Grau, wie schön Du bist

Thomas Geuder
17. Februar 2015
Das neue Hotel ist zentral gegenüber dem Hauptbahnhof im Bereich des sogenannten Nordkopf zwischen einem Multiplexkino und einem Versicherungshauptsitz gelegen. (Foto: Claus Graubner)

Mit Wolfsburg – von nicht wenigen als unschöne Retortenstadt abgestempelt – verbinden die meisten heute vor allem zwei Dinge, die für das nationale Verständnis von enormer Bedeutung sind: Fußball und Auto. Den Wolfsburgern wird dies selbstverständlich nicht ganz gereicht, und auch dem einen oder anderen Architekten oder Ingenieur wird dieses Bild nicht genügen. Denn auch für deren Profession gibt Wolfsburg mehr her, als man zunächst vermuten mag. Eines der bekanntesten Beispiele für ein Bauwerk, das internationale Aufmerksamkeit erweckte, ist die sogenannte «Experimentierlandschaft phæno», die vor mittlerweile bereits rund 10 Jahren von der Pritzker-Preis-Trägerin Zaha Hadid erdacht wurde. Gleich daneben befindet sich der Wolfsburger Hauptbahnhof aus dem Jahr 1957, der im Stil der Klassischen Moderne errichtet wurde und heute unter Denkmalschutz steht. Über all dem aber thronen auf der anderen Seite des Mittellandkanals die vier Schornsteine des VW-Werks, das weithin bekannte Wahrzeichen der Stadt und gleichzeitig ein Mahnmal an eine Zeit, als mit dem Auto noch der ungebremste Fortschrittsglaube verbunden war. Das Volkswagen-Werk samt Autostadt nimmt einen beträchtlichen Teil der Wolfsburger Fläche ein, und so verwundert es nicht, dass das ein «Schwerpunktthema» in der Stadt ist, unter dessen Einfluss einige Bauwerke entstanden sind (Link: Architektur in Wolfsburg auf German-Architects.com).

Blick vom Willy-Brand-Platz aus: Hier schließt das Gebäude die an dieser Stelle bisher offen gebliebene Platzkante. (Foto: Claus Graubner)

Einer der zentralen Drehpunkte der Stadt ist die Gegend um den erwähnten Hauptbahnhof, wo sich zahlreiche Outlets befinden und wo die Altstadt (wenn man sie so nennen darf) beginnt. Genau hier am Übergang vom Willy-Brandt-Platz zum Pfad in die Innenstadt hat der Architekt Sergei Tchoban ein Hotel erbaut, das auf den ersten Blick architektonisch recht gewöhnlich daher kommt, was auf den zweiten Blick aber durchaus einem logischen Entwurfsgedanken entspringt. Das Gebäude befindet sich zwischen einem Multiplexkino auf der einen und einem Versicherungshauptsitz auf der anderen Seite. Der Ort ist charakterisiert durch die Betonfassade des phæno, der weitestgehend baumlose Willy-Brandt-Platz verbindet alle angrenzenden Gebäude. So hat Sergei Tchoban das U-förmige Gebäude mit einer Fassade aus grauen Aluminium-Sandwichelementen in verschiedenen Schattierungen mit aufgesetzten Profilen versehen, die die Horizontale betonen. Die dunklen Fensterbänder unterstützen diesen Effekt.

Im Hintergrund: der Wolfsburger Hauptbahnhof aus dem Jahr 1957 sowie die Schornsteine des VW-Werks, gut 250 Meter hinter dem Bahnhof. (Foto: Windmöller/wineo)

Das Erdgeschoss des Baus mit Lobby und Café ist als großzügige, raumhoch verglaste Halle angelegt, die sich zu dem vorgelagerten, dreieckigen Platz orientiert, der durchaus als Fortsetzung des Willy-Brandt-Platzes sowie als Verknüpfung zwischen Innenstadt und Bahnhof gesehen werden kann. In den fünf Geschossen darüber befinden sich die über 200 Zimmer des Vier-Sterne-Hotels, mit Spa- und Konferenzbereich sowie einem Ballsaal. Auch hier ist das Wolfsburger Schwerpunktthema omnipräsent: Prägendes Stilelement sind – als Gegenpol zu den in eher warmen Farben eingerichteten Zimmern – in den Erschließungszonen raumhohe, monochrome Bildmotive der automobilen Volkswagen-Historie, mit denen einige Wände bekleidet sich. Unterstrichen wird die Wirkung der Bilder durch die Reduzierung der verwendeten Farben an den Wänden, Türen und Fußböden auf Schwarz und Weiß bzw. Grau.

