Der Charme der Industrie

Unkonventionell, kreativ, disruptiv und ein bisschen wahnsinnig – so beschreibt sich die Agentur «Zum Goldenen Hirschen» selbst. Eine Schmiede, in der dramaturgisch intelligente Erzählungen «nach Hirschen-Art» entstehen sollen. Man will mit unerwarteten Ideen neugierig machen. Für derart wilde Köpfe das richtige Ambiente zu schaffen, war für die Architekten und Innenarchitekten des Frankfurter Büros schöne räume bei einem kleinen Wettbewerb zur Gestaltung der neuen Agentur-Büroräume, ebenfalls in Frankfurt. Möglich wäre natürlich gewesen, nach Google‘scher Manier eine Art bunten Spielplatz einzurichten, der den Mitarbeitern viele kreative Impulse geben soll. Die Planer – und in der Folge auch die Bauherren – entschieden sich jedoch für die gänzlich andere Variante und arbeiteten mit dem, was der vorhandene Raum vorgab: Zur Verfügung stand eine 480 m² große Fläche in einem alten Lagergebäude in Frankfurts Hanauer Landstraße, die Teil des sich derzeit rasant entwickelnden Bereichs hinter der dem Hochhaus der EZB ist (wir berichteten: Geschnitten und Verdreht, Interview mit Wolf D. Prix). «Unser Entwurfsansatz war es, sowohl den industriellen Charme als auch den offenen Raum zu erhalten durch durch moderne Elemente zu ergänznen», beschreibt Christian Koch, Projektleiter bei schöne räume, die Grundidee.  

Der Entwurf basiert auf mehreren Parametern, die stets darauf ausgerichtet sind, die Kommunikationsprozesse durch die Architektur zu fördern: Links und rechts einer zentralen Längsachse in Ost-West-Richtung, die sich von Eingang und Empfang bis zu einem Tisch für informelle Meetings erstreckt, befinden sich die Arbeitsbereiche. Sie sind in verschiedenen Dichten konzipiert, vom Workbench mit sechs Arbeitsplätzen über durch an den Stützen befestigte Regale leicht abgetrennte Arbeitsplätze bis hin zu mit Glaswänden separierte Tische und Ecken für informelle Gespräche. Die «Kreation» der Agentur mit den beiden 6er-Tischen bildet in der Raumorganisation gleichzeitig eine Nord-Süd-Achse in der Mitte. So ist der Agenturraum kreuzförmig organisiert, mit einem klaren Zentrum in Raummitte.

Die Wichtigkeit der Nord-Süd-Achse – also der Kreation – wird zusätzlich durch skulpturale Leuchten über den Arbeitstischen betont. Sie bestehen aus zusammengefügten Sauerkraut-Platten, in deren Zwischenräume die Leuchtmittel verborgen sind. Das Material sorgt außerdem für eine nicht zu unterschätzende Verbesserung der Akustik in diesem Bereich. «Gestaltung und Materialien zitieren die bestehende Fläche, unterstützen deren loftartigen Charakter und geben viel Freiraum für kreative Arbeitsprozesse», sagt Ralf Böckle, Inhaber von schöne räume. Wichtig war, den Industriecharme vor allem durch Details noch weiter hervorzuheben. So ist etwa die Elektroinstallation als Aufputz-Lösung mit schwarzen Kunststoffrohren und schwarzen, Bauhaus-inspirierten Schaltern (Serie 1930, Berker) gestaltet. Dazu passend sind ist die Grundbeleuchtung in der zentralen Achse sowie die Beleuchtung einzelner Sitz- und Besprechungsecken mit Leuchten gelöst, deren Design den industriellen Charakter spielerisch aufgreift und modern filigran umsetzt (Lampe Mantis BS 4 und BS 5, DCW éditions). Fast alle Möbel sind selbst entworfene und gebaute Sonderlösungen, die Bürostühle und teileweise -tische wurden aus dem Bestand übernommen. Mit dieser Formen- und Materialsprache bleiben die Räume sachlich neutral, industriell inspirierend und formell großzügig. Der perfekte Hintergrund also für die disruptiven Ideen der «Rudeltiere», wie sich die Mitarbeiter von «Zum Goldenen Hirschen» freigeistig selbst getauft haben.

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