Gegensätze ziehen sich an

Thomas Geuder
13. Januar 2015
Forschung am Computer und am heißen Motor: Im neuen Excellenzcluster CMP der RWTH Aachen forschen Ingenieure und Wissenschaftler an neuen Antriebstechnologien von Motoren für PKW und Nutzfahrzeuge. (Foto: Jens Kirchner)

Ganze 16 Institute der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) haben sich für dieses Projekt zusammengeschlossen, um interdisziplinär die Forschung und Entwicklung neuer Antriebstechnologien für PkW und Nutzfahrzeuge voranzutreiben: Im «CMP – Center for Mobile Propulsion» finden sich Ingenieure und Wissenschaftler zusammen, um in Theorie und Praxis die verschiedenen Arbeitsbereiche unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen. Den gestalterischen Rahmen dafür haben die Monika und Reinhard Lepel (Lepel & Lepel Architektur Innenarchitektur) geschaffen. Ihre inhaltliche, gestalterische und konstruktive Aufgabe war es, zwischen den unterschiedlichen Disziplinen eine klare Orientierung zu schaffen, ohne sie räumlich oder gar architektonisch voneinander zu trennen. So ist im gesamten Entwurf stets das Thema der Kontraste spürbar. Die Gegensätze finden sich jedoch immer wieder zusammen zu einem Ganzen.

Orientierung sucht die Architektur durch kontinuierliche Kontraste zu schaffen: schwarz und weiß, massiv und transparent, starr und bewegt. (Foto: Jens Kirchner)

Das wird bereits im Außenraum deutlich. Der Neubau des CMP besteht aus zwei Gebäudeteilen: einem Seminar- und Verwaltungsgebäude sowie einem Motorenprüfzentrum. Der Seminar- und Verwaltungstrakt bildet durch seine stark horizontal gegliederte Fassade und seine Z-förmige Gebäudekubatur mit sehr weichen Kanten eine markante städtebauliche Figur. Demgegenüber steht direkt daneben das Prüfzentrum mit den Motorenprüfständen, Laboren, Werkstätten sowie Umkleiden und Duschen, ein rechtwinkliger, langgestreckter und geschlossener Baukörper, der sich dem Betrachter starr und massiv zeigt. Unterstrichen wird dies noch durch die Fassade aus dunkel gefärbten Sichtbetonwänden, die nur gelegentlich durchbrochen wird von Lüftungsöffnungen, die aber keine Blick ins Innere zulassen. Das kommt freilich einen ganz pragmatischen Grund, denn die Motorenprüfungen im Gebäude finden unter hohen Sicherheitsstandards statt und unterliegen meist sogar der Geheimhaltung. Die Innenräume des Seminar- und Verwaltungsgebäudes dagegen wirken durch die raumhohe Verglasung und die vorherrschende Farbe Weiß sehr offen. Flexibilität für die regelmäßig sich neu zusammensetzenden Forscherteams entsteht durch verschiedene Bürosituationen wie Zweispänner, Open-Space oder Combi-Office.

Im zwei Stockwerke hohen Foyer wird die Formensprache, die sich bereits an der Fassade abgezeichnet hat, in Brüstung und Wänden fortgeführt. (Foto: Jens Kirchner)

Ein reduzierter und zurückhaltender Charakter wird im Verwaltungsgebäude auch durch die konsequente Verwendung purer Materialien wie Estrich, Sichtbeton, Textil und Glas erzeugt. Störende Gebäudetechnik haben die Architekten bewusst in die Konstruktion, sprich: vor allem in den Boden verbannt. Hier befindet sich auch die Klimatisierung, die sich die besondere Luftdurchlässigkeit des speziell für das Forschungszentrum CMP hergestellten Webteppichbodens (CarpetConcept) zunutze macht, wobei ein Quellluft-System für eine permanente Belüftung der Arbeitsräume sorgt. Das architektonische Konzept der Kontraste findet sich im Teppich-Design wieder, das nicht etwa grau ist, sondern sich aus einzelnen schwarzen und weißen Punkten bzw. Schlaufen zusammensetzt. Der Kontrapunkt zu den dunklen Böden mit hellen Wänden findet sich wieder in der Prüfhalle, wo die Wände schwarz und der Boden aus weißem Epoxidharz besteht.

