Feingliedrig bedacht

Die Marktgemeinde Zusmarshausen gut 20 Kilometer östlich von Augsburg ist ein Ort zwischen Autobahn und Auenlandschaft: Im Osten mäandriert das Flüsschen Zusam vorbei, im Norden verläuft die A8, im Westen liegt der Rothsee, von dem aus die Roth in die Zusam fließt. Die in diesem spannungsvollen Idyll gelegene Grund- und Hauptschule mit Sporthalle und Schwimmbad wurde 2003 durch eine Realschule nach den Entwürfen von Lamott + Lamott Architekten aus Stuttgart erweitert, ein Bau mit offenen Strukturen, bei dem Glas und Holz vorherrschen, der unterschiedliche Räume schafft und angemessen auf die kleinteilige Bebauung des Ortes reagiert. Sechs Jahre später musste dieser Campus bereits wieder erweitert werden. Den entsprechenden Wettbewerb für ein Gebäude mit Mensa und vier weiteren Klassenzimmern für die Mittags- und Ganztagsbetreuung konnten die Architekten von kaestle&ocker für sich entscheiden.

Ihre Idee: Ein quadratischer, eingeschossiger Pavillon mit Walmdach, der sich als weiterer solitärer Baustein in das offene Gebäudeensemble einfügt. Der Bau mit einer Seitenlänge von rund 29 Metern fungiert dabei wie ein zentraler Drehpunkt zwischen den bestehenden Campusgebäuden. Sein Zugang ist dem Pausenhof der Realschule zugewandt, zu der der Entwurf vor allem einen ideellen Bezug aufnimmt: Offenheit und Transparenz sowie Rückzug und Konzentration sind die wesentlichen raumbildenden Themen, die in beiden Gebäuden jedoch unterschiedlich interpretiert werden. So ist der quadratische Grundriss des Erweiterungsbaus dreispännig organisiert, mit den Klassenzimmern, Küchen- und Nebenräumen außen und einem durchlaufenden Raum in der Mitte, der als Speisesaal sowie multifunktional genutzt werden kann. Durchbrochen wird dieser durch einen verglasten, nach oben offenen Innenhof.

Prägend für die äußere Gestalt ist das Walmdach, das sich in einem flachen Winkel zur Öffnung des sich asymmetrisch im Grundriss befindenden Innenhofs erhebt. Es ist mit einer kupferbekleideten Stulpschalung (oder auch: Stülpschalung) versehen, eine Technik, die ursprünglich aus dem Holzbau stammt. Dabei werden die horizontal angeordneten Bretter einer Fassade oder eines Dachs jeweils um einige Zentimeter überlappt, sodass das Regenwasser nicht zwischen die Bretter gelangen kann. Auch beim Erweiterungsbau der Realschule wurden die Bretter der abschließenden Holzverschalung überlappend angeordnet und schließlich mit Kupferblech verkleidet. Dadurch entstehen in der Ansicht mehrere, schmale Kanten, die dem Dach eine angenehme Feingliedrigkeit und Leichtigkeit verleihen, was durch den Kontrast zu den homogen-weißen Fassaden darunter noch verstärkt wird. So möchten die Architekten ihrem Erweitungsbau Prägnanz und Identifikationswert im Schulensemble verleihen – was ihnen ohne Zweifel gelingt.  tg