialsammlung an. Das Zentrum des ID:pool bildet der Hauptraum mit dem speziell hierfür entworfenen Stehtisch «Folding 888». Dieser Bereich wird von einer in drei Felder unterteilten Lichtdecke erhellt, die ihn zum leuchtenden Mittelpunkt des Labors macht. Um das geometrische Design der Flächen hier möglichst weiterzuführen, wurden transluzente Spannfolien (Lumière Calisto, Barrisol) verwendet und per Kederschiene im Randbereich fixiert. Dahinter befinden sich gut 13.000 Einzel-LEDs, die auf einem Alublech in streifenförmiger Anordnung montiert sind. Die einzelnen Lichtbausteine (LEDlight Chain, Barthelme) besitzen zur Befestigung in ihrer Mitte eine 4 mm große Montagebohrung und sind jeweils durch 12 cm Kabel verbunden. Ihr Licht – mit einer für das konzentrierte Arbeiten bestens geeigneten Farbtemperatur von 4.500 K – wird von der Spannfolie sehr homogen in den Raum verteilt, da sie einen Lichtverbreitungsgrad von 41 % und einen Lichtreflexionsgrad von 59 % besitzt. Die drei Lichtfelder können unabhängig voneinander und stufenlos gedimmt werden. So haben die Planer von schöne räume architektur innenarchitektur mit ihrem Entwurf für das KreativLAB vor allem eine räumliche Verschachtelung in mehreren Ebenen erzeugt – die dadurch wieder einen Freiraum fürs Denken schafft. tg

Die Außenseiten der drei KreativLABs wurden mit einer Schalung aus massiven Lärchenholzbrettern verkleidet, die durch verschiedene Brettstärken ein Relief erzeugen. (Bild: Oliver Tamagnini)
Gesamtgrundriss (Quelle: schöne räume)
Gesamtansicht (Quelle: schöne räume)
Längsschnitt ID:pool (Quelle: schöne räume)
Querschnitt ID:pool (Quelle: schöne räume)
Die rund 3.000 Einzel-LEDs machen ein Licht mit einer Farbtemperatur von 4.500 K, das jedoch stufenlos gedimmt werden kann. (Bild: schöne räume)
Die 30x30x4 mm großen LED-Bausteine werden als Kette mit 50 Einheiten à 3 LEDs geliefert, die in jede beliebige Länge gebracht werden kann. (Bild: Barthelme)
Neben den weißen Oberflächen ist die Materialität im Inneren der LABs vor allem gesprägt von den Naturtönen des Holzparketts und der Seile sowie durch die Filzmöbel – und die Bespielungen der Kreativen. (Bilder: Oliver Tamagnini)

Projekt
GDC_KreativLAB
Niedernberg, D

Architektur
schöne räume architektur innenarchitektur
Frankfurt am Main, D

Hersteller 1
Barrisol-Normalu SAS
Kembs, FR

Kompetenz
Spannfolie Lumière Calisto

Hersteller 2
Josef Barthelme GmbH & Co. KG
Nürnberg, D

Kompetenz
LEDlight Chain Triple Chip

Bauherr
Gries Deco Company GmbH (GDC)
Niedernberg, D

Planung Technische Ausrüstung
Innius RR GmbH
Rosbach, D

Vorbeugender Brandschutz, Tragwerksplanung, Schallschutz und Raumakustik
Lenz Weber Ingenieure GmbH
Frankfurt am Main, D

Fertigstellung
2014

Fotografie
Oliver Tamagnini



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