Sergei Tchoban und Jonasplan waren der Bezug zur Entstehungsgeschichte der Stadt sowie die Verbindung zum VW-Werk wichtig (Foto: Windmöller/wineo)

Der Bodenbelag wurde dabei in zwei verschiedenen Grautönen angelegt, um eine gewisse Zonierung und Wegführung zu erreichen. Außerdem haben die Innenarchitekten von Jonasplan immer darauf geachtet, dass die Bilder einen dunkelgrauen Grund erhalten. Verwendet wurde hier der Bioboden «Pureline» von wineo im Plankenformat 1000 x 500 mm, der sich mit seiner Nutzungsklasse 43 und sein duroplastisches Ruckstellverhalten auf stets nahezu 100 Prozent für derartig strapazierte Bereiche eignet. «Bio» ist der Verbundwerkstoff übrigens vor allem durch den Einsatz der nachwachsenden Rohstoffe Rizinusöl sowie Kreide als Füllstoff. Außerdem enthält er weder Chlor noch Weichmacher, Lösungsmittel oder andere Schadstoffe, ist geruchsneutral und trägt durch die einfache Reinigung der PU-Oberfläche zum Einsparen von Wasser und Reinigungsmittel bei. Es muss in den Verkehrsflächen eines Hotels also nicht immer der Teppich sein – der Umwelt zuliebe.  tg

Wolfsburg, als „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ im Jahr 1938 gegründet, ist mit der Geschichte des KdF-Wagens, sprich: VW Käfers untrennbar verbunden. (Foto: Windmöller/wineo)
Grundriss Regelgeschoss (Quelle: nps tchoban voss)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: nps tchoban voss)
Der Bioboden Pureline – in Deutschland produziert – ist schadstofffrei und trotz lediglich 2,5 mm Produktaufbau robust. (Quelle: Windmöller/wineo)
Produktaufbau Pureline (Quelle: Windmöller/wineo)
Die graue Farbgebung ist Gegenpol zur farblich mediterranen Gestaltung der Zimmer. Im Bild zu sehen: Brezelkäfer der ersten Generation. (Foto: Windmöller/wineo)

Projekt
Hotel am Nordkopf – INNSIDE by Meliã
Wolfsburg, D

Architektur
nps tchoban voss
Sergei Tchoban
Berlin, D

Projektpartner und -leiter: Axel Binder, Karsten Waldschmidt (Konzept)
Team: Stephan Luda, Sarah Sophie Papen (Entwurf); Katja Fuks, Anja Koch, Andreas Lenz, Andrea Moritz (Planung)

Innenarchitektur
jonasplan. Gesellschaft für Innenarchitektur + Design mbH
Bielefeld, D

Hersteller
wineo – windmöller flooring products WFP GmbH
Augustdorf, D

Kompetenz
Bioboden PURELINE, Designs Puro Snow und Puro Carbon

Bauherr
GBI AG
Erlangen, D

Landschaftplanung
lad+ landschaftsarchitektur diekmann
Hannover, D

Statik
Kannemacher und Dr. Sturm Beratende Ingenieure für Bauwesen
Frankfurt am Main, D

Haustechnikplanung
Kaiser + Fülgraff Beratende Ingenieure GmbH
Berlin, D

Brandschutz
brandschutz-winter-ingenieure
Heiligengrabe, D

Projektsteuerung
MGP GmbH
Braunschweig, D

Rohbau
OTTO HEIL GmbH & Co.KG
Eltingshausen, D

Fertigstellung
2014

Fotografie
Claus Graubner
Windmöller/wineo



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