«Der schwarz/weiße Teppichboden im gesamten Verwaltungsgebäude wurde eigens für das CMP entwickelt. Material und Farbe sowie Qualität und Funktion spiegeln das architektonische Konzept der Kontraste wider.» (Reinhard Lepel) (Foto: Jens Kirchner)

Auch die dynamische Form des Verwaltungsgebäudes findet sich im Innenraum wieder. Der Entwurfsidee entsprechend haben die Architekten hier einen Hewi-Türdrücker der Serie 120 eingesetzt, dessen Form wie das Gebäude einem Z entspricht und so die Gebäudekubatur sehr passend ins Detail auf die Türen projiziert. So möchten die Architekten im Nahbereich den Nutzern ein Gefühl eines Ortes vermittelt werden, der bis ins Detail inspiriert ist. Die weißen Türen des Seminar- und Verwaltungsbaus wurden natürlich mit einem schwarzen Türdrücker ausgestattet – und hätte der Entwurf hier auch schwarze Türen vorgesehen, wäre dort sicherlich die weiße Variante zum Einsatz gekommen. Wo es schwarze Türen gibt – nämlich im Prüfzentrumstrakt – haben die Architekten wegen der hohen Sicherheitsanforderungen an die Labortüren entsprechend feuerbeständige Systeme eingebaut.  tg

Die Abwärme, die bei den Versuchsläufen der Motoren entsteht, wird zur Beheizung des Lehrgebäudes genutzt. (Foto: Jens Kirchner)
Grundriss 3. Obergeschoss (Quelle: Lepel & Lepel)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Lepel & Lepel)
Die Formsprache der Türdrückerserie 120 wurde gemeinsamt mit dem renommierten Wiener Architekturbüro Delugan Meissl Associated Architects entwickelt. (Foto: Hewi)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Stark ArchitUm das offene und großzügige Ambiente nicht zu stören, befindet sich die Technik samt Klimaanlage im Bodenaufbau. Ein zugluftfreies Quellluft-System sorgt für eine permanente Belüftung durch den Webteppichboden. (Foto: Jens Kirchner)ekten)
Auch das fällt unter das Thema «Kontraste»: Der Aufenthaltsraum ist einer der wenigen Bereiche, in denen eine richtige Farbe vorherrscht. (Foto: Jens Kirchner)

Projekt
CMP - Center for Mobile Propulsion der RWTH Aachen
Aachen, D

Architektur
Lepel & Lepel Architektur Innenarchitektur
Köln, D

Projekt-Team
Reinhard Lepel (Projektleitung), Boris Felsecker, Katja Beck

Hersteller 1
Carpet Concept Objekt-Teppichboden GmbH
Bielefeld, D

Kompetenz
Webteppichboden Sonderanfertigung CONCEPT VBM 20 bzw. VBML 20

Hersteller 2
HEWI Heinrich Wilke GmbH
Bad Arolsen, D

Kompetenz
Serie 120 (Beschläge), Beschläge (Panikstangen), Serie 801 (barrierefrei), LifeSystem (barrierefrei)

Bauherr
Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, Geschäftsstelle Aachen
Aachen, D

Generalplanung
Lepel plus Generalplanungsgesellschaft mbH
Köln, D

Oberbauleitung
Borgmann Architekten und Ingenieure GmbH
Aachen, D

Tragwerksplanung, Brandschutz
Kempen Krause Beratende Ingenieure GmbH
Köln, D

TGA
ZWP Ingenieur-AG
Köln , D

SBI Schreiber, Brand & Partner
Lampertheim, D

Lichtplanung
a·g Licht GbR
Bonn, D

Freiraumplanung
FSWLA Landschaftsarchitektur GmbH
Düsseldorf, D

Wettbewerb
1. Preis 2007

Fertigstellung
2013

Fotografie
Jens Kirchner
Hewi


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